Zusatznutzen-Info soll in die Praxissoftware - Auch den Aufwand für den Arzt beachten
Das Bundesgesundheitsministerium strebt an, noch in diesem Jahr eine Rechtsverordnung zum AIS vorzulegen, erklärte BMG-Staatssekretär Lutz Stroppe, auf einer von dem Unternehmen Boehringer Ingelheim organisierten Fachveranstaltung.
Beteiligt an der inhaltlichen Erarbeitung des AIS sind die Pharmadialog-Teilnehmer, die Länder und die Bänke im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Im zweiten Schritt folgt die konkrete Ausgestaltung, also die Softwareentwicklung. Der Arzt müsse über Wirtschaftlichkeit und Preise Bescheid wissen, um gezielt verordnen zu können, sagte der Staatssekretär. Eine Verordnungssteuerung mit Blick auf die Kosten soll es aber nicht werden. Es gehe darum, dem Arzt deutliche Hinweise zu geben, welche Therapie für welchen Patienten geeignet ist, damit Innovationen beim Patienten ankommen.
Zur technischen Umsetzung sagte Stroppe, dass das AIS eine Verbindung zu anderen Systemen aufbauen können muss. Dazu soll auch die Telematikinfrastruktur beitragen. Er rechnet für nächstes Jahr mit deren flächendeckender Nutzbarkeit. Es hätte schließlich keinen Sinn, hier einen Medikationsplan zu integrieren, wenn den Ärzten nicht auch entsprechende Informationen im AIS zur Verfügung stünden.
Zu beachten ist auch der Aufwand für die Praxis
Thomas Müller, Leiter der Abteilung Arzneimittel beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), erklärte, dass die bislang veröffentlichten Zusatznutzen-Beschlüsse nicht geeignet seien, um ein Arzt-Patienten-Gespräch zu unterstützen. Sie seien für Insider geschrieben und nicht für Haus- und Fachärzte, Patienten, Apotheker und die allgemeine Öffentlichkeit. "Wir brauchen deshalb ein neues Format."
Müller hält es für notwendig, dass Ärzte mittels AIS nicht nur über die Ergebnisse der Nutzenbewertung informiert werden, sondern auch über zweckmäßige Vergleichstherapien und andere Therapieoptionen für definierte Patientengruppen oder bei bestimmten Voraussetzungen.
Auf die notwendige Aktualität der Informationen im AIS machte Dr. Sabine Richard vom AOK-Bundesverband aufmerksam. Sie hofft, dass es technisch unmöglich sein wird, bestimmte Vorgaben und Hinweise wegzuklicken, denn das AIS dürfe in der Praxissoftware nicht untergehen.
"Das Informationssystem ist zur Transparenz bei Innovationen unerlässlich", zeigte sich auch Dr. Wolfgang-Axel Dryden, Vorstand der KV Westfalen-Lippe, überzeugt. Es gebe jedoch neben den Inhalten einiges zu beachten: den Aufwand für die Praxis, die Konsequenzen für den Arzt bei Beachtung bzw. Nichtbeachtung der Informationen sowie eine intuitive Bedienbarkeit. "Das System darf den Arzt nicht vom Patienten ablenken", so der KV-Chef. Es sei somit nötig, dass der Arzt die Information schnell erfassen könne.
Er persönlich habe allerdings angesichts der Komplexität von G-BA-Bewertungen "Zweifel an der Einfachheit". Professor Dr. Bernhard Wörmann, der medizinische Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) wies – ebenso wie andere Redner – darauf hin, dass ein nicht bestätigter Zusatznutzen für ein Medikament nicht gleichbedeutend ist mit einem fehlenden Nutzen für die Patienten.
DGHO-Portal Onkopedia zeigt, was wichtig ist
Dr. Markus Frick vom Verband der forschenden Arzneimittelhersteller erläuterte dazu, dass drei Viertel der Zielstudien nicht den Vorgaben des G-BA für die Nutzenbewertung entsprechen. Es dauere für einen Teil der Indikationen – vor allem bei chronischen Erkrankungen – auch lang, bis überhaupt ein patientenrelevanter Nutzen nachgewiesen werden könne. Ein Drittel der Bewertungsverfahren betreffe Tumorerkrankungen, das entspreche etwa einer Indikation pro Monat, so Prof. Wörmann. Das sei der Überblick selbst für einen erfahrenen Onkologen eine Herausforderung.
Anhand des DGHO-Informationsportals Onkopedia erklärte er, welche Informationen die Kollegen über die Ergebnisse der Nutzenbewertung hinaus wünschen: die Abbildung der Vergleichstherapie, die Darstellung der Evidenz und die Aktualisierung von G-BA-Beschlüssen, also die Einordnung in den Stand des Wissens. Er verwies darauf, dass es zu vielen gut gemachten Studien fast jedes Jahr ein Update gibt. Rufe niemand ein neues Bewertungsverfahren auf, würden neue Erkenntnisse nicht abgebildet.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht