Asciminib und Ponatinib als Optionen in der Drittlinie

DGHO 2023 Lara Sommer

Auf welche Therapie sollten CML-Patient:innen setzen, wenn TKI in der Zweitlinie scheitern? Auf welche Therapie sollten CML-Patient:innen setzen, wenn TKI in der Zweitlinie scheitern? © MQ-Illustrations – stock.adobe.com

Sollte man auf eine Inhibition multipler Kinasen oder einen anderen Bindungsmechanismus setzen, wenn TKI in der Zweitlinie scheitern? Zwei Fachleute diskutieren die Anwendungsgebiete und Vorzüge von Asciminib sowie Ponatinib.

Primär intolerante Patient:innen haben mit Asciminib die beste Chance auf eine verträgliche Therapie, stellte Dr. Fabian Lang vom Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt klar.1 Er rekapitulierte zunächst die Ergebnisse der ­ASCEMBL-Studie, die Asciminib als Drittlinienoption bei CML bestätigten. Es erreichten 45 % der Teilnehmenden einen BCR:ABL1-Wert von ≤ 1 %. Der Referent betonte, dass zum Ende des Beobachtungszeitraums noch über die Hälfte die Asciminib-Therapie fortführte, deutlich mehr als in der Bosutinib-Kontrolle. Außerdem benötigten weniger Behandelte Unterbrechungen und Dosisreduktionen. 

„Wir können Asciminib sogar relativ gut bei T315I einsetzen“, fuhr Dr. ­Lang fort. An der Phase 1 nahmen auch Patient:innen mit dieser Mutation teil und erhielten eine erhöhte Wirkstoffdosis von 200 mg täglich. Keine:r der Betroffenen befand sich zu Beginn in MMR. Innerhalb von 96 Wochen erreichten 62,2 % von ihnen den BCR:ABL1-Grenzwert, darunter auch fast 50 % der mit Ponatinib vorbehandelten Teilnehmenden. „Hier scheinen ponatinibnaive Patient:innen ein besseres Ansprechen zu zeigen, was kein schlechtes Argument dafür wäre, zuerst Asciminib in der Drittlinie einzusetzen“, fügte der Experte hinzu. Noch wichtiger findet er, dass 19 von 22 Erkrankten, die eine MMR erreichten, diese auch langfristig wahren konnten. Es traten trotz der höheren Dosis keine behandlungsassoziierten arteriellen Verschlussereignisse auf, die eine Unterbrechung oder Anpassung der Therapie erforderten.

Mittlerweile liegen auch Vier-Jahres-Daten der Phase-1-Kohorte vor. Am häufigsten berichteten die Teilnehmenden über gastrointestinale Toxizitäten, muskuloskelettale Schmerzen, Hypersensibilitätsreaktionen und Infektionen der oberen Atemwege. Hämatologische Komplikationen ließen mit der Behandlungsdauer nach. Die befürchteten Pankreastoxizitäten beschränkten sich meist auf asymptomatische Enzymerhöhungen. „Diese Labor­anomalien kriegen Sie eigentlich mit Dosisanpassungen gut hin, ohne dass die Patient:innen eine Pankreatitis entwickeln“, ordnete Dr. ­Lang ein. Nur 3,5 % mussten die Einnahme aus diesem Grund abbrechen. Insgesamt beschrieb er die Nebenwirkungen als milde und handhabbar. Gleichzeitig stieg die kumulative  Remissionsrate in diesem Zeitraum weiter.

Grenzen der Kinaseinhibition

Beide Fachleute erinnerten daran, rechtzeitig eine HSCT in Betracht zu ziehen. „Bislang werden die Patient:innen weiter nach Akzeleration transplantiert, und wir wissen, dass das Outcome dann deutlich schlechter ist“, mahnte Prof. ­Saussele.

Der direkte Vergleich fehlt

Es existiert keine Studie, in der Asciminib und Ponatinib direkt verglichen werden. In einer indirekten Analyse schnitt der neue Inhibitor allerdings bezüglich der MMR-Rate nach mindestens zwei Vortherapien besser ab. Real-Life-Daten aus dem Extended-Access-Programm für Asciminib in Spanien belegten, dass das ereignisfreie Überleben kürzer ausfällt, wenn Erkrankte mit Ponatinib vorbehandelt waren. Der Experte fand noch einen weiteren Punkt interessant: „Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie auf dieser Therapie bleiben, ist auch höher, wenn Sie vorher nicht Ponatinib hatten.“

Zusammenfassend hätten die Studienergebnisse belegt, dass es sich bei Asciminib um eine verlässliche Option in der Drittlinie handele und auch Patient:innen mit T315I-Mutation profitieren könnten. Allerdings fehlt bisher eine EMA-Zulassung für letztere Indikation. Langfristig erreichten 61,6 % eine MMR, bei milden und beherrschbaren Nebenwirkungen. Asciminib habe sich in einem Matched-Pair-Vergleich als der Konkurrenzsubstanz überlegen erwiesen. Vermutlich gilt dies besonders, wenn es vor Ponatinib verwendet wird. 

