Antikoagulation: Vor welchen Eingriffen wird ein Heparin-Bridging gebraucht

Dr. Andrea Wülker, Foto: thinkstock

Rund 700 000 Menschen in Deutschland stehen unter einer Langzeitko­agulation. Jeder Dritte von ihnen muss sich innerhalb von zwei Jahren einem Eingriff unterziehen. Wie hält man es im Einzelfall mit der Gerinnungshemmer-Pause?

Indem man eine Langzeitantikoagulation unterbricht und die Pause mit einem kurz wirksamen Gerinnungshemmer überbrückt, möchte man „blutverdünnte“ Operationskandidaten optimal schützen, schreiben Dr. Bernd Krabbe und Mitarbeiter vom Klinikum Darmstadt in der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“.

Mit solchem Bridging sollen thromboembolische Komplikationen während des Pausierens von Vitamin-K-Antagonisten (VKA) möglichst verhindert werden.

Erhöhtes Blutungsrisiko durch Bridging?

Aktuelle Leitlinien propagieren für die Zeit der VKA-Pause in der Regel ein Bridging mit niedermolekularem Heparin oder unfraktioniertem Heparin. Im Einzelfall gilt es, Nutzen und Risiken abzuwägen – je nach Art des Eingriffs, individuellem Blutungsrisiko und Thromboemboliegefahr.

Bei Patienten, die mit einem NOAK behandelt werden – Apixaban, Dabigatran, Edoxaban oder Rivaroxaban –, gelten andere periprozedurale Regeln. Denn NOAK besitzen deutlich kürzere Halbwertszeiten als VKA und lassen sich dadurch gut steuern. Deshalb wird in der Regel kein Heparin-Bridging empfohlen. Wann das jeweilige NOAK abgesetzt und später wieder gegeben werden soll, unterscheidet sich von Präparat zu Präparat und hängt auch von der Nierenfunktion des Patienten ab.


In jüngster Zeit sind gleich mehrere Studien zum Thema Bridging erschienen. In der groß angelegten, randomisierten BRIDGE-Studie erhielten auf VKA eingestellte Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) und mittlerem thromboembolischem Risiko während der VKA-Pause entweder ein niedermolekulares Heparin oder Placebo subkutan injiziert.

Das Resultat der Datenanalysen: Bridging ging mit signifikant erhöhtem Blutungsrisiko einher, doch das Risiko für thromboembolische Ereignisse nahm nicht signifikant ab. Im US-amerikanischen ORBIT-AF-Register wurden die Daten von 7372 ambulanten VHF-Patienten erfasst, die auf Warfarin eingestellt waren.


Im Beobachtungszeitraum von gut zwei Jahren benötigten 30 % dieser Patienten eine vorübergehende Unterbrechung der VKA-Antiko­agulation z.B. wegen chirurgischer, zahnärztlicher oder endoskopischer Eingriffe. 76 % der Patienten erhielten während der Warfarin-Pause kein Bridging. Letztere waren klar im Vorteil. Bridging-Patienten hingegen erlitten nicht nur häufiger Blutungen, sondern auch vermehrt kardiovaskuläre Ereignisse.Was NOAK anbelangt, wurden im Jahr 2014 Daten aus dem prospektiven deutschen Register zum periinterventionellen Management veröffentlicht.

Keine schwerwiegenden Blutungen unter NOAK 

Von gut 2000 Patienten mussten sich 595 einem oder mehreren Eingriffen unterziehen. Bei Patienten mit NOAK-Unterbrechung und Bridging war das thromboembolische Risiko nicht signifikant reduziert, das Risiko für schwere Blutungen dagegen fünffach erhöht! Bei Patienten, bei denen die NOAK-Antikoagulation wegen eines geringen Blutungsrisikos um den Eingriff herum nicht gestoppt wurde, kam es dagegen nicht zu schweren Blutungsereignissen, die Rate an kleineren Blutungen lag unter 5 %.

Ein generelles Bridging unabhängig von der Art des Eingriffs und der Risikokonstellation des Patienten erscheint nicht gerechtfertigt, betonen die Kollegen aus Darmstadt. Sie empfehlen für VKA-Patienten Folgendes:

  • Bei Eingriffen mit minimalem oder ohne Blutungsrisiko (z.B. Katarakt-OP, Herzschrittmacher-Implantation, kleiner zahnärztlicher Eingriff) kann die Antikoagulation prinzipiell fortgesetzt werden.

  • Bei Patienten mit niedrigem oder mittlerem Thromboembolierisiko könnte die Gabe einer Hochrisiko-Thromboseprophylaxe oder einer halbtherapeutischen Therapie mit niedermolekularem Heparin (NMH) – je nach Blutungsrisiko des Eingriffs – genügen.

  • Patienten mit wirklich hohem thromboembolischem Risiko (z.B. biologischer Mitralklappenersatz plus Vorhofflimmern) erhalten weiterhin eine volltherapeutische NMH-Dosis. Sobald die INR unter den Zielwert fällt, sollte mit dem NMH begonnen werden. Die letzte Dosis sollte spätestens 24 Stunden vor dem Eingriff gegeben werden, bei einmal täglicher Applikation wird die letzte Dosis halbiert.

Operaton 12 bis 24 Stunden nach der letzten NOAK-Einnahme möglich

Für NOAK empfiehlt die neue Guideline der European Heart Rhythm Association (EHRA) in der Regel kein Bridging. Bei Interventionen ohne oder mit geringem Blutungsrisiko darf die Antikoagulation weiter laufen. Wichtig ist, den Eingriff nicht im NOAK-Spitzenspiegel durchzuführen, sondern möglichst zwölf bzw. 24 Stunden nach der letzten Einnahme (je nachdem, ob das NOAK ein- oder zweimal täglich appliziert wird).

Bei allen anderen Eingriffen reicht in der Regel eine NOAK-Pause, deren Dauer sich primär nach der Art des Eingriffs und der Halbwertszeit der Substanz und damit nach der Nierenfunktion des Patienten richtet. Sobald eine sichere Blutstillung besteht, kann das NOAK wieder eingenommen werden.

Quelle: Bernd Krabbe et al., Dtsch Med Wochenschr 2016;141:157-160

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