Beruflicher Wiedereinstieg Zersplittertes Sozialrecht behindert Durchblick über berufliche Unterstützung für an Krebs Erkrankte

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Die Berufstätigkeit stellt für Menschen mit Krebs eine große Herausforderung dar. Die Berufstätigkeit stellt für Menschen mit Krebs eine große Herausforderung dar. © dusanpetkovic1 – stock.adobe.com

Eine Krebsdiagnose verändert in der Regel die berufliche Situation Erwerbstätiger massiv. Mancher versucht, mit so wenig Unterbrechung wie möglich im Job zu bleiben, andere können erst nach langer Therapie und Rehabilitation wieder einsteigen. Arbeitgeber könnten unterstützen, oft fehlt jedoch Wissen.  

„Arbeiten mit und nach Krebs: Welche Rahmenbedingungen brauchen Patient:innen?“ überschrieb die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) eine gesundheitspolitische Diskussion in der Reihe „Brennpunkt Onkologie“. Wie Marie Rösler, Sprecherin der DKG-Arbeitsgemeinschaft Soziale Arbeit in der Onkologie, betont, stellt die Arbeit für krebsbetroffene Menschen Ressource und Belastung zugleich dar. Die Betroffenen stünden vielfältigen Ängsten, Sorgen, Hürden und Unsicherheiten gegenüber. 

1,5 Mio. Menschen sind in den letzten fünf Jahren an Krebs erkrankt, 35 % von ihnen im erwerbsfähigen Alter. Wie Rösler schildert, arbeiten die meisten nach der Therapie weiter, eine Rückkehr in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder existenzsichernde Selbstständigkeit ist häufig jedoch erst nach langer Zeit möglich, verbunden mit Leistungseinschränkungen. Am Arbeitsplatz heißt es, neue Routinen zu finden, auch die Beziehung zu Kolleg:innen und Vorgesetzten müssen sich erst wieder einspielen. Rösler nennt Beispiele für eine erfolgreiche Wiedereingliederung

  • Herr S., 49 Jahre, Journalist, malignes Lymphom, Rückkehr ins Erwerbsleben ohne Reha und ohne Wiedereingliederung
  • Frau B., 47 Jahre, Lehrerin, malignes Lymphom, Chemotherapie, Anschlussheilbehandlung, stufenweise Wiedereingliederung, erfolgreiche Rückkehr ins Arbeitsleben mit Stundenreduzierung
  • Herr C., 54 Jahre, Lkw-Fahrer, Magenkrebs, Anschlussheilbehandlung, stufenweise Wiedereingliederung, Vollzeit-Berufstätigkeit nach dauerhafter innerbetrieblicher Umsetzung in die Werkstatt
  • Frau D., 48 Jahre, Chemielaborantin im Labor, Brustkrebs, OP, Chemo- und Strahlentherapie, Hormontherapie, Lymphödem, zwei Jahre berufsbegleitende Qualifizierung zur Qualitätsbeauftragten, beruflicher Aufstieg
  • Frau A., 28 Jahre, Informatikerin, metastasierendes Rektumkarzinom, nach OP Rückkehr zur Arbeit mit flexiblen Arbeitszeiten, Berufstätigkeit während Strahlen- und Chemotherapie 

Bezüglich der gesetzlichen Möglichkeiten sieht die DKG-Expertin Deutschland gut aufgestellt. Hilfen und Beratung böten u.a. Integrationsämter, Informationsfachdienste und Krebsberatungsstellen. Als Problem schildert sie allerdings die Unübersichtlichkeit der Angebote und Hilfen sowie „die Hürde Schnittstellen“, die von der Rehabilitation bis zur Arbeitsplatzanpassung reicht. Ob eine erfolgreiche Rehabilitation ins Erwerbsleben gelinge, werde von Krankheitsstadium, Prognose, Alter, beruflichem Status und Bildungsgrad beeinflusst, so Rösler. Kritisch sieht sie, dass Arbeitgeber zu den Wiedereinstiegsmöglichkeiten oft un- bzw. nicht ausreichend informiert sind. Besonders gelte das für kleine und mittlere Unternehmen. 

Patientenbeauftragter will das Thema in die Politik tragen

Dass ein Überblick über Wiedereingliederungsrechte sowohl für Arbeitgeber als auch für Versicherte nicht leicht ist, bestätigt Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK-Dachverbandes. Als Grund nennt er ein zersplittertes Sozialrecht: „Das Sozialrecht ist so komplex, dass es einfache Lösungen nicht gibt.“ Jeder Sozialversicherungsträger sei jedoch verpflichtet, umfassend zu beraten. Und wer als Erster in Anspruch genommen werde, habe auch die Pflicht zu organisieren, dass das Notwendige geleistet werde. Betroffene sollten sich „nicht abwimmeln lassen“, sich auch beschweren, wenn Hilfen ausblieben, denn hinter jedem Sozialversicherungsträger stehe eine Aufsicht. Niemand dürfe durch eine Ritze fallen, so Knieps. Er sieht hier Verantwortung auch bei den Krankenkassen. Ihre Aufgabe sei, die Gesundheitskompetenz der Versicherten zu fördern – durch ausreichende Informationen zum beruflichen Wiedereinstieg nach einer Erkrankung. 

Selbstständige, Studierende, Personen mit Zeitverträgen, Arbeitslose sowie Personen, die Familienarbeit leisten, fallen bei Krebserkrankungen oft durch das Netz der sozialen Sicherung, so Berichte aus dem Publikum. Auch die Unübersichtlichkeit der Angebote wird aus individueller Sicht noch einmal angesprochen. 

Patient:innen-Sprecherin „Lotte“ schlägt vor, dass das medizinische Personal zum Thema Arbeiten bei Krebs besser geschult werden sollte. Nachdrücklich bemerkt sie, dass die berufliche Wiedereingliederung schon in der akuten Krankheitsphase mitgedacht werden sollte: „Ein Krebsbetroffener muss bereits bei Diagnosestellung den Arbeitgeber informieren und gegebenenfalls mitteilen, wie lange er oder sie ausfällt.“ 

Es müsse dringend nachgebessert werden, kommentiert Stefan Schwartze, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten, die geschilderten Defizite: „Als Patientenbeauftragter kann ich den Finger in die Wunde legen und das Parlament oder die Ministerien auf Themen aufmerksam machen.“

Quelle: DKG – Brennpunkt Onkologie