Soll der Apotheker gegen Grippe impfen?
Rund die Hälfte der niedergelassenen Ärzte zeigt sich offen dafür, wenn mehr Wirkstoffe aus der Verschreibungs- in die Apothekenpflicht überführen würden. Bei den Apothekern sind 85 % dafür. Das ist ein Ergebnis einer Umfrage, die der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) vorgestellt hat. Studienleiter Dr. Niels Eckstein, Pharmakologie-Professor an der Hochschule Kaiserslautern, sagte, dass die Zustimmung der Ärzte höher ausgefallen sei als gedacht, schließlich müssten sie „deutlich Verantwortung abgeben“.
Befragt wurden insgesamt rund 1000 Ärzte und Apotheker. Der BAH sieht in den Ergebnissen einen Beleg dafür, dass es einen verbreiteten Wunsch zum sog. Switchen gibt, auf den reagiert werden sollte. Unter anderem, indem Apothekern das Recht zugestanden wird, Grippeimpfungen anzubieten.
Einigkeit bei Mitteln gegen Heuschnupfen und Akne
In der Umfrage sprachen sich die teilnehmenden Ärzte mehrheitlich dafür aus, Medikamente gegen Heuschnupfen, Akne, Refluxbeschwerden und Lippenherpes aus der Verschreibungspflicht zu nehmen. Bei Apothekern führten mit mehrheitlicher Zustimmung ebenfalls Heuschnupfen und Akne, gefolgt von Migräne und Augeninfektionen. Insgesamt sprachen sie sich in mehr Fällen und mit größeren Mehrheiten fürs Switchen aus. Deutlich war die Ablehnung der Ärzte, Impfstoffe von der Verschreibungs- in die Apothekenpflicht zu switchen: 70 % von ihnen lehnten das ab. Aber auch bei den Apothekern war eine knappe Mehrheit dagegen. Der 121. Deutsche Ärztetag hatte sich im Mai dezidiert gegen das Impfen in Apotheken ausgesprochen.
Es müssten noch Bedenken in der Apothekerschaft abgebaut werden, sagte BAH-Gutachter Professor Dr. Uwe May von der Hochschule Fresenius. Viele Pharmazeuten seien unsicher, ob sie Immunisierungen leisten könnten. Den Apothekern zumindest die Grippeimpfungen zu überlassen, könnte auch „ein Beitrag sein, Ärzte zu entlasten“, sagte er. Es gehe auf keinen Fall darum, „Honorar wegzunehmen“. Anhand von Vergleichswerten bei Switchverfahren anderer Länder könne man realistischerweise davon ausgehen, dass durch den Abbau der Impfbarrieren die Zahl der Grippeimpfungen um 12 % gesteigert werden könne.
Das würde logischerweise höhere GKV-Kosten verursachen, sagte Prof. May, da Apotheker für das Impfen selbstverständlich genauso vergütet werden müssten wie Ärzte.
Volkswirtschaftlich würde sich das auszahlen, da die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage durch Grippeerkrankungen erheblich sinken würde, ebenso die Kosten für Grippebehandlungen. Nach Prof. Mays Berechnungen bedeuten 12 % mehr Grippe-Geimpfte rund 900.000 Krankheits- und 4700 Krankenhausfälle sowie 2,9 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage und 41 Grippetote weniger.
Prof. May verwies auf internationale Erfahrungen. Diese zeigten, „dass bereits im ersten Jahr nach dem Switchen die Zahl der Grippeimpfungen um 10 % anstieg“. In England und der Schweiz impfen Apotheker seit 2015, schon etwas länger tun sie es z.B. in Kanada und Portugal.