Spahn plant Gesetz gegen Konversionstherapien

Autor: Cornelia Kolbeck

Homosexualität ist weder eine Störung noch eine Krankheit, stellen die Experten eines Gutachtens klar. Homosexualität ist weder eine Störung noch eine Krankheit, stellen die Experten eines Gutachtens klar. © iStock/Kosamtu

Wer sich sexuell zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlt, ist nicht krank und folglich auch nicht zu heilen. Dennoch bieten manche Behandler – von Psychotherapeuten bis zu selbsternannten Heilern – Hilfe mittels Konversionstherapie an. Das will der Bundesgesundheitsminister unterbinden.

Umpolungsversuche sollen per Gesetz unter Strafe gestellt werden. Ein Gesetzentwurf dazu wird laut Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) noch in diesem Jahr vorliegen. Er sieht „ein hohes Interesse an einem Therapieverbot“, jedenfalls sei ihm noch kein Kollege begegnet, der Konversionstherapien befürwortet habe. Noch vor der Sommerpause will sich Spahn mit dem Bundesjustizministerium und Bundestagsabgeordneten abstimmen.

Zweifelhafte Leistungen bei Kassen abgerechnet

Der Minister hält straf-, berufs- sowie sozialrechtliche Vorgaben für möglich. Strafrechtlich, weil eine Verfolgung als Ordnungswidrigkeit mit maximal 2500 Euro Geldbuße im Einzelfall zu kurz greifen könnte – z.B. im Wiederholungsfall bei Therapieversuchen an Minderjährigen. Berufsrechtlich, weil neben selbsternannten Heilern auch Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten und Heilpraktiker Konversionstherapien anbieten. Und sozialrechtlich, weil manche Leistungserbringer die zweifelhaften Leistungen über gesetzliche Krankenkassen abrechnen. Allein schon das Angebot von Konversionstherapien signalisiere, dass es sich um eine Krankheit handele und es etwas zu behandeln gäbe, kritisiert Spahn: „Meine Haltung ist klar: Ich bin für ein Verbot dieser Therapien.“

Grüne begrüßen die Pläne

Bündnis 90/Die Grünen begrüßen die Pläne für ein Verbot von Konversionstherapien. Ulle Schauws, Sprecherin für Queerpolitik, bezeichnet dieses als längst überfällig. Die Grünen haben bereits zweimal Anträge gegen die „gefährlichen Pseudotherapien“ im Bundestag eingebracht. Nach ihren Vorstellungen sollen Behandlungen, die das Ziel haben, die sexuelle Orientierung bei Minderjährigen zu verändern, verboten und mit einer Geldbuße geahndet werden. (Spahn plant ein Verbot im Strafrecht.) Gefordert werden auch mehr Unterstützungsangebote für Betroffene sowie eine Öffentlichkeitskampagne, die über die Vielfalt sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten sowie die Gefahr von Behandlungen aufklärt. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll zudem die Richtlinien des GKV-Leistungskatalogs überprüfen, damit „Konversions“- oder „Reparations“-Therapien nicht abgerechnet werden können.

Das angestrebte Verbot basiert auf der Expertise einer Fachkommission, in der seit April 46 Vertreter aus Politik und Wissenschaft mitgewirkt haben, sowie auf Gutachten zu Konversionstherapien des Juristen Professor Dr. Martin Burgi, LMU München, und des Mediziners Professor Dr. Peer Briken, UKE Hamburg. Die Experten kommen darin zu dem Schluss: „Ein Verbot von sogenannten Konversionstherapien ist aus medizinischer Sicht geboten und rechtlich möglich.“ Jurist Prof. Burgi verdeutlicht in seinem Gutachten, dass Verbotsregelungen auch verfassungsrechtlich möglich sind. Gesetzliche Verbote müssten dabei jedoch unterscheiden, an wen sich das Verbot jeweils richte und wen es schützen solle.

Das Ausmaß ist wohl größer als angenommen

„Die Veränderbarkeit der sexuellen Orientierung von außen ist wissenschaftlich betrachtet höchst unwahrscheinlich“, lautet das Resümee im Gutachten von Prof. Briken. Auf individueller Ebene gebe es jedoch zumindest deutliche Hinweise auf negative Wirkungen von Konversionsbehandlungen bei homosexueller Orientierung wie Depressivität, Angst, Suizidalität, sexuelle und Beziehungsprobleme. Wie viele Menschen in Deutschland diesen Therapieversuchen ausgesetzt sind, ist nicht zu beziffern. Prof. Briken geht von etwa Tausend Fällen pro Jahr aus. Jörg Litwinschuh-Barthel, Geschäftsführender Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die beide Gutachten beauftragte, sprach von einem „Ausmaß größer als angenommen“. Manche Betroffene würden aus Scheu nicht darüber berichten, anderen sei gar nicht bewusst, dass sie mit Umpolungsversuchen konfrontiert wurden. Aus einer Depressionsbehandlung werde plötzlich eine Konversionstherapie, ein „eigenmächtiges am Menschen Herumdoktern“. Im familiären Umfeld würden Maßnahmen aus dem Internet versucht – bis hin zum Exorzismus. „Ich habe nicht gedacht, dass das heute in Deutschland noch möglich ist“, so Litwinschuh-Barthel. Die auch in Psychotherapien angewandten Maßnahmen bezeichnet er als z.T. perfide, weil erst Vertrauen aufgebaut und dann versucht werde, „die sexuelle Orientierung auszureden mit Zielsetzungen schlimmster Art“. So habe sich eine lesbische Frau wegen Diskriminierung im Vertrauen um Hilfe bemüht, Ziel der anschließenden Therapie sei gewesen, dass sie mit ihrem besten Freund schlafen sollte.

Eltern sollten ihre Kinder annehmen wie sie sind

Die Experten halten ein Verbot für unbedingt notwendig. Sie gehen davon aus, dass bereits das Propagieren eines Verbotes prophylaktisch wirkt und ein gesellschaftliches Umdenken bringt. In der Bevölkerung sei auch darüber aufzuklären, dass Konversionstherapien nicht helfen, sondern krank machen. Und wer sich diskriminiert fühlt, sollte wissen, dass es Unterstützung gibt. Auch eine Meldestelle zur Erfassung der Fälle wurde angesprochen. Aber, so Spahn, „wenn weder der Betroffene noch der sogenannte Therapeut darüber reden, wird es in jedem Fall schwer sein, dem nachzugehen“. Der Begriff der „Konversionstherapien“ hat laut UKE-Gutachten Tradition und ist als geläufig anzusehen. Dennoch sei er aus zwei Gründen problematisch: Erstens könne von einer Therapie schon deshalb keine Rede sein, weil Homosexualität keine Störung oder Krankheit ist und damit auch keine Indikation für eine Therapie vorliegt. Zudem kommen Interventionen zur Anwendung, die klassischerweise nicht dem Therapiebegriff zugeordnet werden, z.B. religiöse Methoden oder selbstorganisierte Maßnahmen. Und zweitens unterstelle der Begriff ein eindimensionales und binäres Konzept sexueller Orientierung, das dem Forschungsstand nicht gerecht werde.

Medical-Tribune-Bericht