Sehr zum Wohl!

Kolumnen Autor: Erich Kögler

„Die Folgen der Sauferei kosten uns jedes Jahr 60 Milliarden Euro“ „Die Folgen der Sauferei kosten uns jedes Jahr 60 Milliarden Euro“ © fotolia/Photographee.eu

Deutschland ist alkohol­abhängig. „Wir gehören weltweit zur saufenden Elite“, stellte unlängst die „Zeit“ fest. Jeder Deutsche trinkt jährlich eine Badewanne voll mit alkoholischen Getränken (130 Liter), das sind 11,4 Liter reines Zellgift in Form von Ethanol. Prost!

In kaum einem anderen Land ist der Vollrausch billiger, schneller und praktisch überall zu haben. Ob im Supermarkt, am Kiosk, im Restaurant oder an der Tankstelle: Es gibt das Bierchen, den Wein oder den Flachmann 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.

Kein Wunder, dass Deutschland im jüngsten Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über die Anstrengungen der europäischen Staaten zur Reduzierung des schädlichen Alkoholkonsums in vielen Bereichen nur mittelmäßig, häufig sogar als Schlusslicht abschneidet. Ziel eines bereits 2011 verabschiedeten Aktionsplans war es, mithilfe verschiedener Maßnahmen mit Alkoholkonsum verbundene Probleme zu reduzieren. Die kürzlich veröffentlichte Zwischenbilanz schreibt Deutschland miserable Noten ins Zeugnis.

Im Bereich Politik/Aufklärung liegen wir auf dem 23. Platz von 29 Ländern, im Bereich Prävention am Arbeitsplatz/in der Kommune zusammen mit Österreich auf dem vorletzten Rang, bei Maßnahmen gegen Alkohol am Steuer auf dem 26. Platz und bei den Maßnahmen gegen illegalen Handel und Herstellung von Alkohol auf der vorletzten Position. Was die Einschränkung der Verfügbarkeit von Alkohol angeht, bilden wir sogar das Schlusslicht. Deutlicher kann man eigentlich nicht machen, dass unsere Politiker diesbezüglich noch gewaltigen Handlungsbedarf haben.

„Die Lobby verhindert jegliche Maßnahmen zur Prävention von Alkoholschäden“

Bislang allerdings war das Interesse, die Folgen von Alkohol wirklich effektiv zu verringern, nicht besonders ausgeprägt. Denn hierzulande gibt es eine starke Lobby der Brauer und Spirituosenhersteller. Und die Industrie verdient gut am Rausch. Seit Sommer 2015 gilt ein neues Präventionsgesetz mit dem Ziel, den Alkoholkonsum im Land zu verringern. Wie das gehen kann, wissen Forscher: höhere Steuern auf Bier und den Rest an Alkohol, Verkauf nur in wenigen lizenzierten Geschäften und keine Werbung. Doch an einem Bericht, der genau solche Maßnahmen diskutiert, wird bis heute gearbeitet – bislang ohne Ergebnis, weil die Lobby jegliche Ansätze aus den Entwürfen streichen lässt.

Was die wenigsten wahrhaben wollen: Alkohol ist die mit Abstand schädlichste Droge! Mindestens 1,3 Millionen Menschen in Deutschland sind abhängig und geschätzt 74.000 sterben jedes Jahr an den Folgen von mehr als 200 Erkrankungen, die Alkohol verschlimmert oder auslöst – von Hirnschäden bis Darmkrebs. Und was das alles kostet! 60 Milliarden Euro für Behandlungen, Arbeitsausfälle und nicht zuletzt Polizeieinsätze, weil Betrunkene sich und andere in Lebensgefahr bringen. 3,3 Millionen Menschen starben 2012 weltweit an den Folgen von Alkoholkonsum, das entspricht einem Toten alle zehn Sekunden. Damit ist die Droge tödlicher als AIDS und Tuberkulose zusammen! Diese Zahlen könnte man ja mal in der Kantine des Bundestags bei einem Gläschen Mineralwasser – oder vielleicht einem Haschkeks – erörtern. Sehr zum Wohl!