Prof. Dr. ­Susanne ­Saußele vom Universitätsklinikum Mannheim warf zunächst die Frage auf, ob der Wechsel des Medikaments im Einzelfall aufgrund einer Resistenz oder einer Unverträglichkeit erfolgt.2 Insbesondere für den ersten Fall sieht sie Ponatinib prädisponiert. 

In der abgebrochenen EPIC-Studie führte Ponatinib in der Erstlinie innerhalb von drei Monaten bei 55 % zu einer MMR, in 28 % der Fälle sogar zu einer MR4. In der ­ASCEND-Studie betrugen diese Werte für First-Line-Asciminib 48 % beziehungsweise 14 %. Bezüglich der Zweitlinie gebe es allerdings sehr viel weniger Daten. 

Um kardiovaskulären Komplikationen vorzubeugen, reduzierten die Verantwortlichen der OPTIC-Studie (Drittlinie) nach einer Startdosis von 30 mg oder 45 mg möglichst schnell auf 15 mg, sobald die Erkrankten ansprachen. Besonders für Patient:innen mit T315I-Mutation erwies sich die höchstmögliche Ausgangskonzentration als wichtig. „In der Studie gibt es sehr gute progressionsfreie und OS-Kurven, auch für diese schwer zu behandelnde Population“, fasste die Referentin die Ergebnisse zusammen und bezeichnete die Strategie als erfolgreich. Sie empfahl, beim Einsatz von Ponatinib sechs Monate auf ein Erreichen des Zielwerts zu warten, bevor Ärzt:innen einen Wechsel erwägen sollten. Allgemein habe die Substanz in Studien ihre Überlegenheit gegenüber TKI der zweiten Generation bewiesen, besonders in tatsächlich resistenten Patient:innen. 

Bezüglich des von ihrem Kollegen zitierten indirekten Wirksamkeitsvergleichs mit Asciminib ist Prof. Saussele sehr skeptisch, da sie signifikante Unterschiede zwischen den Kohorten annimmt. Wenn sie trotzdem Ansprechraten vergleiche, seien diese in OPTIC nach einem Jahr ähnlich wie unter Asciminib nach 96 Wochen. „Und das in einem Patient:innenkollektiv mit mehr Resistenzen“, ergänzte die Expertin. In der Drittlinie handele es sich dabei zunehmend auch um BCR:ABL1-unabhängige Mechanismen. 

Der Multikinaseinhibitor hat, arterielle thrombotische Ereignisse ausgeklammert, gemäß der Referentin ein recht moderates Nebenwirkungsprofil: „Ich erlebe im klinischen Alltag, dass Ponatinib eigentlich gut verträglich ist.“ Dies betreffe auch Erkrankte, deren vorherige TKI Beschwerden verur­sachten. Kardiovaskuläre Toxizitäten ließen sich beherrschen, sofern man Patient:innen sorgfältig selektiert und betreut sowie zusammen mit Kardiolog:innen die Risikofaktoren gut einstellt. „Dann ist die Gefahr, ein kardiovaskuläres Event zu erleiden, recht gering“, urteilte Prof. ­Saussele. Das Vorgehen aus der OPTIC-Studie, welches eine frühestmögliche Dosisreduktion vorsieht, erzielt schon deutlich geringere Raten an Komplikationen.

Alles in allem sprächen bei Vorliegen einer biologischen Resistenz, insbesondere einer T315I-Mutation, zahlreiche Argumente für Ponatinib. Sofern Mediziner:innen Komorbiditäten beachteten, sei die Substanz sicher. Prof. Saussele erwähnte abschließend, dass zumindest in Zellkultur eine Kombination beider Substanzen zu synergistischen Effekten führte. Dies galt auch für schwer behandelbare Compound-Mutationen.

Quellen:
1. Lang F. DGHO Jahrestagung 2023; Diskussion „CML – Asciminib oder Ponatinib in der Drittlinientherapie? Pro Asciminib“
2. Saussele S. DGHO Jahrestagung 2023; Diskussion „CML – Asciminib oder Ponatinib in der Drittlinientherapie? Pro Ponatinib“

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