ADHS in psychiatrischer Begleitung

Friederike Klein

Bei ADHS-Patienten beginnt eine Depression häufig früher als bei Menschen ohne ADHS. (Agenturfoto) Bei ADHS-Patienten beginnt eine Depression häufig früher als bei Menschen ohne ADHS. (Agenturfoto) © Nusara – stock.adobe.com

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung kann bis ins Erwachsenenalter persistieren. Gleichzeitig werden mit zunehmendem Alter komorbide psychische Störungen häufiger, zum Beispiel Depressionen. Sie haben therapeutische Priorität.

Bei einem jüngeren Mann mit einer Depression lohnt sich das Screening auf eine ADHS, denn Menschen mit Depressionen weisen dreimal so häufig eine solche Störung auf wie diejenigen ohne. Umgekehrt haben von ADHS betroffene Männer im Alter von 31 bis 50 Jahren ein 19-fach höheres Risiko für eine affektive Störung im Vergleich zu ihren Geschlechtsgenossen in der Allgemeinbevölkerung, berichtete Prof. Dr. Andreas Reif von der psychiatrischen Universitätsklinik in Frankfurt am Main. Jeder zweite Erwachsene mit ADHS leide einmal im Leben unter einer Depression. „Das ist eine wirkliche Komorbidität, keine Folge­erkrankung“, betonte der Kollege. 

Auch bipolare Störungen (BPS) und ADHS kommen gehäuft gemeinsam vor. Die Lebenszeitprävalenz einer BPS bei ADHS-Patienten gab Prof. Reif mit 8,4 % an. Diese Rate liegt etwa achtmal höher als in der Allgemeinbevölkerung. Umgekehrt lässt sich bei Menschen mit BPS etwa viermal häufiger eine ADHS nachweisen. Die Lebenszeitprävalenz beträgt 18,4 %. 

Um ADHS und BPS zu differenzieren, empfahl Prof. Reif, folgende Daumenregeln zu beachten:

  • Eine ADHS beginnt in der Kindheit, eine bipolare Störung normalerweise in der späten Adoleszenz oder im Erwachsenenalter. ADHS-Symptome sollte man bis vor das zwölfte Lebensjahr zurückverfolgen können. Gegebenenfalls helfen fremdanamnes­tische Angaben bzw. alte Schulzeugnisse weiter. 
  • Im Gegensatz zur ADHS ist die bipolare Störung eine phasische Erkrankung. 
  • Stimmungsschwankungen haben bei der BPS eine niedrige Frequenz, eine hohe Amplitude und externe Trigger werden selten berichtet. Bei der ADHS zeigen die Stimmungsschwankungen eine hohe Frequenz, aber eine niedrige Amplitude, und sie werden häufig von externen Triggern ausgelöst. 
  • Die ADHS lässt sich durch Stimulanzien positiv beeinflussen, die BPS durch Lithium.

Bei ADHS-Patienten beginnt eine Depression häufig früher als bei Menschen ohne ADHS und nicht selten gibt es Hinweise auf ein erhöhtes Risiko aufgrund einer positiven Familienanamnese. Im Fall einer Komorbidität liegt häufig eine gemischte Depression vor, bei der die Kriterien einer Majordepression erfüllt, gleichzeitg aber auch hypomane Symptome vorhanden sind. 

Pro Jahr konvertieren etwa 20 % der komorbiden Depressionen in eine BPS; zeigen sich früh bipolare Charakteristika der Depression, sind es sogar 40 % pro Jahr. Das sollte man mit Betroffenen besprechen und in den differenzialtherapeutischen Überlegungen berücksichtigen, empfahl Prof. Reif. Gegebenenfalls kann über eine Lithium-Augmentation nachgedacht werden. 

Eine komorbide Depression hat bei Erwachsenen mit ADHS therapeutische Priorität. Als geeignete Antidepressiva nannte Prof. Reif Venlafaxin, Bupropion und Nortriptylin, da sie auch die ADHS potenziell günstig beeinflussen. Eine echte Evidenz gibt es für diese Empfehlung aber nicht, betonte er. Die Behandlung der ADHS mit Stimulanzien in Kombination mit Antidepressiva ist seiner Aussage nach in der Regel unproblematisch. Bei komorbider ADHS und BPS sollte in jedem Fall ein Stimmungsstabilisierer an Bord sein. Psychoedukation und Psychotherapie gehören bei ADHS mit komorbider Depression oder BPS in jedem Fall mit zum therapeutischen Konzept.

Quelle: DGPPN(Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde)-Kongress 2022

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Bei ADHS-Patienten beginnt eine Depression häufig früher als bei Menschen ohne ADHS. (Agenturfoto) Bei ADHS-Patienten beginnt eine Depression häufig früher als bei Menschen ohne ADHS. (Agenturfoto) © Nusara – stock.adobe.com