Analgetika-Kopfschmerz: Wenn Schmerzmittel Schmerzen bereiten

Dr. Anja Braunwarth, Foto: pitopia Peter Eggermann 2010

Bei fast jedem zweiten Patienten mit häufigen Kopfschmerzattacken sind die Beschwerden auch durch Analgetika bedingt. Hier hilft nur der Entzug.

Die Definition des Medikamenten-Übergebrauch-Kopfschmerzes (MÜK) richtet sich u.a. nach den Einnahmetagen pro Monat (s. Tabelle). Folgen einer Häufung dieser Tage längere Phasen ohne Medikation – mindestens drei Tage –, muss man einen MÜK weniger befürchten.


Das Team um Professor Dr. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel hat eine „10-20-Regel“ zur Vermeidung des MÜK erstellt:

  • Schmerz- und spezifische Migränemittel sollten an weniger als zehn Tagen pro Monat eingenommen werden – aber an diesen Tagen nicht in zu geringer Dosis.
  • Für mindestens 20 Tage pro Monat gilt ein Verzicht auf die Präparate.

Die Anzahl der Tabletten spielt keine Rolle. Wie Prof. Göbel betont, ist es besser, an einem Tag eine ausreichende Dosis zu nehmen als an mehreren Tagen zu geringe Mengen.

Diagnose des Medikamenten-Kopfschmerzes

KriteriumBeschreibung
AKopfschmerzen an mindestens 15 Tagen im Monat bei vorbestehender Kopfschmerzerkrankung
Bregelmäßiger Übergebrauch einer oder mehrerer Substanzen,
die der akuten und/oder symptomatischen Kopfschmerztherapie dienen, über mindestens drei Monate
Cnicht besser kausal auf eine andere ICHD*-3-Diagnose zurückzuführen

*International Classification of Headache Disorders-3 beta

Prophylaxe nutzlos, wenn Analgetika-Abusus besteht

Die Schmerzcharakteristik des MÜK schwankt zwischen migräneartig und Kopfschmerzen vom Spannungstyp. Die Patienten sprechen nicht auf eine Prophylaxe an und solange der Übergebrauch besteht, chronifiziert die Erkrankung. Bildgebende Verfahren belegen funktionelle Alterationen in neuronalen Netzwerken.


Zentrale schmerzmodu- lierende Systeme erschöpfen sich, die Schmerzempfindlichkeit nimmt graduell zu. Der dadurch bedingte zunehmende Gebrauch von Analgetika steigert dies noch weiter.


Für die Therapie heißt das: Ohne Medikamenten-Pause geht es nicht, in einigen Fällen muss dauerhaft der Entzug erfolgen. Dieser gibt dem erschöpften Schmerzabwehrsys­tem Gelegenheit, sich zu erholen.


Bei einer Reihe von Patienten reicht schon die Aufklärung über den Zusammenhang, damit sie die Einnahme stoppen. Viele brauchen aber die ärztliche Begleitung, sei es ambulant, teilstationär oder vollstationär. Als anvisierten Zeitraum für die Pause nennt Prof. Göbel vier Wochen.


Allerdings bessern sich die Beschwerden in der Regel früher, sodass auch zwei Wochen reichen können, um die Kopfschmerzhäufigkeit insgesamt wieder auf unter zehn Tage pro Monat zu senken.

Entzug vertreibt auch Angst und Depression

Im stationären Bereich ergaben Auswertungen, dass der Therapieerfolg durchschnittlich nach acht bis zwölf Tagen eintritt. Hält die Kopfschmerzfreiheit über weitere drei Tage an, wird die Pause als erfolgreich betrachtet und man kann wieder mit der Akutmedikation beginnen (denn das primäre Leiden besteht ja weiter) – natürlich unter Beachtung der 10-20-Regel.


Das Unterbrechen der Tabletteneinnahme bessert in vielen Fällen die Kopfschmerzen und die damit verbundenen Behinderungen auch langfristig. Angststörungen und Depressionen nehmen ab – ganz zu schweigen von der finanziellen Entlastung des Gesundheitssystems.


Während der Pause muss auf Schmerzmittel aller Art verzichtet werden, bei möglicher Übelkeit helfen Metoclopramid, Domperidon oder Dimenhydrinat, Letzteres besitzt allerdings selbst ein Abhängigkeitspotenzial. Rebound-Kopfschmerzen und Umstellungsschmerzspitzen lassen sich durch trizyklische Antidepressiva, Antiepileptika oder schwache/mittelstarke Neuroleptika lindern.


Nach der Erfahrung von Prof. Göbel bewähren sich dabei vor allem Doxepin oder Melperon. Insbesondere in den ers­ten Tagen kann die prophylaktische Gabe von Steroiden stärkere Kopfschmerzen verhindern, klinische Studien dazu fehlen aber.

Wie geht es weiter nach der Auszeit?

Nach der Auszeit sollten die Betroffenen die Einnahmeobergrenzen für Akutmedikamente (< 10 Tage für Triptane, Ergotamine, Opioide, Mischanalgetika, < 15 Tage bei Monoanalgetika) einhalten. Doch das Rezidivrisiko ist hoch, bei Migränepatienten liegt die Rückfallquote im ersten Jahr bei ca. 20 %. Um die Gefahr zu senken, sollte direkt nach der Pause eine wirksame verhaltensmedizinische und medikamentöse Kopfschmerzprophylaxe unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten erfolgen.


Hartmut Göbel, Schmerzmedizin 2014; 30: 18-20

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