An diesen Schrauben können Sie bei chronischer Nierenerkrankung drehen

Dr. Angelika Bischoff

Symptomfreiheit täuscht: Viele werden erst im fortgeschrittenen Stadium herausgefiltert. Symptomfreiheit täuscht: Viele werden erst im fortgeschrittenen Stadium herausgefiltert. © thinkstock

Proteinurie und Abnahme der glomerulären Filtrationsrate kennzeichnen chronische Nierenerkrankungen, gleich welcher Genese. Allen ist gemeinsam, dass der Funktionsverlust voranschreitet, selbst wenn die primäre Noxe nicht mehr einwirkt. Und genau diese Progression gilt es aufzuhalten.

Der in Deutschland beliebte Begriff der chronischen Niereninsuffizienz hat laut KDIGO*-Initiative inzwischen ausgedient. Da das Funktionsdefizit der Niere die Prognose nicht alleine bestimmt, spricht man heute lieber von chronischer Nierenerkrankung (chronic kidney disease, CKD), schreibt Professor Dr. Matthias Girndt von der Klinik für Innere Medizin II der Universität Halle-Wittenberg. Die geschätzte (estimated) GFR (eGFR) bildet dabei die Basis der Stadieneinteilung. Sie wird heute bevorzugt nach der CKD-Epidemiology (CKD-EPI)-Formel kalkuliert, die auch für Menschen über 70 Jahre evaluiert ist.

Krea steigt erst, wenn die GFR schon halbiert ist

Die eGFR sollte das Serum-Kreatinin als Routineparameter ablösen, da letzteres von der Muskelmasse und -aktivität abhängt und entsprechend stark variiert. Außerdem beginnt das Kreatinin erst zu steigen, wenn die GFR schon um mehr als 50 % unter der Norm liegt.

Die Proteinurie, bevorzugt als Quotient aus Albumin und Kreatinin (ACR-Quotient) angegeben, fließt aufgrund ihrer prognostischen Relevanz ergänzend zur eGFR in die Stadieneinteilung ein. Man unterscheidet drei Stadien:
  • < 30 mg/g (normal)
  • 30–300 mg/g (Mikroalbuminurie)
  • > 300 mg/g (Makroalbuminurie)
Unter den Ursachen einer chronischen Nierenschädigung steht die arterielle Hypertonie in der Häufigkeit ganz vorne, gefolgt vom Diabetes mellitus. Auch primäre Glomerulonephritiden fallen mengenmäßig noch ins Gewicht.

Die chronische Nierenerkrankung verursacht nur wenig Symptome. Manche Betroffene klagen über eine Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit, in einigen Fällen finden sich periphere Ödeme, in fortgeschrittenem Stadium auch eine pulmonale Wassereinlagerung, die eine Atemnot bedingen kann.

Differenzialdiagnosen zur Glomerulonephritis

Bei glomerulärer Proteinurie ohne Akanthozyten können hypertensive Schäden, eine diabetische Nephropathie oder entzündlich-glomeruläre Krankheiten dahinterstecken. Einige davon kann man eventuell serologisch ausschließen. Dazu gehören Vaskulitiden, Lupus erythematodes, Antibasalmembrannephritis, membranöse Glomerulonephritis, Kryoglobulinämie und mit einer Virushepatitis assoziierte Nierenerkrankungen.
Immer wieder werden deshalb Patienten erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, weil z.B. anlässlich einer Routineuntersuchung ein erhöhtes Kreatinin auffällt. Dann stellt sich die Frage, ob eine bisher nicht erkannte chronische Nierenerkrankung dahintersteckt oder ob sich die Nierenfunktion akut verschlechtert hat. Zu den Indizien für einen schon länger fortschreitenden Prozess zählen:
  • sonographisch verkleinerte Nieren mit schmalem oder vernarbtem, hyperdensem Parenchym
  • normochrome, normozytäre Anämie
  • erhöhtes Parathormon
  • konzentrische Linksherzhypertrophie
  • diffus hyperpigmentierte gelbliche Haut
Eine weitere Zuordnung gestattet der Urinbefund. Kleinmolekulare Proteine wie α1-Mikroglobulin zeigen eine tubulointerstitielle Erkrankung an. Denn solche Proteine werden glomerulär filtriert und tubulär rückresorbiert. Höhermolekulare Eiweiße wie Albumin oder IgG finden sich nur im Urin, wenn die glomeruläre Filtration nicht funktioniert. Ist dies der Fall, lässt sich eine glomeruläre Nephritis als Ursache dingfest machen, wenn mehr als 5 % der roten Blutkörperchen als Akanthozyten (dysmorphe Erythrozyten mit Zellmembranaussackungen) im Urin auftauchen. Finden sich keine Akanthozyten im Urin, gibt es ein breites Spektrum an möglichen glomerulären Ursachen (s. Kasten).

Nephrone läuten ihren eigenen Untergang ein

Die Progression einer Nierenfunktionsstörung neigt dazu, sich zu verselbstständigen. Das geschieht, weil noch funktionierende Nephrone kompensatorisch die Arbeit zerstörter Kollegen übernehmen. Um diese Mehrarbeit leisten zu können, hypertrophieren sie und läuten damit ihren eigenen Untergang ein. Erschwerend kommt hinzu, dass die zunehmende Nierenfunktionsstörung eine arterielle Hypertonie im Gefolge hat, die den Prozess weiter beschleunigt.

Es gilt daher, bei jeder chronischen Nierenerkrankung an allen Schrauben zu drehen, die die Progression verlangsamen können. Der Autor nennt dazu:
  • den arteriellen Blutdruck auf systolische Werte zwischen 120 und 130 mmHg einstellen, bevorzugt mit Hemmern des Renin-Angiotensin-Systems
  • die Proteinurie unter 1 g pro Tag senken. Dazu trägt eine moderate Beschränkung der Proteinzufuhr – bevorzugt pflanzliche Eiweiße – auf 0,8 g/kg täglich bei
  • eine metabolische Azidose mit Natriumbicarbonat ausgleichen
  • strikter Nikotinverzicht
  • nephrotoxische Medikamente konsequent meiden, insbesondere NSAR, bestimmte Antibiotika oder Röntgenkontrastmittel
Die Therapie einer Hypercholesterinämie mit Statinen und Ezetimib oder die frühe Behandlung einer Anämie mit Erythropoetin hat dagegen keinen Benefit in Sachen Progression der CKD gezeigt.

Girndt M Internist 2017; 58: 243-254
*Kidney-Disease-Improving-Global-Outcome

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


"Gut und Böse" beim Nierenschall: Hier ein Normalbefund einer Niere. "Gut und Böse" beim Nierenschall: Hier ein Normalbefund einer Niere. © Albertinen-Krankenhaus Hamburg/www.sonographiebilder.de
"Gut und Böse" beim Nierenschall: Hier ein Bild einer diabetischen Nephropathie. "Gut und Böse" beim Nierenschall: Hier ein Bild einer diabetischen Nephropathie. © Albertinen-Krankenhaus Hamburg/www.sonographiebilder.de
Symptomfreiheit täuscht: Viele werden erst im fortgeschrittenen Stadium herausgefiltert. Symptomfreiheit täuscht: Viele werden erst im fortgeschrittenen Stadium herausgefiltert. © thinkstock