Palliativbetreuung darf keine „Schadensbegrenzung“ sein
Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) schätzt, dass rund 10 % aller Patienten am Lebensende eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) benötigen. Von diesem Ziel ist Deutschland allerdings noch ein Stück weit entfernt.
„Im Jahr 2016 stellten Ärzte gemessen am Bedarf bundesweit etwa 7 % Erstverordnungen für eine SAPV aus“, sagt Heiner Melching, Geschäftsführer der DGP. Dennoch sieht Melching die Entwicklung insgesamt optimistisch. Denn die Verordnungszahlen seien seit April 2007, seitdem unheilbar Erkrankte mit einer begrenzten Lebenserwartung einen Rechtsanspruch nach §37b SGB V auf eine aufwendige medizinische und pflegerische Versorgung in ihrem häuslichen Umfeld zulasten der Krankenkassen haben, stetig gestiegen.
Allerdings gibt es regional große Unterschiede. Spitzenreiter bei den Verordnungen sind Berlin, Hessen, Brandenburg, das Saarland, Hamburg und Niedersachsen. Das Schlusslicht bildet Rheinland-Pfalz.
Weiße Flecken gibt es vor allem im ländlichen Bereich
Wesentlich für eine flächendeckende Versorgung ist Melching zufolge eine gute Vernetzung der multiprofessionellen SAPV-Teams: „Eine gute Koordination, egal ob unter Federführung eines Hausarztes oder eines Facharztes, ist entscheidend für die Qualität der Versorgung.“
Aber auch dort, wo dies gelingt, müssen Patienten mit Wartezeiten rechnen, die von Region zu Region sehr stark variieren können. „In Hessen erfolgt eine Aufnahme innerhalb von drei Tagen“, so Michaela Hach, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG SAPV) und zugleich Geschäftsführerin des hessischen Fachverbandes SAPV. Weiße Flecken bei der SAPV gibt es zudem insbesondere im ländlichen Bereich. „Hier ist es ungleich schwieriger als in Ballungsgebieten, qualifizierte Mitarbeiter für die SAPV-Teams zu finden“, sagt Hach.
Onkologen und SAPV-Teams arbeiten sehr gut zusammen
Die BAG-SAPV-Vorsitzende bedauert ferner, dass die spezialisierte Versorgung noch immer vorrangig Krebspatienten zugute käme. Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Herz-, Lungen- und Nierenversagen oder neurologischen Krankheiten, die ebenfalls dringend eine SAPV benötigten, würden noch viel zu selten von dem Rechtsanspruch profitieren: „Ein Großteil der Patienten erhält eine SAPV außerdem erst im letzten Lebensmonat. Wir würden uns wünschen, dass die Ärzte die Indikation früher ausstellen.“
Die Zusammenarbeit zwischen Onkologen und SAPV-Teams klappt aus Sicht von Melching insgesamt sehr gut. „Die meisten Fachärzte betrachten die Teams nicht mehr als Konkurrenz und umgekehrt schätzen viele Palliativmediziner die onkologische Expertise bei ihrer Arbeit.“
Positiv werten die SAPV-Experten auch, dass die Versorgung inzwischen deutlich spezialisierter und umfassender ist als noch vor zehn Jahren. „Das gilt zum Beispiel für Patienten, die eine Beatmung oder Drainagen benötigen“, sagt Hach. Kritisch sieht sie, dass nicht überall in Deutschland Verträge zwischen SAPV-Teams und den gesetzlichen Krankenkassen auf Basis des § 132d Abs. 2 SGB V existieren. Dieser regelt die praktische Ausgestaltung der SAPV hinsichtlich Leistungsqualität, Qualitätssicherung und Fortbildung sowie die Maßstäbe der Versorgung. So wurden in Berlin und Westfalen-Lippe Rahmenverträge zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und den Kostenträgern geschlossen.