„Wir haben keine sicheren Schmerzmittel!“

Lebensgefährliche Komplikationen drohen bei allen Nicht-Opioid-Analgetika. Kein Wunder, dass Dr. Wolfgang Tonn, Allgemeinmediziner und Notarzt aus Heidelberg, konstatierte: „Wir haben keine sicheren Schmerzmittel!“ Um eine nebenwirkungsarme Therapie zu gewährleisten, lohnt ein differenzierter Blick auf die jeweiligen Medikamente.
Paracetamol
Zu den Hauptindikationen für Paracetamol zählen leichte Schmerzen und Fieber. Einen deutlichen antiinflammatorischen Effekt darf man sich von dem Präparat aber nicht erhoffen, erinnerte der Kollege. Bei Arthritis, Gicht oder Mittelohrentzündungen beispielsweise wirke es daher kaum.
Kinder schon bei monatlicher Anwendung gefährdet
Neben dem hepatotoxischen Risiko steigen dosisabhängig auch die Mortalität (+ 60 % bei wiederholt sehr hohen Dosen) sowie die Rate an Herzinfarkten und gastrointestinalen Butungen. Erwachsenen droht unter wöchentlicher Einnahme von Paracetamol die Entwicklung eines Asthmas, bei Kindern steigt dieses Risiko sogar schon ab einer monatlichen Anwendung. Zudem konnte inzwischen nachgewiesen werden, dass das Präparat nach einer Impfung von Kindern die Immunantwort unterdrückt.
Ernüchternde weitere Studien zur Effektivität und das Nebenwirkungsprofil haben Dr. Tonn dazu bewegt, bei seinen Patienten überhaupt nicht mehr zu Paracetamol zu greifen.
Nicht-steroidale Antirheumatika
Weniger bekannt als die ulzerogenen und nephrotoxischen Eigenschaften von NSAR und Coxiben ist das kardiovaskuläre Gefahrenpotenzial. Daten von mehreren Millionen Patienten zeigen, dass unter der Therapie deutlich mehr schwere Myokardinfarkte auftreten, v.a. nach 2- bis 4-wöchiger Einnahme von Diclofenac oder hoch dosiertem Ibuprofen (3 x 800 mg/d). Naproxen erhöht das Herzrisiko nicht, niedrige Dosierungen von Ibuprofen (bis 3 x 400 mg) sind in diesem Kontext i.d.R. ebenfalls unbedenklich. Bereits im Jahr 2013 deklarierte ein Rote-Hand-Brief Diclofenac bei Herzinsuffizienz, KHK, pAVK und Hirngefäßerkrankungen als kontraindiziert. Liegen kardiovaskuläre Risikofaktoren vor, sollte der Einsatz sorgfältig abgewogen werden. Dr. Tonn verordnet das Präparat nach eigener Aussage gerne – „aber immer nur maximal drei Tage und nie bei KHK-Patienten“.
Noch immer injizieren einige Kollegen Diclo intramuskulär. Wer das tut, begeht einen klaren Fehler, so der Referent. Die i.m. Gabe sei obsolet! U.a. steigt die Gefahr eines anaphylaktischen Schocks auf das 100-Fache. Wenn ein Patient unbedingt eine „Schmerzspritze“ will, empfiehlt sich vielmehr das Quaddeln mit Lokalanästhetikum, ergänzt durch Diclofenac per os. Bei Verstauchungen und Muskelzerrungen erreicht man auch mit topischen NSAR eine gute Analgesie – wahrscheinlich entspricht der Effekt sogar dem einer oralen Gabe. Gel wirkt dabei stärker als Creme und Diclofenac besser als Ibuprofen.
Verordnen auch Sie das falsche Diclo-Präparat?
Metamizol
Metamizol wirkt insbesondere gegen Koliken und viszerale Schmerzen gut. „Leider kommt es ganz selten zur Agranulozytose, weshalb das Präparat etwas in Verruf geraten ist“, sagte Dr. Tonn. NSAR weisen allerdings ein deutlich schlechteres Nebenwirkungsprofil auf. Die Inzidenz der Agranulozytose liegt bei 1:2 Millionen Tagesdosen. Nur 5 % der Fälle verlaufen tödlich. Ein erhöhtes Risiko tragen vor allem Frauen unter 50 Jahren. Metamizol eignet sich laut dem Kollegen also gerade für ältere Patienten.Und der Gewinner ist ...
Der Frage nach dem besten Analgetikum hat sich inzwischen auch eine Cochrane-Analyse gewidmet, die 39 frühere Cochrane-Reviews von randomisierten Studien umfasste. In den meisten Untersuchungen wurden Patienten mit postoperativen Schmerzen, z.B. nach Extraktion eines Weisheitszahns, behandelt. Am besten erwies sich die Kombination aus Ibuprofen 400 und Paracetamol 1000. Nach der Einnahme erreichten 70 % aller Teilnehmer das vordefinierte Ziel einer mindestens 50-prozentigen Schmerzlinderung. Effekt von Paracetamol und ASS hält sich in Grenzen Als Einzelsubstanz schnitt Metamizol 500 am besten ab, dicht gefolgt von schnell wirksamen Ibuprofen-400-Präparaten (retardierte sind nicht so effektiv). Fast gleichauf mit Ibu lag Diclofenac-Kalium 50 (s. Kasten). ASS und Paracetamol wirkten nur bei 10–40 % der Patienten schmerzlindernd. Dr. Tonn setzt bevorzugt Ibuprofen in niedriger Dosierung, Diclofenac Dispers und Metamizol ein.Tipps zu NSAR
- Nicht geben bei: Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz, Antikoagulation, zweimal Ulzera in der Anamnese, älteren Patienten
- bei Gastritis in der Anamnese: zusätzlich Pantoprazol 20–40 mg
- bei KHK-Risikofaktoren: kein Diclofenac, keine Coxibe, nur Naproxen (oder niedrig dosiertes Ibuprofen)
- ASS 100 zwei Stunden vor Ibuprofen oder Naproxen nehmen, sonst wirkt ASS evtl. nicht
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