
Benzodiazepine: Missbrauchspotenzial und Nebenwirkungen nicht unterschätzen

Gerade in der Akut-Psychiatrie werden Benzodiazepine breit angewendet, z.B. bei Angststörungen und Erregungszuständen im Rahmen von Psychosen, bei komorbiden Schlafstörungen oder zu Beginn einer antidepressiven Behandlung. Ihre sedierende Wirkung ist zwar bei den genannten Indikationen in der Regel erwünscht, hat allerdings auch ihren Preis. Bereits eine kurzfristige Benzodiazepin-Einnahme sorgt für Defizite und beeinträchtigt das Gedächtnis bis hin zur anterograden Amnesie, schreibt Dr. Paul Kokott, niedergelassener Allgemeinmediziner aus Salzgitter. Auch Autofahren, das Bedienen komplizierter Maschinen oder andere komplexe psychomotorische Abläufe funktionieren unter ihrem Einfluss nicht mehr reibungslos und das Risiko für Unfälle und Verletzungen steigt. Bei Senioren erhöht sich die Sturzgefahr, was oft mit Komplikationen (Schenkelhalsbrüche) verbunden ist.
Bei Älteren können die Präparate stimulierend wirken
Als Hauptnebenwirkung der Benzodiazepine nennt der Kollege eine dosisabhängige übermäßige Sedierung, die sich u.a. durch Benommenheit, Konzentrations- und Koordinationsstörungen oder Verwirrtheit bemerkbar macht. Unangenehm sind zudem ein „Hangover-Effekt“ am nächsten Morgen oder – bei Langzeitanwendung – eine emotionale Abstumpfung und depressive Verstimmungen. Insbesondere bei älteren Patienten können die Medikamente paradoxerweise stimulierend wirken und Erregungs- und Angstzustände, Schlaflosigkeit oder Albträume hervorrufen.
Was passiert, wenn Patienten eine zu hohe Dosis eingenommen haben? Als Hinweise auf eine Benzodiazepin-Intoxikation gelten eine reduzierte Vigilanz, ein verminderter Muskeltonus („weiche Knie“), aber auch Ataxie oder Dysarthrie. Laut Dr. Kokott ist eine Bewusstseinsstörung bei erhaltenen Vitalfunktionen und fehlenden neurologischen Ausfällen für solche Intoxikationen typisch.
Vorsicht, Gewöhnungseffekt!
Dosis wöchentlich um 10–25 % reduzieren
Wenn Patienten ihr Benzodiazepin nach längerer Einnahme plötzlich absetzen, kann es zu Beschwerden wie Angst, Schlaflosigkeit und Albträumen oder zu vegetativen Zeichen wie Schwitzen, Tremor und Tachykardie kommen. Zu den möglichen Entzugssymptomen gehören aber auch generalisierte Krampfanfälle, Fieber und psychotische Zustände. Letale Verlaufe sind nicht ausgeschlossen. Die Entzugsbehandlung bei Benzodiazepin-Abhängigkeit kann in verschiedenen Settings erfolgen. Für die ambulante Entzugstherapie wird empfohlen, kurz wirksame Benzos auf eine Äquivalenzdosis eines mittel- bis lang wirksamen Präparats umzustellen (z.B. auf Oxazepam oder Diazepam). Es ist ratsam, die Dosierung über vier bis zehn Wochen langsam zurückzunehmen, wöchentlich sollte um 10–25 % der Ausgangsmenge reduziert werden. Hilfreich ist eine begleitende Psychotherapie. In einigen Fällen kommt eine ambulante Entzugstherapie allerdings nicht infrage. Dazu gehören:- Hochdosis-Abhängigkeit
- schwerwiegende Entzugssymptomatik
- schlechter Allgemeinzustand
- psychiatrische Begleiterkrankung
- zusätzliche Alkohol- oder Drogenabhängigkeit
Quelle: Kokott P. internistische praxis 2021; 63: 514-521
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