Typisch Mann: Hauptsache notiert

Kolumnen Autor: Dr. Frauke Höllering

Krankheiten bekommt man nicht durch die reine Sammlung von Daten in den Griff! Krankheiten bekommt man nicht durch die reine Sammlung von Daten in den Griff! © fotolia/majdansky

Dass das männliche Geschlecht in punkto Gesundheit anders tickt als wir Frauen, ist uns spätestens seit der allseits bekannten "Männergrippe" bewusst. Doch auch in Sachen Vorsorge schießen die Männer eindeutig den Vogel ab, wie Dr. Frauke Höllering meint.

Seine Buchführung war beeindruckend: Auf den Blättern, die er mir stolz auf den Tisch legte, waren penible Grafiken mit den Blutdruck- und Pulswerten der letzten Monate zu bewundern, sein Gewicht sowie ein teilweise wöchentlich gemessener Blutzuckerwert. Mit einem schnellen Blick in den Computer vergewisserte ich mich, dass ich mich nicht irrte. "Sie sind doch gar nicht zuckerkrank?", fragte ich verwundert. "Warum haben Sie denn so oft gemessen?" Mühsam beugte er sich vor, sein in den letzten Jahren mächtig gewordener Bauch war ihm im Weg. "Ich habe einen Kollegen, der immer gesund war", sagte er. "Nun ist er plötzlich zuckerkrank und muss spritzen. Das will ich auf keinen Fall, darum habe ich regelmäßig in der Apotheke messen lassen."

Ich dachte an den alten Doktorwitz: "Frau Doktor, ich hätte gern mal wieder ein EKG, das letzte hat mir so gut getan!" Und plötzlich fiel mir auf, dass gerade Männer häufig der Überzeugung sind, drohende oder bestehende Krankheiten in den Griff kriegen zu können, wenn sie nur genug Daten über sie sammeln. Frauen hingegen (man möge mir die Verallgemeinerung verzeihen, dies ist nur mein persönlicher Eindruck!) fragen schon eher mal: "Was kann ich tun, um ein Entstehen oder eine Verschlimmerung zu verhindern?"

»Frau Doktor, ich hätte gern ein EKG – das letzte tat mir so gut«

Ich verkniff mir den Doktorwitz, mein Gegenüber hätte die Ironie nicht verstanden. "Kontrolle ist natürlich wichtig", bestätigte ich ihm stattdessen, "aber längst nicht alles. Sie wissen ja, dass Übergewicht und eine kohlehydratreiche Ernährung die Entstehung eines Diabetes begünstigen. Was haben Sie denn vorbeugend so gemacht? Haben Sie ein bisschen Sport getrieben und auf Ihre Ernährung geachtet?" Nein, das hatte er nicht. Schließlich dokumentierte seine Buchführung zwar ein steigendes Gewicht, aber perfekte Zuckerwerte.

Warum das bequeme Leben ändern? "Lieber mal einen Ernährungsplan und einen täglichen Spaziergang machen und den gut eingestellten Blutdruck nur einmal im Monat kontrollieren", schlug ich vor. "Ein halbjährlicher Zuckertest reicht auch allemal aus." Nun hatte ich ihn doch verärgert: "Sie meinen also, ich soll alles den Bach runtergehen lassen, bis es zu spät ist?", fragte er pikiert. Da war sie wieder, die Idee: "Wenn ich nur häufig genug messe, behalte ich alles im Griff." Ich brauchte ein bisschen, um mit ihm zu einem friedlichen Konsens zu kommen. Als er ging, war ich geschafft.

Ähnlich geht es mir mit Patienten (wie erwähnt, bei Patientinnen erlebe ich das seltener), die unter Hexenschuss oder auch rezidivierenden Rückenbeschwerden leiden. Mein Vorschlag, ein akutes Geschehen leitliniengerecht zunächst ohne Bildgebung zu behandeln, wird oft mit Skepsis begegnet: "Muss man da nicht ein Röntgenbild machen?" Dieses Ansinnen entsteht aber auch aus einem Missverständnis, das ich regelmäßig aufklären muss. "Der Orthopäde hat mich geröntgt und gesagt, ich hätte es mit der Bandscheibe" ist eine Aussage, die ich oft höre. Kein Wunder, dass der Laie denkt, man habe die Bandscheiben im Röntgenbild beurteilen können und glaubt, ich gönne ihm diese wertvolle diagnostische Option nicht.

»Er ist einfach ein Opfer seines Geschlechts«

Anders, aber typisch, der junge Schreibtischarbeiter, der den Tag gekrümmt am PC verbringt, sich von Fastfood ernährt und immer wieder mit Rückenschmerzen und Verspannungen kommt. "Ihre Muskeln sind zu schwach, um Ihren Bauch zu tragen", hatte ich beim letzten Mal recht uncharmant zu ihm gesagt. "Auch brauchen Sie Dehnung und Kräftigung. Haben Sie darüber nachgedacht, ein bisschen mehr für sich zu tun und die Ernährung etwas umzustellen?" Seine Antwort war ebenso typisch: "Soll ich nicht erst einmal in die Röhre? Auf dem Röntgenbild hat der Orthopäde ja nichts gefunden!" Ich wartete nur noch auf : "Meinem Kollegen ging es nach dem Kernspin (viele Patienten sagen übrigens 'Kernspinnt', was ich irgendwie niedlich finde) deutlich besser."

Aber für eine solche Aussage ist er zu differenziert. Er ist einfach Opfer seines Geschlechts und glaubt, dass er mit technischen Untersuchungen seine Krankheit auf wundersame Weise in den Griff bekommt. Seiner Frau, zuvor von ähnlicher Fehlernährung, Übergewicht und Schmerzen geplagt, geht es im Übrigen längst besser: Sie ernährt sich gesünder und bewegt sich mehr, seitdem sind ihre Rückenschmerzen Geschichte. Ganz ohne "Kernspinnt".