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Bei Stuhlinkontinenz helfen Beckenbodentraining, Flohsamen und feuchtes Toilettenpapier
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Die Behandlung einer Stuhlinkontinenz fängt damit an, dass Sie dem Patienten erklären, was bei ihm „nicht stimmt“. Denn wenn der Betroffene nicht versteht, warum er welche Maßnahmen befolgen soll, geht der Therapieerfolg oft flöten, betonen Dr. Peter Studer von der Universitätsklinik für viszerale Chirurgie und Medizin des Inselspitals Bern und seine Kollegen. Die weitere Therapie bauen Sie auf
- Ernährung und Verhalten
- Hygiene
- Training und
- Medikamente
Erst wenn das alles ausgereizt ist, kommen invasivere Maßnahmen ins Spiel.
Die Ernährung bildet den Grundpfeiler der Therapie, meinen die Schweizer Kollegen. Der Patient sollte auf alles verzichten, was die Kontinenz beeinträchtigt. Dazu gehören u.a. Alkohol und koffeinhaltige Getränke, sehr fette oder sehr stark gewürzte Mahlzeiten, ein exzessiver Konsum von Früchten und Produkten mit künstlichen Süßstoffen. Wenn der Patient nicht genau weiß, worauf er empfindlich reagiert, hilft vielleicht ein Ernährungstagebuch, ergänzt durch ein Stuhlprotokoll.
Das FODMAP-Ernährungskonzept trägt dazu bei, den Stuhlgang zu regulieren und die Beschwerden zu verringern. Dabei gilt Zurückhaltung bei „fermentierbaren Oligo-, Di- und Monosacchariden sowie Polyolen“ – dazu zählen etwa Obst (Fruktose) und Milch (Laktose). Und schließlich empfiehlt es sich, den Darm möglichst immer zum gleichen Zeitpunkt des Tages zu entleeren.
Inkontinenzeinlagen schonen die Haut
Ein weiteres Grundprinzip: Hygiene. Das bedeutet nicht, den After nach jedem Stuhlgang exzessiv mit trockenem Toilettenpapier abzurubbeln – das ist eher kontraproduktiv. Denn es führt zu Hautläsionen und verschlechtert die Symptomatik.
Stattdessen raten die Experten zu Feuchttüchern oder Abduschen. Wenn nötig, können Sie Inkontinenzeinlagen verschreiben – die schonen nicht nur die Kleidung, sondern auch das Anoderm. Bei sehr trockener Haut sollte der Patient nach dem Stuhlgang ein Hautschutzpräparat auftragen, z.B. Zinksalbe. Sinnvoll in jedem Fall: ein Beckenbodentraining.
Die Übungen können die Betroffenen selbst erlernen und durchführen. Eine spezialisierte Beckenbodenphysiotherapie mit Biofeedback, die nach einer Anleitungsphase durch Experten genauso in Eigenregie funktioniert, verspricht ebenfalls Erfolg. Ziel ist die spezifische Stärkung der Muskulatur und deren isolierter Innervation. Außerdem steigt die Wahrnehmung von Dehnungsreizen im Rektum und die an der Entleerung teilhabenden Strukturen arbeiten besser zusammen. Beckenbodentraining nutzt nichts bei großen strukturellen Läsionen, isolierter Insuffizienz des inneren Sphinkters, Überlaufinkontinenz und neurologischen Schäden im Sphinkterbereich.
Flohsamen nur bei gut dehnbarem Rektum
An den Beginn der weiteren medikamentös-konservativen Therapie setzen die Autoren die Stuhlregulation – also alles, was zu regelmäßigen Stuhlgängen von normaler Konsistenz führt. Insbesondere empfehlen sie Flohsamen – allerdings sollte man eher die Finger davon lassen, wenn die rektale Dehnbarkeit verringert ist, z.B. bei Proktitis, Strikturen oder Stenosen. Bei überwiegend flüssigen Stühlen wirkt zwar Loperamid – aber vorher müssen Sie andere Ursachen der Diarrhöen ausschließen, z.B. ein Gallensäureverlustsyndrom.
Forschung am Kunstsphinkter
Nur wenn alle Stricke reißen, kommen interventionelle Maßnahmen infrage. Hier scheint vor allem die sakrale Neuromodulation über einen implantierten Stimulator vielversprechend, die auch bei neurologischer Genese der Inkontinenz wirkt. Die perkutane tibiale Nervenstimulation bietet ebenfalls eine Option.
Ansonsten bleibt die Möglichkeit der Sphinkterplastik. Bei ausgedehnten peripartalen Traumata oder Pfählungsverletzungen sollte sie so bald wie möglich erfolgen, um akzeptable Langzeitergebnisse zu erreichen. Gracilisplastiken oder künstliche Sphinktersysteme können in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen, Methoden wie der magnetische Sphinkter, die Implantation von Kunststoffmaterialien oder die Injektion von autologen Myoblasten befinden sich derzeit noch in der Erprobung.
Quelle: Studer P et al. Swiss Medical Forum 2019; 19: 349-353
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