Notarzt-Börse Wildnis und Wüsten-Ralley

Gesundheitspolitik Autor: Anouschka Wasner

Die Arbeit über die Notarzt-Börse ist manchmal erstaunlich gewöhnlich und erfordert ein anderes Mal ungewöhnliches oder vom Standard abweichendes Handeln. Die Arbeit über die Notarzt-Börse ist manchmal erstaunlich gewöhnlich und erfordert ein anderes Mal ungewöhnliches oder vom Standard abweichendes Handeln. © Mehmet – stock.adobe.com

Die Notarzt-Börse vermittelt Ärztinnen und Ärzte innerhalb von Deutschland, aber auch in Katastrophengebiete, zu weltweiten Großveranstaltungen und auf Kreuzfahrtschiffe. Ihr Gründer, Dr. André Kröncke, ist selbst regelmäßig im Einsatz. Wir haben ihn gefragt: Ist ihm die Arbeit als normaler Arzt etwa zu langweilig? Und was muss man mitbringen, um einen guten Job zu machen bei solchen Einsätzen?

Schlammlawinen, Erdbebengebiete, Wüsten-Ralleys, wochenlang nichts als Wildnis. China, Kasachstan, Türkei, Oman, Schweden, Dubai, Monte Carlo, Indien. Erlebt und gesehen hat Dr. André Kröncke einiges bei seinen geschätzt 10.000 bis 12.000 Notarzteinsätzen, von denen nicht wenige von ihm als Arzt und als Mensch einiges gefordert haben. 

Warum setzt sich jemand solchen Herausforderungen aus? „Ich glaube, dass unser Studium und die Erfahrungen, die wir in unserem Berufsleben machen, uns befähigen, in unterschiedlichsten Settings medizinische Hilfe leisten zu können. Also auch dort, wo andere unsere Hilfe wirklich brauchen, und unter Rahmenbedingungen, die unwirtlich, schwierig und anspruchsvoll sind.“

Am meisten berührt hat ihn ein Katastropheneinsatz in Haiti nach einem großen Erdbeben vor etwa 14 Jahren. Damals hatte er dem Roten Kreuz beim Aufbau eines Krankenhauses geholfen. „Ich war die ersten vier bis fünf Wochen nach dem Beben vor Ort. Das Beeindruckende für mich war, dass die Menschen dort noch so viel Zufriedenheit und Lebensglück für sich in ihren kleinen Settings gefunden haben – obwohl doch überall alles kaputt war.“

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Für alle Eventualitäten: mit 22 Kilo durch die Wildnis

Die ersten spannenden Einsätze außerhalb des Katastrophenschutzes hatte der Arzt im Auftrag einer großen Medizintechnikfirma, für die er Manager in die Wildnis begleitete. Der Geschäftsführer hatte ihn angefragt, weil bei einer der Touren mal etwas mit einem Teilnehmer passiert war. „Er hat mir dann angeboten, ich könne alles an Technik mitnehmen, was das Unternehmen zu bieten hat. Bei einem jungen Notarzt rattert dann natürlich alles Mögliche durch den Kopf. Und dann hat er weitergesprochen: Sie müssen es nur selbst tragen. Das reduziert den Wunschzettel doch erheblich!“ Zusammen mit seinen persönlichen Sachen wog sein Rucksack bei solchen Touren etwa 22 bis maximal 24 Kilo, erzählt er.

Sein Job als Arzt in ungewöhnlichen Situationen ist oft recht gewöhnlich – häufig ist, was häufig ist: Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Erkältung. „On top kommen dann allerdings Situationen, wie dass mir jemand bei einer Wanderung plötzlich ein Set mit Zucker und Infusionslösung in die Hand drückt und sagt, ich bin übrigens Typ-1-Diabetiker. Ich habe eine Pumpe und habe vergessen, Ihnen das zu sagen, Doc. Wir gehen jetzt auf eine fünftägige Wanderung mit Gepäck – nur falls mir komisch wird.“ In diesem Fall musste Dr. Kröncke den Teilnehmer auch tatsächlich nach zwei Tagen aus der Situation rausnehmen.

Will man sich immer an Leitlinien halten, kommt man recht schnell an seine Grenzen, sagt Dr. Kröncke. Er habe mal jemanden unter den Reisenden gehabt, der plötzlich über rechtsseitige Unterbauchschmerzen klagte. „Ich hatte die Wahl, ihn ins Krankenhaus zu bringen und die Tour ohne ihn weitergehen zu lassen – oder ihn mitzunehmen und jeden Tag neu zu untersuchen. Das ist dann ein Ritt auf des Messers Schneide.“ 

Dr. Kröncke entschied sich in dieser Situation dafür, den Patienten sehr genau aufzuklären und ihn selbst entscheiden zu lassen. „Mein Tipp wäre das Krankenhaus gewesen. Er hat sich aber für die Weiterreise entschieden. Das ist etwas, was ich schulmedizinisch bei mir im Krankenhaus natürlich ganz anders entschieden hätte. Glücklicherweise ging es ihm dann unter Antibiotika von Tag zu Tag besser.“

Man muss also in der Lage sein, von den bisher üblichen und logischen Wegen abzuweichen. Natürlich müsste der Mitreisende alias Patient eigentlich  zur Abklärung in die Klinik. „Jetzt möchte dieser Patient aber genau das nicht haben. Oder wir sind zu weit weg von einer Klinik. Dann muss ich mir überlegen, wie kann ich zumindest für einen kurzen Zeitraum, für einige Tage, eine Alternative aufbauen.“ 

Dazu kommt, dass sich Situationen vor Ort ständig verändern können und entsprechende Flexibilität vonnöten ist. „Wenn ich aus meiner Klinik, aus meiner Praxis heraus, darauf eingeschossen bin, immer ein und denselben Weg zu gehen, und ich kann davon nicht abweichen – dann bin ich in Situationen, die ständig Veränderungen ausgesetzt sind, nicht gut aufgehoben.“

Locals und Flugkapitäne bestimmen die Situation mit

Besonders bestimmend für die unterschiedlichen Bedingungen vor Ort sind die Menschen, mit denen man in der Gruppe unterwegs ist, und natürlich jene, die man unterwegs trifft. Dazu gehören die Locals genauso wie der Flugkapitän oder der Kapitän vom Kreuzfahrtschiff. „Wenn wir als Ärzte dort hingehen, müssen wir wissen, dass wir Teil eines Teams sind und dass wir nicht die endgültig entscheidende Person sind.“ Und den Locals gegenüber ist der Arzt bzw. die Ärztin im Einsatz immer ein Gast. Auch wenn er oder sie Hilfe leisten.

Was das Medizinische betrifft: Hier müssen sich die Ärztinnen und Ärzte im Einsatz darauf einstellen, reduzieren zu müssen – was sie in ihrer Ausbildung gelernt haben, was medizinisch gemacht werden kann,  muss reduziert werden auf das, was vor Ort möglich ist.  „Dementsprechend muss man auch dem Team ein Nein ausgeben können: ‚Das können wir nicht mehr behandeln‘ – darauf muss man sich einstellen“, gibt Dr. Kröncke Interessierten mit auf den Weg.

Ärztinnen und Ärzte, die sich für eine der Einsatzmöglichkeiten bei der Norarzt-Börse melden möchten, sollten auch deswegen eine gewisse Erfahrung in ihrem ärztlichen Tun mitbringen. Im vergangenen Jahr hat die Notarzt-Börse 35.000 Einsätze vermittelt. „Was wir allerdings nicht vermitteln können, ist ein Zwei-Wochen-Einsatz in ein Katastrophengebiet wie Haiti – das sollte klar sein.“  

Wenn Sie wissen möchten, was Dr. Kröncke persönlich in seinem Engagement so stark motiviert, wie der Arzt einen solchen Job mit seiner Familie vereinbart und welche Voraussetzungen Ärztinnen und Ärzte, die sich für einen Job abseits von Klinik und Praxis interessieren, unbedingt noch mitbringen sollten, dann hören Sie unseren Podcast dazu!

Quelle: Medical-Tribune-Bericht