Analkarzinom aktuell auf dem Vormarsch

Dr. Andrea Wülker

Immer mehr Menschen erkranken an einem Analkarzinom. Mit einem interdisziplinären Ansatz und dank verfeinerter Radiatio hat der Tumor aber eine gute Prognose – ohne Kontinenzverlust.

Das Analkarzinom macht maximal 5 % der Karzinome im Verdauungstrakt aus und ist damit ein recht seltener Tumor. Allerdings stieg die Inzidenz in den letzten Jahren an, schreiben Dr. Johannes Jongen, Proktologische Praxis Kiel, und Kollegen. Das beruht nicht zuletzt auf krankheitsbedingter oder medikamentös verursachter Immunsuppression. Darüber hinaus besteht häufig eine Assoziation zum humanen Papilloma-Virus (HPV, s. Kasten).

Randtumoren metastasieren nur über die Leiste

Je nach Lokalisation unterscheidet man Analrandkarzinome und Analkanalkarzinome, wobei die Grenze zwischen dem unverhornten Plattenepithel des Anoderms (ohne Hautanhangsgebilde) und der behaarten perianalen Haut verläuft. Tumoren am Rand metastasieren nur über die Leistenlymphknoten, während solche des Kanals zusätzlich über die pararektalen und parailiakalen Lymphknoten streuen können. Daher haben letztere auch eine etwas schlechtere Prognose.

Viele Patienten leiden nicht unter Beschwerden, sondern berichten über eine schon seit längerer Zeit bestehende "Hämorrhoide", die in letzter Zeit größer geworden sei. Manchmal fällt ein Analkarzinom bei einer gynäkologischen Untersuchung oder bei einer koloskopischen Vorsorgeuntersuchung als Knoten auf, der dann die Abklärung ins Rollen bringt. Und gelegentlich handelt es sich um einen Zufallsbefund in der histologischen Untersuchung von Operationspräparaten wie Marisken, Hämorrhoiden oder Fistelgewebe. Dies zeigt, wie wichtig es ist, einerseits alle Präparate histologisch untersuchen zu lassen und andererseits alle nicht abheilenden analen Veränderungen im Zweifelsfall zu exzidieren, mahnen die Autoren.

In vielen Fällen lässt sich die Diagnose recht einfach stellen: Beim Analrandkarzinom ist es oft eine Blickdiagnose, beim Analkanalkarzinom führen digital-rektale Untersuchung und Proktoskopie auf die richtige Spur. Eine Biopsie aus dem Tumor sichert das Ganze. Bestätigt sich der Verdacht, folgt ein gründliches Staging mit endoanaler Sonographie, MRT/CT des Beckens (mit Beurteilung der Leistenlymphknoten), CT von Thorax und Oberbauch sowie die Bestimmung des Squamous-cell-carcinoma(SCC)-Tumormarkers. Viele Pathologen führen automatisch eine HPV-Typisierung durch – falls nicht, sollte diese veranlasst werden.

Die Entscheidung über die individuell passende Therapie fällt am bes­ten in einem Tumorboard. Eine chirurgische Exzision kann bei kleinen, gut differenzierten Analrandkarzinomen genügen – vorausgesetzt, die Entfernung gelingt im Gesunden ohne Verletzung des Schließmuskels und der Patient wird im Anschluss engmaschig kontrolliert. Kontrovers diskutieren Fachkreise das Vorgehen bei Analrandkarzinomen mit einer Größe zwischen 2  und 5 cm. Während eine amerikanische Leitlinie hier eine großzügige lokale Ausschneidung für ausreichend hält, plädieren verschiedene europäische Leitlinien generell für eine kombinierte Radiochemotherapie.

Kontrollen anfangs in sechswöchigen Abständen

Tumoren des Kanals lassen sich chir­urgisch oft nicht im Gesunden entfernen, weil nur eine kurze Distanz zum Musculus ani internus besteht und daher ein Sicherheitsabstand von 5 bis 10 mm häufig nicht eingehalten werden kann. Bei unmöglicher R0-Resek­tion stellt die Radiochemotherapie die Methode der Wahl dar. Als Therapeutika kommen 5-Fluorouracil und Mitomycin C zum Einsatz. Die Strahlentherapie kann perkutan oder in Form einer lokalen Brachytherapie des Primärtumors erfolgen. Die Radiochemotherapie führt im Vergleich zur Rektumexstirpation zu besseren (und stomafreien) Überlebensraten.

Nachsorgeuntersuchungen sollten zunächst nach sechs Wochen sowie nach drei, sechs, neun und 12 Monaten stattfinden. Zu den Kontrollen gehören auf jeden Fall Inspektion des Analbereichs, digital-rektale Untersuchung, Proktoskopie/Rektoskopie, endoanale Sonographie, MRT/CT des Beckens, Abdomensonographie und SCC. Wichtig zu wissen: In den ersten Monaten nach einer Radiochemotherapie kann bei der klinischen Untersuchung durchaus noch ein Resttumor oder eine narbige Verhärtung im Analkanal tastbar sein. Doch die Wirkung der Behandlung hält auch nach Ende der Bestrahlung an, sodass eine weitere Tumorregression möglich ist.

Kleine Tumoren erreichen bei adäquater Behandlung sehr gute 5-Jahres-Überlebensraten von bis zu 100  %. Sprechen große Tumoren auf die RCT nicht an oder tritt ein Rezidiv auf, brauchen die Patienten eine Salvage-Operation (Rektum-Exstirpation). Die Überlebensraten nach einem solchen Eingriff liegen bei rund 60 %.


Quelle Text und Abb.: Jongen J, Schumacher J, Niehoff P, Kahlke V, "Analkarzinom – Aktuelle Diagnostik und Therapie", Akt Dermatol 2016; 42: 224-229, © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

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