"Massagen für alle!" – die Crux mit den Heilmitteln

Kolumnen Autor: Dr. Günter Gerhardt

Seit Januar 2017 gibt es eine neue Heilmittel-Richtlinie des G-BA, die zu Ärger und Stress in den Praxen führt. Seit Januar 2017 gibt es eine neue Heilmittel-Richtlinie des G-BA, die zu Ärger und Stress in den Praxen führt. © fotolia/nmann77

Das Thema in unserer Praxiskolumne: die neue Heilmittel-Richtlinie des G-BA.

"Meine Massagen brauche ich aber!“ Diesen Satz kennen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, wobei von Patienten gerne die gesamte physikalische Therapie mit "Massagen" bezeichnet wird. Alles nichts Neues, außer dass wir seit Januar 2017 eine neue Heilmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) beachten müssen, was zu Ärger und Stress in den Praxen führt.

»Tauschen Sie sich mit Kollegen über Formulierungen aus«

Und am 16. Februar 2017 wurde im Bundestag schon wieder ein Stärkungsgesetz beschlossen, das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG). Bei diesem tangieren uns vor allem zwei Problemfelder:

1. Die verbindliche Einhaltung der Heilmittel-Richtlinie durch Heilmittelerbringer. Die Krankenkassen und die Verbände der Heilmittelerbringer können in den Jahren 2017 bis 2019 auch Vergütungsvereinbarungen oberhalb der Veränderungsrate (= Summe der beitragspflichtigen Einnahmen aller GKV-Mitglieder) abschließen. Wenn die Heilmittelerbringer hier mehr Honorar generieren können, kann uns das nur recht sein, nicht aber, dass von den Vorgaben der ärztlichen Verordnung abgewichen wird. Auch die Heilmittel­erbringer müssen sich in geplanten Modellvorhaben an die Heilmittel-Richtlinie halten, wie etwa die maximale Verordnungsmenge des Regelfalls, auch um sicherzustellen, dass eine regelmäßige Begutachtung durch den Arzt erfolgt. 


2. Gesetzliche Klarstellung zur Übertragung der Wirtschaftlichkeitsverantwortung. Die Krankenkassen werden verpflichtet, mit den Verbänden der Heilmittelerbringer Verträge über Modellvorhaben zur "Blankoverordnung" von Heilmitteln abzuschließen, d.h., wir dürfen Diagnose und Indikation stellen und die Heilmittelerbringer bestimmen selbst die Auswahl und die Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten. Soweit alles okay, aber die Budgetverantwortung können wir dann nicht alleine schultern. Es steht zwar in der Gesetzesbegründung, dass wir im Rahmen der Modellvorhaben nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen, aber wir brauchen hier dringend rechtliche Klarheit. 

Zurück zur Unruhe in den Praxen, ausgelöst durch eine Verunsicherung von Ärzten und Patienten infolge der Anfang des Jahres in Kraft getretenen Heilmittel-Richtlinie. Auch hier tauchen die üblichen Formulierungen "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich" auf und der zwischen KVen und Krankenkassen vereinbarte Leistungsrahmen (= KV-Budget) darf nicht überschritten werden. Tut er es doch, muss die KV den Überschreitungsbetrag an die Kassen zahlen und holt sich vice versa das Geld wieder bei uns. Wie können wir uns vor diesen Regressen schützen?

»Antrag für Rezept außerhalb des Regelfalls«

1. Indem wir die Heilmittel-Richtlinie lesen und gebetsmühlenartig darauf hinweisen, dass nicht nur wir, sondern auch die Krankenkassen die Versicherten aufklären müssen, welche Leistungen nicht zulasten der GKV verordnet und abgegeben werden können. Schicken Sie alle begründungspflichtigen Verordnungen an die Krankenkasse und bitten Sie um Genehmigung, die Therapie fortsetzen zu dürfen.

2. Geben Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht mit den qualitativ sehr unterschiedlichen Briefen und Aussagen der Krankenkassen zufrieden. Ermutigen Sie Ihre Patienten den "Antrag an meine Krankenkasse auf Langfristgenehmigung für Verordnungen außerhalb des Regelfalls" eventuell mit Ihrer Unterstützung auszufüllen und an die Krankenkasse zu schicken.

Die Heilmittel-Richtlinie ermöglicht es nämlich, dass die Krankenkassen eine Versorgung mit Heilmitteln langfristig genehmigen können bei schweren dauerhaften funktionellen/strukturellen Schädigungen, die mit den Diagnosen auf der Diagnoseliste zum langfristigen Heilmittelbedarf vergleichbar sind.

3. Studieren Sie den Heilmittelkatalog: Übernehmen Sie Formulierungen aus den Diagnosegruppen, der Leitsymptomatik, der Ziele der jeweiligen Therapie und beachten Sie die Heilmittelverordnung im Regelfall. Diese Vor-Formulierungen eignen sich auch hervorragend für das Ausfüllen des o.g. Antrags Ihres Patienten für Verordnungen außerhalb des Regelfalls.

4. Tun Sie sich mit Kolleginnen und Kollegen aus Ihrer Umgebung zusammen, tauschen Sie nicht nur Erfahrungen, sondern auch Briefe an die Krankenkassen und Formulierungen aus. Nur keine Hemmungen: Wir haben diese Richtlinien nicht verfasst, müssen aber versuchen, unsere Patienten optimal zu versorgen.

Wer mich kennt, wird jetzt denken, ich hätte kapituliert und würde mich fügen. Mitnichten! Ich hoffe nach wie vor auf eine sich wehrende Kollegenschaft. Bis dahin versuche ich, mich mit Tipps für ein Überleben im System einzusetzen.