Herz-Kreislauf-Erkrankungen Willkommen beim Check-up 25, 35 und 50
Bis zu 70 % der Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden durch modifizierbare Lebensstilfaktoren verursacht. Vor allem ungesunde Ernährung, Bewegungsarmut, Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum zählen dazu, heißt es in einem „Impulspapier“ des BMG. Ein Drittel aller Todesfälle waren 2021 auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen. Damit sind sie nicht nur die häufigste Todesursache hierzulande. Diese Krankheiten verursachten 2020 auch die höchsten Kosten in der Gesundheitsversorgung – sie schlugen mit rund 57 Mrd. Euro zu Buche.
Das BMG will dagegen nun vorgehen und hat vier Handlungsfelder identifiziert: Die Früherkennung soll verbessert werden, bei Kindern und Jugendlichen ebenso wie bei Erwachsenen. Zudem will das Ministerium die DMP öffnen und den Nikotinkonsum eindampfen.
Erkrankungen früh erkennen, statt sie nur zu behandeln
Insgesamt gestärkt werden sollen vor allem die Früherkennungsuntersuchungen, etwa durch die Einführung von Lipid-Screenings bei der U9-Untersuchung mit Fokus auf familiärer Hypercholesterinämie. Die Untersuchungsinhalte festzulegen, wird eine Aufgabe für die medizinischen Fachgesellschaften. Um insbesondere Herz-Kreislauf-Risikofaktoren, z.B. für plötzlichen Herztod oder Bewegungsmangel, bei Kindern und Jugendlichen zu entdecken, plant das BMG einen standardisierten Fragebogen.
In die Früherkennungsuntersuchungen der jungen Patienten soll mindestens eine weitere Blutdruckmessung aufgenommen werden. Zur Teilnahme an der J1-Untersuchung laden die Krankenkassen ein - mit einer gezielten Ansprache z.B. zur Familienanamnese, mit Hinweisen zu Risikoverhalten oder wenn es darum geht, ein versäumtes Lipid-Screening nachzuholen.
Bei den Erwachsenen will das BMG die Gesundheitsuntersuchung weiterentwickeln und ein Screening für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einführen, das nach Alter und Risiko gestuft ist. Für die Check-ups 25, 35 und 50 mit Vouchers – angeführt werden hier u.a. ein Telefonservice zur Terminvermittlung oder QR-Codes – sind z.B. niederschwellige Einladungen durch die Kassen geplant. Bei den Check-up-Angeboten beabsichtigt das BMG, auch Apotheken im Rahmen von Vorfeld-Untersuchungen einzubinden.
Beim „Check-up 50“ sollen z.B. neben einem strukturierten Screening auf Risikofaktoren und kardiometabolische Erkrankungen auch eine standardisierte Herz-Kreislauf-Risikobestimmung mit Risiko-Score sowie zusätzlichen Laborparametern, etwa für Prädiabetes, erfolgen.
Die erweiterten Check-up-Inhalte sind von den medizinischen Fachgesellschaften festzulegen. Dies gilt auch für den „Check-up 25“, der u.a. ein Screening auf familiäre Risiken und ein universelles Lipid-Screening vorsieht. Die ärztliche Präventionsempfehlung und die Überleitung in die weiterführende Versorgung sollen gestärkt werden.
Hoher Blutdruck, hohe Lipidwerte? Ab ins DMP!
Vorgesehen sind auch eine umfassende Diagnostik und Angebote zur weiterführenden Behandlung von Hochrisikopatienten. Dies gilt sowohl für Personen, die keine Medikamente einnehmen (u.a. Beratung zu Ernährung, Bewegung und Lebensstiländerung) als auch für jene unter einer Arzneimitteltherapie.
Um die Teilnahmequoten bei den DMP zu verbessern, will man die Kassen dazu verpflichten, ihren Versicherten DMP anzubieten. Das BMG sieht vor, die DMP für Patienten mit einem schon bestehenden hohen Risiko für die Manifestation einer DMP-Erkrankung zu öffnen. Damit können sich etwa Personen mit bereits behandlungsbedürftigem Bluthochdruck und hohen Lipidwerten in das DMP Koronare Herzkrankheit oder das DMP Diabetes Typ 2 bei Prädiabetes einschreiben. Angedacht ist eine Verpflichtung der Vertragspartner für die DMP Diabetes Typ 1 und Typ 2 sowie für KHK, „Elemente einer qualitätsorientierten, erfolgsabhängigen Vergütung in den Verträgen zu regeln“.
In den Praxen soll die Raucherentwöhnung stärker in den Fokus rücken. Hierzu ist u.a. angedacht, etablierte Konzepte für die Kurzintervention wie die ABC-Methode oder das Rauchfrei-Ticket zu stärken. Zudem soll die Schulung von Ärzteschaft und Praxisassistenzen verbessert werden. Darüber hinaus will man im Rahmen des Innovationsfonds Modellprojekte zur Verbreitung von Kurzinterventionskonzepten in Hausarztpraxen fördern.
Die fachliche Begleitung der genannten Maßnahmen obliegt dem angekündigten Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM). Dessen Start ist für 2025 vorgesehen. In ihm soll die bisherige Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aufgehen. Geplant ist auch eine enge Zusammenarbeit zwischen BIPAM und RKI. Korrekturbedarf an der Konzeption des neuen Präventions-Instituts hat z.B. schon die Fachgesellschaft der Diabetologen angemeldet (siehe Kasten).
Diabetologen haben viele Fragen zur Arbeit des BIPAM
Das neue Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) soll künftig darüber aufklären, wie sich nichtübertragbare Krankheiten wie Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern lassen. Mit der Errichtung ist der ehemalige Leiter des Kölner Gesundheitsamtes Dr. Johannes Nießen beauftragt. Das RKI unter der Führung von Prof. Dr. Lars Schaade darf sich dann auf die übertragbaren Krankheiten konzentrieren.
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) begrüßt den neuen Ansatz zur Stärkung von Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung durch die geplante Einrichtung grundsätzlich, sieht aber auch Schwachstellen. Der Name des Instituts suggeriere, dass „Prävention ausschließlich eine medizinische Angelegenheit“ sei, stellt DDG Präsident Prof. Dr. Andreas Fritsche fest. Eine effektive Prävention nichtübertragbarer Krankheiten erfordere aber einen ganzheitlichen Public-Health-Ansatz, der Faktoren wie Ernährung, Bewegung, Umwelt, Bildung und soziale Ungleichheit ressortübergreifend berücksichtige. Der Tübinger Diabetologe fragt auch nach dem Mehrwert einer Aufteilung auf zwei Institute. „Die Erforschung der Wechselwirkung zwischen übertragbaren und nichtübertragbaren Erkrankungen könnte sogar erschwert werden, wenn wichtige Schnittstellen sowie Synergien verloren gehen.“ Unklar sei auch, wie das Institut künftig z.B. mit Krankenkassen, Öffentlichem Gesundheitsdienst oder universitären Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten werde. „Das BIPAM wird als selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des BMG errichtet und reiht sich in den Kreis von 80 bereits bestehenden Bundesoberbehörden ein. Auch dies wirft Fragen zur politischen Unabhängigkeit des neuen Instituts hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Arbeit auf, was bedenklich ist“, so Prof. Fritsche.