Aktionsplan gegen Zucker-Retinopathie

Dr. Carola Gessner, Foto: thinkstock

Rußregen oder Verzerrtsehen? Dann ist bei Diabetikern bereits Erblindungsgefahr im Verzug. Werden Sie viel früher aktiv, um das Augenlicht Ihres Patienten zu erhalten.

Milde Netzhautschäden – wie bei nichtproliferativer Retinopathie mit wenigen Mikroaneurysmen – verursachen zunächst oft keine Symptome. Dass seine Augen bereits in Mitleidenschaft gezogen sind, bemerkt der Patient eventuell erst dann, wenn stärkere Anomalien auftreten oder brüchige Netzhautgefäße in den Glaskörper einwachsen und dort Blutungen auslösen. Dann bleibt dem Ophthalmologen kaum Handlungsspielraum. Gleiches gilt für die fortgeschrittene diabetische Makulopathie, betonen die Autoren der neuen Versorgungsleitlinie*.


Netzhautschäden vom Zucker

nichtproliferative diabetische Retinopathie (NPDR):

  • mild: einzelne Mikroaneurysmen

  • mäßig: Mikroaneurysmen und intraretinale Blutungen, Perlschnur-Venen in max. einem Quadranten

  • schwer: > 20 Mikroaneurysmen und retinale Blutungen in allen 4, Perlschnur-Venen in ≥ 2 oder mikrovaskuläre Anomalien in ≥ 1 Quadranten.

proliferative diabetische Retinopathie

  • irreguläre stark fragile Gefäße, Penetration in den Glaskörper

  • hohes Blutungsrisiko

  • evtl. traktive Netzhautablösung

diabetisches Makulaödem
  • Permeabilitätsstörung u./o.Okklusion perimakulärer Gefäße

  • häufigste Ursache des Visusverlustes bei Diabetikern


Etwa jeder vierte Typ-1-Diabetiker und bis zu 16 % der Typ-2-Diabetiker leiden unter diabetischer Retinopathie mit schleichendem Sehverlust, informieren die Kollegen. Und nicht nur Netzhaut- und Makulaschäden drohen: Nach mehr als zehnjähriger Diabetesdauer steigt auch die Katarakt-Inzidenz deutlich an, es kommt zu Blendempfindlichkeit, Mehrfachbildern und zusätzlichem Visusverlust.


Haben sich infolge einer Retinopathie spürbare Sehverschlechterungen bzw. Probleme beim Lesen oder Autofahren erst einmal eingestellt, liegen nicht selten irreversible Netzhautschäden vor. Gegensteuern hieße für den Hausarzt, früh und fristgerecht für die Mitbetreuung durch den Ophthalmologen sorgen. Eine solche findet DMP-Erhebungen zufolge bei mindestes bei einem Drittel der Patienten nicht statt.

Diabetische Nephropathie ist Risikofaktor für Netzhautschäden

Wie sollte das praktisch Vorgehen nun idealerweise aussehen? Die Bedingung für gute Kooperation zwischen Haus- und Augenarzt heißt: optimale Kommunikation. Der Kollege muss wissen, welche Begleiterkrankungen das Augenlicht des Diabeteskranken zusätzlich bedrohen. So gibt es bei Hypertonikern eine direkte Beziehung zwischen der Höhe des Blutdrucks und der Retinopathie. Zudem bildet die diabetische Nephropathie einen Extra-Risikofaktor für Netzhautschäden. Deshalb geben die NVL-Autoren Ihnen einen Dokumentationsbogen an die Hand, in den Sie ohne viel Zeitaufwand alle Informationen eintragen, die der Augenarzt benötigt (s. Abb.).


Rußregen? Krumme Linien? Alarm!

Schnell zum Augenarzt muss der Patient in folgenden Notfallsituationen.

  • durch Sehhilfen unbeeinflussbare Verschlechterung der Sehschärfe

  • Leseprobleme/Verlust der Lesefähigkeit

  • Farbsinnstörungen

  • Verschwommensehen

  • Verzerrtes Sehen (Metamorphopsie)

  • „Rußregen“ vor dem Auge: Erblindung droht durch persistierende Glaskörperblutung/traktive Netzhautablösung.


Auf jeden Fall sollten Sie den Diabetespatienten verantwortlich mit ins Boot zu holen, sprich über Früherkennung und Therapiechancen umfassend aufklären. Wenn Sie ihn zum Augenarzt überweisen, machen Sie ihn darauf aufmerksam, dass er „getropft wird“ und dann für 2–4 Stunden nicht fahren kann. Neben Zahlenlesen und Spaltlampe kommt auf den Patienten je nach Befund weitere Diagnostik zu z.B. :

  • Augeninnendruckmessung (bei fortgeschrittener Retinopathie)

  • Fluoreszenzangiographie (Laserindikation bei Gefäßlecks?)

  • Optische Kohärenztomographie (Netzhautdicke feststellen bei diabetischem Makulaödem, Indikation zur VGEF-Therapie)

Screening bei jeder neuen Typ-2-Diabetes-Diagnose


Und wie oft muss Ihr Patient zum Augenarzt? Nach umfangreicher Studienrecherche haben sich die Experten auf konkrete Empfehlungen geeinigt. Ein Screening halten sie bei jeder neuen Typ-2-Diabetes-Diagnose für notwendig.


Dokumentation des Hausartes besonders wichtig:

Der Hausarzt hilft die Risikofaktoren für Netzhautkomplikationen zu erkennen, indem er den <media>Dokumentationsbogen*</media> ausfüllt. Gefragt wird nach:

  • Diabetestyp und -dauer
  • dem aktuellen HbA1c -Wert
  • einem repräsentativen Blutdruckwert und
  • eventuellen Gefäßkomplikationen.

Da der Hausarzt den Patienten und seine Begleiterkrankungen am besten kennt, gibt er zudem eine integrierende Risikoeinschätzung ab.

* © ÄZQ, BÄK, KBV und AWMF 2015

Für Typ-1-Diabetiker heißt es: ab dem elften Lebensjahr oder nach fünf Jahren Krankheitsdauer. Fällt bei der Erstdiagnostik nichts Pathologisches auf, hängt das weitere Prozedere von den begleitenden Risikofaktoren ab. Bei geringem Risiko schaut der Fachkollege Ihrem Patienten nach zwei Jahren, ansonsten nach einem Jahr erneut in die Augen.


Liegt ein ophthalmologisches Risiko vor (manifeste diabetische Retinaveränderungen), soll das Intervall bis zur Kontrolldiagnostik maximal ein Jahr betragen. Bei neu auftretenden Symptomen oder Warnzeichen (s. Kasten) konsultieren Sie den Ophthalmologen natürlich sofort.


Was die Behandlung betrifft, so entscheidet der Fachkollege je nach Befund über den Einsatz spezifischer Maßnahmen wie Laser, Anti-VEGF-Therapie, Steroide oder gar einer Vitrektomie. Ihnen als Hausarzt obliegt v. a. das Management der Risikofaktoren (optimale Diabetes-Einstellung, Bluthochdruck-Therapie, Kontrolle renaler Schäden). Und informieren Sie die vielen Patienten mit begleitender kardiovaskulärer Erkrankung: Herzschützende Plättchenhemmern wie ASS dürfen sie beruhigt weiternehmen, die Gefahr von Netzhautblutungen wird dadurch nicht erhöht. 


Quelle: NVL Prävention und Therapie von Netzhautkomplikationen bei Diabetes 2015, AWMF-Register-Nr.: nvl-001b

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