Krankenhausreform Warnung vor Ermächtigung kleiner Kliniken

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband äußert weiterhin Kritik am Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband äußert weiterhin Kritik am Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz. © Raivo – stock.adobe.com

Am 18. Oktober soll im Bundestag in zweiter und dritter Lesung das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) verabschiedet werden. Damit will die Ampel die Struktur und Finanzierung der hiesigen Kliniken auf neue Füße stellen. Die Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages bot Betroffenen nochmals die Gelegenheit, Kritik zu wiederholen und Änderungsvorschläge zu machen.

Der größte Pferdefuß im KHVVG ist aus Sicht des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes (HÄV) der politische Versuch, kleine Kliniken für die hausärztliche Versorgung zu öffnen. „Statt einer Unterstützung der überlasteten Hausarztpraxen, besteht die Gefahr, dass diese unter der zusätzlichen Konkurrenz um ärztlichen Nachwuchs in die Knie gehen“, warnt der Bundesvorsitzende Dr. Markus Beier. Die Kliniken würden sich nur die Rosinen herauspicken, statt eine umfassende hausärztliche Versorgung samt Hausbesuchen und Palliativversorgung anzubieten.

Ganz im Sinne des HÄV äußerte sich die KBV in ihrer Stellungnahme zur Anhörung im Gesundheitsausschuss. Die Ermächtigung von Krankenhäusern nach § 115g SGB V (Behandlung in einer sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtung) sei keine sinnvolle Investition in die hausärztliche Versorgung.

Heute schon könnten Krankenhäuser überall dort, wo keine Niederlassungsbeschränkungen bestehen, mit einer MVZ-Gründung vollumfänglich an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen. Gleiches treffe insbesondere für Gebiete mit drohender oder schon festgestellter eingetretener Unterversorgung oder festgestelltem zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf zu. „Dennoch ist nicht zu erkennen, dass hiervon in nennenswertem Umfang durch Krankenhäuser Gebrauch gemacht wird“, stellt die KBV fest.

Der Vorstand des HÄV formuliert es drastisch: „Mit dieser Maßnahme wird kopflos versucht, eine klaffende Wunde mit Pflastern zu verschließen. Sie wird unsere aktuellen Herausforderungen verschärfen und die Versorgung keinen Deut besser machen – im Gegenteil.“

Kein Ersatz zur Weiterbildung in einer Hausarztpraxis

Die KBV betont: Wichtiger als die Ermächtigung von Kliniken zum Erbringen ambulanter Leistungen sei die Förderung der Niederlassung von Hausärztinnen und Hausärzten. Diese habe einen wesentlich höheren ambulanten Wirkungsgrad als eine Anstellung im Krankenhaus.

Auch verändere die Ermächtigung grundsätzlich nichts an der stationären Ausrichtung der Weiterbildungsstätte. Sowohl aufgrund der Unterschiede in der Prävalenz anzutreffender Erkrankungen als auch beim Leistungsspektrum sei die allgemeinmedizinische Weiterbildung in einer Einrichtung nach § 115g SGB V kein Ersatz für eine Weiterbildung in einer Hausarztpraxis.

Defizite und Pleitegefahr

Sieben von zehn Krankenhäusern haben das Geschäftsjahr 2023 mit einem Defizit abgeschlossen. Nur 8 % der Häuser in öffentlicher Trägerschaft konnten ein positives Jahresergebnis verbuchen, 84 % schrieben Verluste. 24 % der Kliniken in freigemeinnütziger Trägerschaft wiesen ein positives Jahresergebnis aus, allerdings waren auch 58 % von ihnen defizitär. Zu diesen Ergebnissen kommt die Roland Berger Krankenhausstudie 2024, für die über 650 Führungskräfte befragt wurden. Die seit Jahren anhaltende Ergebniskrise werde mehr und mehr zur Liquiditätskrise: 53 % der Führungskräfte sehen die Liquidität ihres Hauses aktuell gefährdet. Im Schnitt stuften sie 28 % der Krankenhäuser kurzfristig als insolvenzgefährdet ein.

Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) erkennt kein klares Konzept, welche Aufgaben Kliniken mit einem eingeschränkten Leistungsgruppenangebot konkret erfüllen sollen und wie sie dort, wo es an Praxen fehlt, in die ambulante Versorgung eingebunden werden können. Die Fachgesellschaft plädiert dafür, an den Häusern und in ihrer Nähe Arztpraxen anzusiedeln.

Optimistisch ist sie bezüglich der Berücksichtigung ihrer Hinweise zur ärztlichen Weiterbildung im weiteren parlamentarischen Prozess. „Die Abgeordneten gaben mit ihren Fragen zu verstehen, dass sie der ärztlichen Weiterbildung in der Reform die gebührende Beachtung schenken“, bemerkt die DGIM.

Die Fachgesellschaft moniert allerdings das Fehlen eigener Leistungsgruppen für die Geriatrie und die Angiologie. Ohne diese seien die beiden Fächer in ihrem Bestand bedroht, da sich derzeit keine Klinik eine Querfinanzierung über andere Leistungsbereiche erlauben könne. Das „dürfte auch weitreichende negative Folgen für Patientenversorgung und die Erforschung neuer Diagnostik- und Therapieoptionen in diesen Fächern haben“.

Krankenhausplanung in NRW als Blaupause nutzen

Der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Sven Dreyer, ruft dagegen den Bundesgesundheitsminister auf, die neue Krankenhausplanung in NRW als Blaupause für seine Reform zu nutzen – und zwar eins zu eins. Auf Bundesebene weitere Leistungsgruppen oder Mindestzahlen einzuführen, enge den Spielraum der Länder – die nach dem Grundgesetz für die Krankenhausplanung verantwortlich sind – zu sehr ein.

Kaum Veränderungen bei der Grund- und Notfallversorgung

Dr. Dreyer sieht der NRW-Krankenhausreform zuversichtlich entgegen. „Anhand des aktuellen Stands der Zuteilung von Leistungsgruppen durch das Land zeigt sich, dass es bei der flächendeckenden Grund- und Notfallversorgung kaum Veränderungen gibt und es vor allem bei spezialisierten und planbaren Leistungen zu Einschnitten kommen wird. Hochkomplexe Behandlungen wie Krebsoperationen werden künftig an spezialisierten Zentren gebündelt werden, die über die entsprechende Expertise und Routine verfügen.“ Zu diesem Vorgehen hätten sich alle Beteiligten in NRW bekannt.

Der Kammerpräsident kritisiert am KHVVG, dass sich die Ermittlung der Vorhaltebudgets an den Fallzahlen der Häuser orientiere. Damit werde das Ziel, den ökonomischen Druck von den Kliniken zu nehmen, verfehlt. Wenn diese weiterhin gezwungen würden, durch Arbeitsverdichtung noch mehr Leistung aus ihren Beschäftigten herauszuholen, seien Stress, Burn-out und höhere Krankenstände die Folgen.

Zahl der Klinikfälle bleibt unter Vor-Corona-Niveau

Die Zahl der stationär behandelten Patientinnen und Patienten ist 2023 zwar gegenüber dem Vorjahr um knapp 400.000 bzw. 2,4 % auf 17,2 Mio. gestiegen. Das waren aber immer noch 11,4 % weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019 (19,4 Mio.). Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, waren in den 1.874 deutschen Krankenhäusern im Jahresdurchschnitt 476.924 Betten aufgestellt, darunter 26.158 Intensiv- und 7.800 Intermediate-Care-Betten. Die Auslastung der Betten betrug 71,2 %.

Für eine fallzahlunabhängige und bedarfsorientiert ausgestaltete Vorhaltefinanzierung sprechen sich auch der AOK-Bundesverband, die DAK, zwei Klinikträgerverbände und die Krebsgesellschaft gemeinsam aus. Die vorgesehene jährliche Anpassung der Vorhaltefinanzierung auf Basis der Ist-Fallzahlen schaffe keine wesentliche Änderung zum bestehenden System, „weil Mengenanreize bestehen bleiben und die Ambulantisierung von Leistungen ausgebremst wird“.

Als „Lichtblick“ bei der Rechnungsprüfung wertet die Vorstandsvize des GKV-Spitzenverbandes, Stefanie Stoff-Ahnis, „dass das Bundesministerium für Gesundheit die Abkehr von der Stichprobenprüfung von Krankenhausabrechnungen signalisiert hat“. Mit der Einführung der Vorhaltefinanzierung bleibe es bei der einzelfallbezogenen Abrechnung, „sodass weiter leistungsbezogene Prüfungen erforderlich sind“.

Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, befürchtet wiederum, dass das Schwarzer-Peter-Spiel zur Finanzierung des Strukturumbaus „mit der GKV als Verliererin“ enden wird. Der Bund bleibe dabei, dass die GKV-Beitragszahler die Hälfte der 50 Mrd. Euro (in den Jahren 2026 bis 2035) für die Transformation der Krankenhauslandschaft tragen sollen. Wenn daran festgehalten werde, drohten ab 2026 weitere deutliche Beitragssatzerhöhungen.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht