
Bei der Versorgung hapert es gewaltig

Zwölf Jahre: So lange dauert es in etwa, bis die Diagnose einer Acne inversa steht, berichtete Dr. Beate Schwarz von der Hautarztpraxis Langenau. Zu den Gründen dafür gehören u.a. mangelnde Erfahrung von Ärzten mit der Erkrankung, Überweisungen zu den falschen Fachärzten oder einfach Fehldiagnosen. Und selbst wenn die Patienten dann behandelt werden, sind Auswertungen aus dem Internet zufolge 13 % von ihnen frustriert wegen einer ineffektiven Therapie. Nur 9 % zeigen sich in der Hoffnung auf Besserung willens, die Empfehlungen der Ärzte weiter zu befolgen.
Die Acne inversa führt zu erheblichen Belastungen, die Lebensqualität ist im Dermatologischen Lebensqualitäts-Index bei mittlerer Krankheitsschwere (Hurley II, s. Kasten) so stark vermindert wie bei einer mittelschweren bis schweren Psoriasis und insgesamt deutlich mehr als bei anderen dermatologischen Erkrankungen. 40 % der Patienten leiden an einer depressiven Verstimmung, bei einer Psoriasis sind es „nur“ 16,9 %.
Die Beeinträchtigungen der Lebensqualität korrelieren mit Schmerz, Schweregrad, Krankheitsdauer, Anzahl der betroffenen Körperstellen und Progression. Aber auch Geruchsbelästigung, Angst, soziale Isolation oder Bewegungseinschränkungen wirken sich auf das seelische Befinden aus. Die Arbeitsfähigkeit leidet ebenfalls deutlich: Im Durchschnitt fallen die Betroffenen 58,1 Tage pro Jahr aus. Gründe genug, immer wieder über die Erkrankung aufzuklären, um die Versorgungssituation zu verbessern, meinte Dr. Schwarz.
Die Beschwerden beginnen meist in der Pubertät
Die Acne inversa hat in Europa eine Prävalenz von ca. 1 %, das Geschlechterverhältnis männlich/weiblich beträgt 1:1 bis 1:1,5. Erste Symptome treten meist während oder nach der Pubertät auf, der Altersgipfel liegt bei 25 Jahren, mit der Menopause klingen die Beschwerden in der Regel ab. Dr. Schwarz nannte folgende Risikofaktoren für die Erkrankung:
- Rauchen: korreliert mit dem Schweregrad (Odds Ratio, OR, 12,55)
- Übergewicht: korreliert mit dem Schweregrad (OR 4,42)
- Familienanamnese: positiv bei 40 % der Patienten
- Medikamente: Lithium
- mechanische Irritation: z.B. Reibung
- Hormonstatus: prämenstruelle Exazerbation, Besserung zu Beginn der Wechseljahre
Die Zusammenhänge mit Hormonen wurden bereits in vielen Studien genauer untersucht. In manchen zeigte sich eine Besserung durch eine antiandrogene Therapie, statistisch belegbare Bezüge zur Hyperandrogenämie existieren aber nicht. Die im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel reduzierten Spiegel der Zytokine Interleukin-1 und TNF-a könnten die Besserung einer Acne inversa in diesem Zeitraum erklären. Außerdem hat Östrogen einen hemmenden Einfluss auf Th1- und Th17-Zellen und wirkt so antiinflammatorisch – auch das ein möglicher Grund für die Symptombesserung in der Schwangerschaft.
Die Acne inversa tritt gehäuft mit bestimmten Komorbiditäten auf: Bis zu 56 % der Betroffenen leiden gleichzeitig an einer Spondylarthropathie, bis zu 40 % an einem metabolischen Syndrom, bis zu 38 % an einem M. Crohn. Umgekehrt haben 16–23 % der Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung auch eine Acne inversa. Ein polyzystisches Ovarialsyndrom findet sich bei 38 % der Patientinnen, während es sonst bei kaukasischen Frauen im gebärfähigen Alter eine Prävalenz von 5,5 % hat. Für Acne-inversa-Kranke besteht außerdem ein um 50 % größeres Risiko für bösartige Tumoren als in der alters- und geschlechtsadjustierten Allgemeinbevölkerung.
Typische Frühsymptome sind Pruritus, lokale Überwärmung, Hyperhidrose und schmerzhafte subkutane Knoten, nur selten liegt eine bakterielle Besiedelung vor. Die Krankheit beginnt an diesen klassischen Prädilektionsstellen:
- axillär: 72% der Patienten
- perianal: 32 %
- inguinal: 24 %
- submammär: 8 %
Im Verlauf wird die Entzündung chronisch und hinterlässt schließlich bleibende Schäden. Zur Diagnose gehören neben der Inspektion und Palpation ggf. die Fistelsondierung sowie Sonografie oder MRT, um herauszufinden, wie weit die Läsionen in die Tiefe reichen.
Zur Einteilung der Schweregrade existieren verschiedene Scores, als klinisches Klassifikationssystem hat sich der Hurley-Score bewährt (s. Kasten). Nach der – inzwischen abgelaufenen – S1-Leitlinie richtet sich die Therapie nach diesen Hurley-Stadien:
- Stadium I: systemische Therapie (z.B. Clindamycin, Minocyclin)
- Stadium II: medikamentöse Therapie plus Exzision lokal begrenzter Läsionen (auch Rezidive)
- Stadium III: radikale, großflächige und tiefe operative Exzision
Für die Stadien II und III sind als Biologika Adalimumab und Secukinumab zugelassen.
Der Hurley-Score
-
Stadium I: einzelne Abszesse, keine Fistelgänge und Vernarbungen
-
Stadium II: ein oder mehrere weit auseinander liegende Abszesse mit Fistelgängen und Narbenbildung
-
Stadium III: flächiger Befall mit Abszessen, Fistelgängen und Narbenzügen
Licht, Clindamycin und Steroidinjektion helfen
In die neue Leitlinie wird nach Aussage von Dr. Schwarz die lAight ®-Therapie aufgenommen werden, eine physikalische Therapie, die sowohl Licht- als auch Radiofrequenzwellen verwendet. Topisch kann eine begleitende Behandlung mit Clindamycin erfolgen, intraläsionale Steroidinjektionen sind ebenfalls eine Option.
Die besten Erfolge lassen sich durch eine stadiengerechte Mischung aus systemischer Therapie und OP erzielen. Entscheidend ist es aber, sie an das inviduelle Profil der Patienten anzupassen und Komorbiditäten zu berücksichtigen, betonte die Dermatologin.
Quelle: Kongressbericht 6. Nürnberger Wundkongress
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).