Bei der Diagnose ist detektivisches Gespür gefragt

Manuela Arand

Bei diesem Patienten mit Erdheim-Chester-Disease findet sich eine Knochenbeteiligung an der Schädelbasis: Osteosklerosen und Knochenerosionen deutlich zu erkennen. Bei diesem Patienten mit Erdheim-Chester-Disease findet sich eine Knochenbeteiligung an der Schädelbasis: Osteosklerosen und Knochenerosionen deutlich zu erkennen. © Science Photo Library/Zephyr

Pneumologische Diagnostik kann zum Puzzle werden, vor allem wenn es sich um eine seltene Erkrankung handelt und die Befunde nicht eindeutig ausfallen. Bei der Histiozytose ist solch eine Konstellation gegeben.

Histiozytosen zählen per se zu den seltenen Erkrankungen. Erschwerend kommt hinzu, dass es mehr als 100 Subtypen und ein breites Spektrum von Manifestationen gibt. Diese reichen von lokal bis disseminiert, von harmlos bis lebensbedrohlich. Unterschieden werden derzeit fünf Gruppen, erläuterte Professor Dr. Dirk Koschel, Fachkrankenhaus Coswig und Universitätsklinikum Dresden. Für Pneumologen relevant ist vor allem die Gruppe L, zu der die Langerhanszell-Histiozytosen (LCH) zählt, aber auch die Erdheim-Chester-Disease (ECD).

LCH wie ECD können klonale Mutationen aufweisen. Sie betreffen in acht von zehn Fällen den MAP-Kinase-Pathway, v. a. das Protoonkogen BRAF-V600E, das in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem malignen Melanom, aber auch einer Reihe anderen solider und hämatologischer Neoplasien von sich reden gemacht hat. Bei der ECD finden sich typischerweise CD68+/CD1- Histiozyten in diversen Organen.

Die Lunge kann bei vielen Histio­zytosen beteiligt sein, was prognostische Relevanz besitzt. Bei der ECD finden sich – wie auch bei einer jungen Patientin von Prof. Koschel (siehe Kasten) – in der HRCT verbreiterte Septen zwischen den Lungenlappen, häufig auch Milchglasflecken und zentrilobuläre Verdichtungen. 

Ein Fall von Erdheim-Chester

Als eine 37-jährige Nichtraucherin sich bei Prof. Koschel vorstellte, hatte sie schon einige Jahre pulmonaler Symptome und Diagnosen hinter sich: 2014 begann ihre „Karriere“ mit Husten und Dyspnoe bei Belastung, gefolgt von einer „Bronchitis“, die man stationär behandelte. Wenige Monate später wurde anhand des HRCT-Befunds der Verdacht auf eine interstitielle Lungenerkrankung gestellt. Außer einer chronischen Sinusitis gab es keine weiteren Vorerkrankungen, berichtete der Arzt. Im Labor fiel ein deutlich erhöhtes CRP auf, Rheumaserologie und NT-proBNP waren unauffällig. Als stark eingeschränkt erwies sich die Lungenfunktion mit einer TLC von 44 %,einer FVC von 31 % und einer DLCO von 50 %. Bereits in Ruhe hatte die Frau eine leichte Dyspnoe (pO2 8,8 kPa) die sich unter Belastung verstärkte. Eine erneut durchgeführte HRCT zeigte, dass die interlobulären Septen verbreitert waren, v.a. in den Oberlappen, und sich im rechten Pleuraspalt ein Erguss gebildet hatte. „Gar nicht so spektakulär angesichts der deutlichen Lungenfunktionseinschränkung“, meinte Prof. Koschel. Da die Bronchoskopie mit Biopsie und die Analyse des Pleuraergusses ohne wegweisende Befunde blieb, entschloss man sich zur VATS mit Biopsie. In viszeraler und parietaler Pleura fand man histopathologisch dichte histiozytäre Infiltrate, ebenso im angrenzenden Parenchym. Bei der erneuten Befragung der Patientin zeigte sich, dass die Anamnese doch nicht so leer war, wie es anfangs schien. Es waren bereits diverse Knochenuntersuchungen erfolgt inklusive MRT, Szintigraphie und Biopsie, die Infiltrate und aktive Herde unterschiedlicher Lokalisation sowie Zeichen einer „unspezifischen Sklerosierung“ ergeben hatten. Die Nachbefundung durch den Coswiger Pathologen ergab, dass auch in der Wirbelkörperbiopsie Histiozyten dicht an dicht lagen. Angesichts der Immunhistochemie legte sich das interdisziplinäre Board schließlich auf die Erdheim-Chester-Disease fest, eine Form der Non-Langerhanszell-Histiozytose.

Typisch für Erdheim-Chester ist der Sinus-maxillaris-Befall

Außer der Lunge manifestiert sich die ECD an vielen anderen Organen, klinisch vor allem an Knochen und ZNS. Neben der HRCT sollte unbedingt eine PET-CT veranlasst werden, weil sich damit eine Beteiligung der langen Röhrenknochen oder des Gesichtsschädels nachweisen und das Ansprechen auf die Therapie dokumentieren lässt. Charakteristisch für die ECD ist der Befall der Sinus maxillaris mit osteosklerotischem Umbau der knöchernen Wand. Unverzichtbar ist ferner die Mutationsanalyse von BRAF und anderen MAP-Kinasen (NRAS/KRAS), weil das Ergebnis therapeutische Konsequenzen nach sich zieht. Große Studien, welche die Therapie leiten könnten, gibt es naturgemäß zu einer derart seltenen Entität nicht, wohl aber aktuelle, recht differenzierte Konsensusempfehlungen.1 Liegt eine BRAF-Mutation vor, stehen dagegen gerichtete Inhibitoren wie Vemurafenib oder Dabrafenib an erster Stelle. Für Patienten mit BRAF-Wildtyp mit kardialer/neurologischer Manifestation oder Endorganschäden wird als Erstlinientherapie ein MEK-Inhibitor empfohlen.

Lungenfunktion unter Therapie gut erholt

Bei Prof. Koschels Patientin stimmte die Krankenkasse der Behandlung mit Cobimetinib zu, die jedoch aufgrund kardialer Nebenwirkungen auf Trametinib umgestellt werden musste. Seit drei Jahren ist die Patientin unter dieser Behandlung stabil mit gut erholter Lungenfunktion (TLC 71 %, FVC 61 %, DLCO 73 %, pO2 in Ruhe 9,8 kPa) und nahezu normalem CRP. Die kutanen Nebenwirkungen sind dank dermatologischer Mitbetreuung im Griff. Auch das Bild in der PET-CT zeigt ein sehr gutes Ansprechen des Knochenbefalls. Prinzipiell kommen neben solchen spezifischen Inhibitoren je nach Befallsmuster und Krankheitsverlauf auch andere Therapien infrage. Das Spektrum reicht von Nichtstun über MS-Therapeutika wie Interferon oder Cladribin bis hin zum Interleukin-1-Rezeptorblocker Anakinra. Standard sind heute aber BRAF- bzw. MEK-Inhibitoren. „Darunter erzielen wir die besten Erfolge“, so Prof. Koschel. Sein Fazit: Bei unklaren histiozytären Infiltraten – egal wo – sollte man immer auch Langerhanszell-Histiozytose und Erdheim-Chester-Disease im Hinterkopf haben und danach suchen. Das erspart den Patienten womöglich Jahre mit unspezifischen Symptomen und frustraner Organdiagnostik quer durch die Innere Medizin. 

Quelle: 127. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin*

* Online-Veranstaltung

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Bei diesem Patienten mit Erdheim-Chester-Disease findet sich eine Knochenbeteiligung an der Schädelbasis: Osteosklerosen und Knochenerosionen deutlich zu erkennen. Bei diesem Patienten mit Erdheim-Chester-Disease findet sich eine Knochenbeteiligung an der Schädelbasis: Osteosklerosen und Knochenerosionen deutlich zu erkennen. © Science Photo Library/Zephyr