Spahn plant Gesetz gegen Konversionstherapien
Umpolungsversuche sollen per Gesetz unter Strafe gestellt werden. Ein Gesetzentwurf dazu wird laut Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) noch in diesem Jahr vorliegen. Er sieht „ein hohes Interesse an einem Therapieverbot“, jedenfalls sei ihm noch kein Kollege begegnet, der Konversionstherapien befürwortet habe. Noch vor der Sommerpause will sich Spahn mit dem Bundesjustizministerium und Bundestagsabgeordneten abstimmen.
Zweifelhafte Leistungen bei Kassen abgerechnet
Der Minister hält straf-, berufs- sowie sozialrechtliche Vorgaben für möglich. Strafrechtlich, weil eine Verfolgung als Ordnungswidrigkeit mit maximal 2500 Euro Geldbuße im Einzelfall zu kurz greifen könnte – z.B. im Wiederholungsfall bei Therapieversuchen an Minderjährigen. Berufsrechtlich, weil neben selbsternannten Heilern auch Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten und Heilpraktiker Konversionstherapien anbieten. Und sozialrechtlich, weil manche Leistungserbringer die zweifelhaften Leistungen über gesetzliche Krankenkassen abrechnen. Allein schon das Angebot von Konversionstherapien signalisiere, dass es sich um eine Krankheit handele und es etwas zu behandeln gäbe, kritisiert Spahn: „Meine Haltung ist klar: Ich bin für ein Verbot dieser Therapien.“
Grüne begrüßen die Pläne
Das Ausmaß ist wohl größer als angenommen
„Die Veränderbarkeit der sexuellen Orientierung von außen ist wissenschaftlich betrachtet höchst unwahrscheinlich“, lautet das Resümee im Gutachten von Prof. Briken. Auf individueller Ebene gebe es jedoch zumindest deutliche Hinweise auf negative Wirkungen von Konversionsbehandlungen bei homosexueller Orientierung wie Depressivität, Angst, Suizidalität, sexuelle und Beziehungsprobleme. Wie viele Menschen in Deutschland diesen Therapieversuchen ausgesetzt sind, ist nicht zu beziffern. Prof. Briken geht von etwa Tausend Fällen pro Jahr aus. Jörg Litwinschuh-Barthel, Geschäftsführender Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die beide Gutachten beauftragte, sprach von einem „Ausmaß größer als angenommen“. Manche Betroffene würden aus Scheu nicht darüber berichten, anderen sei gar nicht bewusst, dass sie mit Umpolungsversuchen konfrontiert wurden. Aus einer Depressionsbehandlung werde plötzlich eine Konversionstherapie, ein „eigenmächtiges am Menschen Herumdoktern“. Im familiären Umfeld würden Maßnahmen aus dem Internet versucht – bis hin zum Exorzismus. „Ich habe nicht gedacht, dass das heute in Deutschland noch möglich ist“, so Litwinschuh-Barthel. Die auch in Psychotherapien angewandten Maßnahmen bezeichnet er als z.T. perfide, weil erst Vertrauen aufgebaut und dann versucht werde, „die sexuelle Orientierung auszureden mit Zielsetzungen schlimmster Art“. So habe sich eine lesbische Frau wegen Diskriminierung im Vertrauen um Hilfe bemüht, Ziel der anschließenden Therapie sei gewesen, dass sie mit ihrem besten Freund schlafen sollte.Eltern sollten ihre Kinder annehmen wie sie sind
Die Experten halten ein Verbot für unbedingt notwendig. Sie gehen davon aus, dass bereits das Propagieren eines Verbotes prophylaktisch wirkt und ein gesellschaftliches Umdenken bringt. In der Bevölkerung sei auch darüber aufzuklären, dass Konversionstherapien nicht helfen, sondern krank machen. Und wer sich diskriminiert fühlt, sollte wissen, dass es Unterstützung gibt. Auch eine Meldestelle zur Erfassung der Fälle wurde angesprochen. Aber, so Spahn, „wenn weder der Betroffene noch der sogenannte Therapeut darüber reden, wird es in jedem Fall schwer sein, dem nachzugehen“. Der Begriff der „Konversionstherapien“ hat laut UKE-Gutachten Tradition und ist als geläufig anzusehen. Dennoch sei er aus zwei Gründen problematisch: Erstens könne von einer Therapie schon deshalb keine Rede sein, weil Homosexualität keine Störung oder Krankheit ist und damit auch keine Indikation für eine Therapie vorliegt. Zudem kommen Interventionen zur Anwendung, die klassischerweise nicht dem Therapiebegriff zugeordnet werden, z.B. religiöse Methoden oder selbstorganisierte Maßnahmen. Und zweitens unterstelle der Begriff ein eindimensionales und binäres Konzept sexueller Orientierung, das dem Forschungsstand nicht gerecht werde.Medical-Tribune-Bericht