Versorgung Wo bleiben die neuen DMP?

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Eigentlich sollten die DMP zu Depression, Herzinsuffizienz, chronischen Rückenschmerz, Rheuma und Osteoporose schon in der Regelversorgung angekommen sein. Eigentlich sollten die DMP zu Depression, Herzinsuffizienz, chronischen Rückenschmerz, Rheuma und Osteoporose schon in der Regelversorgung angekommen sein. © AlexBlogoodf – stock.adobe.com

Die Versorgung von Patienten mit Osteoporose, chronischem Rückenschmerz, Depression, Herzinsuffizienz oder Rheuma erfolgt oft unkoordiniert. Eigentlich sollten fünf neue DMP das ändern – aber sie kommen einfach nicht in der Versorgung an. Woran liegt‘s?

Wenn Patienten von Arzt zu Arzt pilgern, um endlich eine Diagnose zu ihren Rückenschmerzen zu erhalten, ist das für die Betroffenen strapaziös, für Ärzte unübersichtlich und für Krankenkassen teuer. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat daher bereits 2019 die inhaltlichen Anforderungen eines DMP „chronischer Rückenschmerz“ beschlossen.

Auf den DMP ruhen große Hoffnungen

Doch in der Regelversorgung angelangt ist das Programm noch nicht – ebenso wenig die DMP zu Herzinsuffizienz (2018), Depression (2019), Osteoporose (2020) und Rheuma (2021).

Dabei sind die Programme seitens Patienten und Politik eigentlich sehr erwünscht. Die Große Koalition hatte 2018 in ihren Koalitionsvertrag geschrieben „Wir werden die Disease-Management-Programme weiter stärken, insbesondere durch eine Umsetzung der Programme für Rückenschmerz und Depressionen.“ Nach dem Beschluss des G-BA zum DMP Rheuma erhofften sich die Selbsthilfeorganisationen wie die „Deutsche Rheuma- Liga“ gar eine entscheidende Verbesserung der Versorgung. Doch diese Hoffnungen werden vorerst enttäuscht. Um die DMP umzusetzen, müssten die KVen mit den Landesverbänden der Krankenkassen regionale Verträge aushandeln.

Das scheint aber noch in keinem Bundesland gelungen zu sein. Eine KV schreibt auf Anfrage, die Krankenkassen würden sich der Verhandlung verweigern. Argument: Die neuen DMP seien für sie finanziell nicht mehr attraktiv. Die Begründung über­rascht, sollten die Programme doch eigentlich einer unkoordinierten Über­ver­sorgung vorbeugen. Die Krankenkassen erhalten für die Teilnahme von Versicherten eine Zuweisung aus dem Gesundheitsfonds, die „Programmkostenpauschale“. Sie wird vom GKV-Spitzenverband festgelegt und liegt für 2022 so niedrig wie nie: Pro DMP-Versichertenjahr erhalten die Kassen 128,76 Euro. Im Vorjahr waren es noch 145,44 Euro. Zu wei­teren finanziellen Gründen, die gegen DMP sprechen, schweigen die Kassen. Sie nennen andere Faktoren für die langsame Umsetzung.

Der übliche Zeitplan für DMP

Laut vdek dauert es in der Regel ein Jahr, die technischen und organisatorischen Vorbereitungen für ein DMP zu treffen. Beispielsweise müssten die Praxisverwaltungssoftware der Ärzte und die Systeme der Krankenkassen angepasst werden. Kernelement jedes DMP ist eine regelmäßige, spezifische Dokumentation bestimmter Parameter. Diese müssten erst „programmiertauglich“ übersetzt und in Systeme eingepflegt werden, um elektronisch übermittelt werden zu können. Diese Systeme bedürfen dann wiederum einer Zertifizierung. Aufwendig sei es auch, die Auswertungssystematik für die Qualitätssicherung festzulegen. Die zwischen KBV und Kassen abgestimmten Unterlagen müssen durch das Bundesamt für soziale Sicherung geprüft und freigegeben werden. Auch Indikationsbroschüren müssen die Krankenkassen erstellen und freigeben lassen.

Der G-BA habe für die Programme teilweise zwingende Vor­aussetzungen definiert, die in der Regelversorgung noch gar nicht existierten, erklärt der Verband der Ersatzkassen (vdek). So seien für das DMP Herzinsuffizienz besondere Unterstützungsangebote vorgesehen, die erst seit Kurzem gegeben seien – nämlich durch die Aufnahme des Telemonitorings bei Herzinsuffizienz in den Leistungskatalog.

Patientenschulungen müssen erarbeitet werden

Zudem muss für jedes DMP ein evidenzbasiertes, strukturiertes Programm für Patientenschulungen ausgearbeitet und veröffentlicht werden, gibt der vdek zu bedenken. Immerhin greife hier schon eine Erleichterung: Auch nicht-evaluierte Schulungen könnten eingesetzt werden, sofern eine Evaluierung spätestens mit dem Start des DMP erfolge. Aber selbst dann müsse ein Evaluationskonzept vorliegen, das vom Bundesamt für soziale Sicherung geprüft wurde. Der G-BA wird sich dieses Jahr mit der Frage befassen, warum die DMP noch nicht in der Versorgung angelangt sind. Man wolle herausfinden, ob es Hindernisse gibt, die in den DMP-Richtlinien liegen, heißt es seitens des Selbstverwaltungsgremiums. Diese könnten durch eine Anpassung behoben werden. Im Juni wisse man voraussichtlich mehr dazu.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht