
Allergische Rhinitis und Riechstörungen – ein Update
Einerseits schützt der Riechsinn vor Gefahren, etwa vor Rauch, Feuer, Stäuben und Toxinen. Zum anderen hat er eine „soziale Dimension“, erklärte Professor Dr. Thomas Hummel, HNO-Klinik am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden. So vermitteln Duftstoffe die sogenannte chemische Kommunikation: Nicht nur zwischenmenschliche Beziehungen, sondern auch die Aromawahrnehmung, der Feingeschmack beim Essen und Trinken, hängen stärker vom Geruchssinn ab als uns das bewusst ist, verdeutlichte der Spezialist. Wer nicht riecht, verliert soziale Kompetenzen – bei manch einem wird dadurch der Weg zur Depression gebahnt.
Riechen Sie gut? |
Wie gut stimmen das subjektiv wahrgenommene und das mittels Test gemessene Riechvermögen überein? Um dies zu prüfen, erfolgte eine Studie mit etwa 1000 Teilnehmern.1 In drei Altersgruppen unterteilt absolvierten alle Probanden Riechtests. Von den jüngsten Teilnehmern, 18-35 Jahre alt, hatten 4 % eine Riechstörung. Diese Rate stieg auf 17 % unter den 36-55-Jährigen und kletterte sogar auf 36 % in der Altersgruppe der über 55-Jährigen. Die alleinige Befragung der Teilnehmer spiegelte diese Messresultate nicht wider: Über alle drei Altersgruppen hinweg gaben 9 bis 14 % der Probanden an, dass sie schlecht riechen würden. Somit änderte sich die Häufigkeit der subjektiv wahrgenommen Riechminderung nicht in Abhängigkeit vom Alter. Das Ergebnis im Einzelnen: In der Gruppe der Jüngsten schätzten 10 %, dass sie mit Riechdefiziten lebten, unter den 36-55-Jährigen betrug diese Rate 15% und sogar nur 12 % bei den über 55-Jährigen.
|
Schwillt die Nasenschleimhaut allergiebedingt an, kann dies zum kompletten Verschluss der Riechspalte führen. Durch solche mechanischen Blockaden gelangen Duftmoleküle schlichtweg nicht mehr zu den Riechrezeptoren. Die Störung ist aber reversibel: Sobald die Schleimhaut abschwillt, riechen die Betroffenen wieder.
Aber auch bei weiter Riechspalte können Patienten aufgrund entzündlicher Veränderungen im Rahmen der allergischen Reaktion in der Schleimhaut ihr Riechvermögen einbüßen.
Riechfunktion wird nur selten untersucht
Doch wie häufig ist mit Riechstörungen bei allergischer Rhinitis (AR) zu rechnen und wie steht’s um die therapeutischen Möglichkeiten? Dazu erfolgte eine umfassende Literaturrecherche: Von 420 relevanten Arbeiten waren 36 Artikel verwertbar, erklärte Prof. Hummel.
So bemängelte er, dass die Riechfunktion nur selten quantitativ erfasst wurde. Subjektive Einschätzungen der eigenen Riechleistung, also die alleinige Befragung von Patienten, bezeichnete er als nicht zielführend. Denn dabei werde der spürbare Luftfluss durch die Nase oft mit dem Riechvermögen verwechselt.
Es gibt eine riesige Diskrepanz zwischen gemessenem Riechvermögen und subjektiver Einschätzung, wie eine Studie zeigt (s. Kasten).1 Um die Riechleistung zu objektivieren, eignen sich verschiedene, etablierte Tests, z.B. „UPSIT“ (University of Pennsylvania Smell Identification Test) oder „Sniffin‘ Sticks“.
Wie Prof. Hummel auf Basis der verfügbaren Studiendaten berichtete, zeigten im Schnitt 20-40 % der AR-Patienten Riechstörungen; das Spektrum reichte von 10-88 %. Dabei wurde der Riechverlust als mäßig ausgeprägt eingestuft, Anosmien fanden sich eher selten. Es fiel jedoch auf, dass die Häufigkeit und der Schweregrad der Riechstörung mit der Dauer und Schwere der allergischen Erkrankung zunahmen.
Beim Vergleich von persistierenden/perennialen und saisonalen allergischen Rhinitiden (PAR bzw. SAR) traten Riechstörungen bei ersteren häufiger und schwerer ausgeprägt auf. Zur antiallergischen Behandlung von AR-Patienten mit gestörter Riechfunktion gibt es im Wesentlichen drei Ansätze:
- Antihistaminika
- topische Steroide und
- spezifische Immuntherapie
Antihistaminika zeigten klinisch sehr geringe Effekte auf die gestörte Riechfunktion, wie aus mehreren Studien hervorging. Topische Steroide schnitten hingegen besser ab. Prof. Hummel zufolge deuten die Daten darauf hin, dass eine topische Steroidtherapie bei AR-Patienten mit Riechstörungen wirksam sein kann.
So zeigten einige Untersuchungen signifikante Verbesserungen der Riechfunktion, in anderen Arbeiten konnte dies jedoch nicht demonstriert werden. Von der dritten Behandlungsmöglichkeit, einer spezifischen Immuntherapie, profitierten AR-Patienten - ihr Riechvermögen besserte sich nachweislich. Dieser Effekt konnte aber nur in kleinen Studienkollektiven demonstriert werden, kommentierte der Experte.
Sprühaufsatz und Tropftechnik verbessert den Geruchsinn
Bei der topischen Behandlung von Riechstörungen spielen auch die Applikationstechniken eine wichtige Rolle. Experimentell wies man inzwischen nach, dass Nasensprays, die über einen verlängerten Sprühaufsatz verabreicht wurden, in punkto Riechfunktion besser wirkte
Damit auch Nasentropfen das olfaktorische Sinnesepithel erreichen, wird als optimale Kopfhaltung während der Applikation die sogenannte Kaiteki-Position empfohlen.
Damit das Medikament die Riechspalte erreicht, eignet sich diese Posititon besonders gut. Für das Tropfen des rechten Nasenlochs liegt der Patient auf der linken Seite und dreht den Kopf um 30 bis 40o nach rechts. Dann überstreckt er ihn um 20 bis 30o. Für das linke Nasenloch wird die Prozedur auf der anderen Seite wiederholt. .
Quelle: Shu CH et al., Am J Rhinol 2015; in press
Die Kaiteki-Position wird auch in einem Video erklärt: Kaiteki-Position
Fotos: MT-Archiv
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).