
Bei NSCLC-Patienten mit zweifacher Allergie langsam die Toleranz steigern

Ein 59 Jahre alter Exraucher (60 Packungsjahre) erhielt im Mai 2023 die Erstdiagnose eines nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC). Es hatten sich bereits Knochenmetastasen unter anderem im Unterkiefer gebildet sowie Absiedelungen im ZNS und in der Nebennierenrinde. Die histologische Sicherung anhand der Unterkiefermetastase ergab ein TTF1-negatives Adenokarzinom vom intestinalen Typ, primär der Lunge. Die PD-L1-Expressionsanalyse fiel negativ aus. Auch fanden sich keine Mutationen, die Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Therapie geboten hätten. So blieb als systemische Behandlungsoption lediglich die Standardchemo mit einer Platindoublette in Kombination mit Pembrolizumab.
Nach der Prämedikation mit Dexamethason, Dimetinden und Famotidin vertrug der Patient den ersten Zyklus mit Carboplatin (5 AUC), Paclitaxel (200 mg/m²) und Pembrolizumab (200 mg) gut, berichtete Dr. Carlo Mümmler von der pneumologischen Klinik der Ludwig-Maximilian-Universität München. Daraufhin wurde der zweite Zyklus einen Monat später in der Tagesklinik der LMU geplant. Nach derselben Vormedikation wie beim ersten Mal verlief die Infusion von Pembrolizumab problemlos. Aber kurz nach Beginn der Paclitaxel-Gabe entwickelte der Patient eine allergische Reaktion mit Dyspnoe und Giemen. Mithilfe von Prednisolon, Dimetinden, Ipratropiumbromid/Salbutamol und O2 gelang es, ihn wieder zu stabilisieren. Zur weiteren Überwachung wurde er stationär aufgenommen.
Am Folgetag sollte er die noch ausstehenden Dosen Carboplatin und Gemcitabin (statt Paclitaxel) erhalten. Die Infusion von Gemcitabin verlief ohne Komplikationen, doch während der Carboplatin-Gabe kam es zu einer fulminanten anaphylaktischen Reaktion mit Dyspnoe, Bronchospasmus und Kreislaufinsuffizienz. Die Ärzte verabreichten Adrenalin, Prednisolon, Dimetinden und O2 und alarmierten das REA-Team. Der Patient musste intubiert werden und war beatmungspflichtig, der Tubus konnte aber bereits am folgenden Tag wieder entfernt werden.
Die behandelnden Ärzte sahen sich vor ein Dilemma gestellt: Der Patient hatte sowohl auf das Taxan als auch auf die Platinsubstanz reagiert. Sollte die Therapie ganz beendet oder die Immuntherapie allein fortgeführt werden, obwohl keine erhöhte PD-L1-Expression nachgewiesen worden war? Das Team schlug dem Patienten eine Toleranzinduktion vor, um die Chemotherapie doch fortführen zu können. Er entschied sich aber angesichts eines deutlichen Progresses für die Änderung des Therapieziels auf Best Supportive Care. Dadurch war es ihm möglich, sich einen großen Wunsch zu erfüllen und noch einmal gemeinsam mit seiner Frau nach Sizilien zu fahren. Nach der Rückkehr aus Italien wurde er an eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung angebunden.
Taxane und Platinderivate gehören zu den Chemotherapeutika mit den höchsten Inzidenzen im Hinblick auf allergische Reaktionen. Die Unverträglichkeit von Taxanen macht sich meist schon im ersten oder zweiten Zyklus bemerkbar, die auf Platinderivate eher später, erklärte Dr. Mümmler. Bei schweren Reaktionen gibt es die Möglichkeit, die Therapie mittels Toleranzinduktion sicher und effektiv fortzuführen. Bei dieser „Rapid Drug Desensitization“ wird das Medikament schrittweise in extrem langsamer Infusionsgeschwindigkeit eingeführt und allmählich gesteigert. Typischerweise werden zwölfstufige Protokolle mit drei Verdünnungen (1:100, 1:10 und 1:1) und einer Verdoppelung der Infusionsgeschwindigkeit zwischen den einzelnen Schritten beschrieben. Die Effektivität der Chemotherapie wird dadurch nicht vermindert, betonte Dr. Mümmler. Allerdings müsse jeder weitere Zyklus erneut mit einer Toleranzinduktion beginnen. Das sei dann aber auch auf der Normalstation möglich.
Quelle: Kongressbericht 64. Kongress der DGP (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin)
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