
Nicht nur auf den Zucker achten

Um renale und kardiovaskuläre Schäden bei Diabetes zu verhindern, ist es wichtig, eine nachlassende Nierenfunktion rechtzeitig zu erkennen, stellt Prof. Dr. Oliver Jung vom Varisano Klinikum Frankfurt-Höchst klar. Bei allen Patienten mit Diabetes sollte deshalb mindestens einmal jährlich die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (estimated GFR, eGFR) bestimmt werden. Für Typ-2-Diabetiker ist dies bereits zum Zeitpunkt der Diagnose indiziert, beim Typ 1 spätestens im fünften Jahr nach dem erstmaligen Nachweis der Stoffwechselstörung.
Die Einteilung des Schweregrads einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) erfolgt anhand von eGFR und Albuminurie. Beide bestimmen maßgeblich das Progressionsrisiko und die kardiovaskuläre Gefährdung. Ab eGFR-Stadium 3a (eGFR 45–59 ml/min/1,73 m2) ist eine Abklärung beim Nephrologen indiziert. Im Alter ≥ 75 Jahre sollte diese allerspätestens im Stadium 3b (30–44 ml/min/1,73 m2) erfolgen. Patienten mit höhergradiger Einschränkung oder Zeichen einer nicht-diabetischen Genese (s. Kasten) sollten ebenfalls unverzüglich überwiesen werden.
Warnsignale für eine nicht-diabetische Genese
- rasche Verschlechterung der Nierenfunktion/akutes Organversagen
- unklare Hämaturie, aktives Urinsediment
- plötzlich auftretende bzw. rasch fortschreitende Proteinurie
- Diabetesdauer bei Typ 1 ≤ 5 Jahre
- v.a. Nierenbeteiligung bei Systemerkrankung (z.B. Vaskulitis)
Zur Therapie chronisch nierenkranker Diabetespatienten wurde inzwischen ein multimodales Konzept entwickelt, das auch die Primär- und Sekundärprävention typischer Komplikationen wie PAVK und Herzinsuffizienz einschließt. Die blutzuckersenkende Therapie richtet sich nach dem Schweregrad der CKD, vaskulären Veränderungen, Komorbidität und Lebenserwartung. Auch das Risiko für Hypoglykämien und deren eventuell gestörte Wahrnehmung sind zu beachten. Statt absoluter Werte wird heute ein Zielkorridor für den Langzeitwert HbA1c empfohlen. Dieser sollte je nach Alter und Begleiterkrankungen zwischen < 6,5 % und < 8,0 % liegen. Zur Reduktion mikrovaskulärer Komplikationen ist laut DDG* ein HbA1c von etwa 7 % anzustreben. Höhere Werte sind tolerierbar, wenn eine eingeschränkte Lebenserwartung vorliegt oder wenn die mit einer strengeren Einstellung verbundenen Risiken den nierenschützenden Nutzen übersteigen.
SGLT2-Hemmer plus Metformin als Einstieg
Zur Primärtherapie der CKD bei Typ-2-Diabetikern plädiert die Initiative KDIGO** in ihrer Leitlinie für eine Kombination von Metformin und einem SGLT2-Hemmer. Metformin darf man bis zu einer eGFR von 30 ml/min/1,73 m2 einsetzen. Im Bereich von 44–30 ml/min/1,73 m2 sollte eine reduzierte Dosis genutzt werden. Das gilt auch für Werte zwischen 59 und 45 ml/min/1,73 m2, sofern ein erhöhtes Risiko für akutes Nierenversagen oder Laktatazidose besteht.
Alle Typ-2-Diabetiker mit einer eGFR ≥ 30 ml/min/1,73 m2 sollten der Leitlinie zufolge einen SGLT2-Hemmer erhalten – unabhängig von der Stoffwechselkontrolle. Sofern verträglich, empfiehlt die KDIGO eine Fortsetzung dieser Therapie auch bei sinkenden eGFR-Werten (bis zum Beginn der Dialyse). Wenn die Blutzuckersenkung einen weiteren Wirkstoff erfordert oder die Gabe eines SGLT2-Hemmers nicht möglich ist, sollte man einen GLP1-Rezeptoragonisten (GLP1-RA) in Betracht ziehen.
Auch die Autoren der Nationalen VersorgungsLeitlinie zum Typ-2-Diabetes von 2021 raten bei hohem kardiovaskulärem Risiko zu Metformin. Eine Kombination mit einem SGLT2-Hemmer oder einem GLP1-RA ist demnach möglich und bei einer bereits vorhandenen Herz-Kreislauf-Erkrankung sogar erforderlich. Welches Medikament ergänzend zum Einsatz kommt, hängt vom primären Therapieziel ab.
Wenn Patienten mit höhergradiger Niereninsuffizienz ihren anvisierten HbA1c-Bereich verfehlen, ist leitliniengerecht die zusätzliche Gabe von DPP4-Inhibitoren, Gliniden, GLP1-RA oder Insulin indiziert. Allerdings sind chronisch nierenkranke Diabetiker besonders hypoglykämiegefährdet. Ihre Nierenfunktion sollte deshalb regelmäßig kontrolliert und die Therapie ggf. entsprechend angepasst werden.
Eine gute Blutdruckeinstellung ist ebenfalls essenziell, um die Progression einer CKD und die kardiovaskuläre Morbidität zu senken. Die European Society of Hypertension (ESH) empfiehlt für hypertensive Diabetiker einen systolischen Zielwert von 130 mmHg oder leicht niedriger, sofern das toleriert wird. Weniger als 120 mmHg sollte man aber nicht anstreben.
Von besonderer Bedeutung für die CKD ist bei Patienten mit Diabetes das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS). Deshalb sollte die blutdrucksenkende Therapie primär mit einem ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten erfolgen. Das ist auch dann indiziert, wenn normotensive Patienten eine persistierende Makroalbuminurie aufweisen; bei Patienten mit Mikroalbuminurie ohne Hochdruck kann die Behandlung ebenfalls erwogen werden. Angestrebt wird die maximal vertragene bzw. zugelassene Dosis. Ein Anstieg des Serumkreatinins um bis zu 30 % ist tolerabel.
Was der Patient selbst für die kranke Niere tun kann
- auf das Rauchen verzichten
- sich ausgewogen ernähren (Proteinaufnahme 0,8 g/kgKG/d, unter Dialyse 1,0–1,2 g/kgKG/d, < 5 g NaCl/d)
- körperlich aktiv sein (≥ 150 min/Woche)
- Übergewicht reduzieren
Zur lipidsenkenden Behandlung wird für Diabetiker mit CKD die Gabe eines Statins (ggf. in Kombination mit Ezetimib) empfohlen. Bei Dialysepatienten ohne kardiovaskuläre Erkrankung sollte man keine Statintherapie beginnen, darf aber eine bereits begonnene Behandlung fortsetzen.
Weniger renale Ereignisse unter Finerenon
Für klassische Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA) wie Spironolacton oder Eplerenon konnte bisher keine zusätzliche Prognosebesserung bei Patienten gezeigt werden, die bereits einen ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten erhalten. Der neu entwickelte nicht-steroidale MRA Finerenon hat allerdings eine höhere Selektivität bzw. Affinität zum Mineralokortikoid-Rezeptor als ältere Wirkstoffe dieser Klasse. Studien zeigen, dass Typ-2-Diabetiker mit reduzierter eGFR und Albuminurie unter der additiven Einnahme von Finerenon weniger renale und kardiovaskuläre Ereignisse erleiden. Entsprechend ist das Mittel inzwischen zur Behandlung bei Typ-2-Diabetikern mit CKD (Stadium 3 und 4) und Albuminurie zugelassen. Die KDIGO empfiehlt den Einsatz bei einer eGFR von ≥ 25 ml/min/1,73 m2 und einer Albumin-Kreatinin-Ratio ≥ 30 mg/g – eine Normokaliämie vorausgesetzt.
* DDG: Deutsche Diabetesgesellschaft
** KDIGO: Kidney Disease: Improving Global Outcomes
Quelle: Jung O. Hessisches Ärzteblatt 2023; 84: 425-431
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).