Patienten mit allergischem Asthma könnten von einer spezifischen Immuntherapie profitieren

Pro
„Die allergische Rhinitis wird oft als lästiges Ärgernis abgetan, aber das ist aus mehreren Gründen falsch“, betonte Professor Dr. Johann-Christian Virchow, Chef der Pneumologie der Universitätsmedizin Rostock. Denn sie ist nicht nur der wichtigste Risikofaktor, ein Asthma zu entwickeln. Sie verursacht auch erhebliche Kosten für Gesundheitssystem und Gesellschaft, Betroffene schneiden in Schule und Beruf schlechter ab.
„Wir sehen außerdem immer mehr schwere Verläufe und mehr und mehr polysensibilisierte Patienten“, so der Pneumologe. Jeder dritte Patient mit allergischer Rhinitis leidet heute an einer schweren chronischen oberen Atemwegserkrankung. Der Grund für die steigende Inzidenz liegt wahrscheinlich in allzu gründlicher Hygiene, die das Immunsystem auf Abwege bringt. „Wir brauchen die Immuntherapie, um diese Immunabweichungen zu revidieren“, meinte Prof. Virchow.
Weder die Therapie des Asthmas noch die der allergischen Rhinitis ist in der Lage, die gravierenden Folgen der jeweiligen Erkrankung vollständig auszugleichen. Die Immuntherapie dagegen erwies sich in diversen Studien als Multitalent:
- Sie bessert die Rhinitis-Beschwerden.
- Sie verhindert weitere Sensibilisierungen.
- Sie beugt dem Übergang ins Asthma vor, und das noch Jahre nach Ende der Immuntherapie.
- Sie reduziert das Risiko für Asthma-Exazerbationen.
SLIT kann teilweise die Effekte von Steroiden übernehmen
Letzteres konnte der Experte in einer eigenen Studie nachweisen, die auch für die GINA-Empfehlung mitverantwortlich ist. In der Untersuchung hatte sich die Hausstaubmilben-Tablette gegenüber Placebo als Add-on zum inhalativen Steroid (ICS) und kurz wirksamen Beta-2-Agonisten bewährt und die Zahl moderater bis schwerer Asthma-Exazerbationen signifikant reduziert. Und dies, obwohl zwei von drei Teilnehmern noch weitere Sensibilisierungen aufwiesen und parallel zur sublingualen Immuntherapie (SLIT) die ICS-Dosis sukzessive bis auf Null heruntergefahren wurde. Es scheint also, dass die SLIT zumindest teilweise die antiinflammatorischen Effekte von ICS übernehmen kann.
„Die Immuntherapie stellt derzeit unsere einzige Möglichkeit dar, den Krankheitsverlauf bei allergischer Rhinitis und Asthma zu modifizieren“, betonte Prof. Virchow. „Das leistet kein Arzneimittel.“
Down Under ist man offener
Contra
Das stellte sein Kontrahent, Professor Dr. Pierluigi Paggiaro von der Universität Pisa, auch gar nicht in Abrede. Der Kollege riet aber zur Zurückhaltung und warnte davor, jegliche Immuntherapie über einen Kamm zu scheren. Valide Daten gebe es kaum. Ältere Studien haben inkonsistente Resultate geliefert, auch weil sie mit ganz unterschiedlichen Populationen und Endpunkten gearbeitet haben. Zudem waren die Allergenextrakte wesentlich weniger gut standardisiert als heutzutage. So wurden Outcomes, die heute als Maß der Dinge gelten, oft nicht berücksichtigt, etwa Lungenfunktion und Biomarker. Oder sie wurden nicht wesentlich verbessert. Prof. Paggiaro ließ durchaus Anerkennung für die Argumente des Pro-Redners erkennen: „Die Studie von Christian Virchow wird den Blick der Pneumologen auf die Immuntherapie verändern, zumindest ein bisschen.“ Bisher habe sich jedenfalls in Italien kaum ein Pneumologe mit der Frage beschäftigt, was und wie diese Form der Therapie wirkt – noch weniger hätten sie angewendet. Ganz unkritisiert mochte er die Studie aber nicht durchgehen lassen. Die untersuchten Patienten waren stark selektiert, es handelte sich um leicht bis moderat Erkrankte unter mittelhoher ICS-Dosis. Die Behandlung schloss keine lang wirksamen Beta-2-Mimetika ein, sodass nicht festzustellen ist, wie die SLIT als Zusatz zur optimalen Pharmakotherapie wirkt. Um wirklich von Krankheitsmodifikation zu sprechen, fehlen außerdem Langzeitdaten. Ein kritischer Punkt ist für beide Experten der Zeitpunkt, zu dem die Intervention stattfindet. „Die Dauer der Allergenexposition dürfte entscheidend sein“, meinte Prof. Paggiaro. Prof. Virchow ergänzte: „Wenn wir die Patienten sehen, sind sie meistens schon zu weit fortgeschritten in ihrem Krankheitsverlauf, um eine Modifikation zu erreichen.“ Die letzte Forderung lautet klar: Jeder Extrakt und jedes Präparat muss seine Wirksamkeit selbst nachweisen – der Verweis auf einen Klasseneffekt der Immuntherapie ist unzulässig.* Global Initiative for Asthma
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