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Blasen und Nekrosen durch Krebstherapie

Die Indikationen für Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) reichen inzwischen vom Melanom über den Blasenkrebs bis hin zum Mammakarzinom. Durch ihren immunstimulierenden Wirkmechanismus triggern ICI allerdings nicht nur die Abwehr des Organismus gegen Tumorzellen. Sie lösen häufig auch immunologisch vermittelte Nebenwirkungen aus, die oft erst lange nach Behandlungsbeginn einsetzen. Hautreaktionen finden sich beispielsweise bei bis zu 37 % der mit ICI behandelten Patienten, schreiben die Dermatologinnen Dr. Susanne Triebswetter und PD Dr. Mirjana Ziemer vom Universitätsklinikum Leipzig. Schwere Befunde mit Blasenbildung und Ablösung der Haut sind zwar selten, können aber eine Unterbrechung oder sogar Beendigung der onkologischen Therapie erfordern. Vier bullöse Dermatosen sind relevant.
Alternative Medikamente, die bullöse Dermatosen auslösen können (Auswahl) | |
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Dermatose | Substanzen |
bullöses Pemphigoid | Gliptine, Schleifendiuretika, Penicillin (derivate) |
Radiation Recall Dermatitis | klassische Zytostatika, „Targeted Therapies“, Tamoxifen, Antibiotika, Statine |
lichenoides Arzneitmittelexanthem | ACE-Hemmer, Thiaziddiuretika, Betablocker, Antimalariamittel |
epidermale Nekrolyse | Allopurinol, Carbamazepin |
Bullöses Pemphigoid
Etwa 2 von 1.000 mit ICI behandelten Patienten entwickeln ein bullöses Pemphigoid. Betroffen sind meist ältere Männer, die nach einer Prodromalphase mit Juckreiz, Erythemen und Plaques das Vollbild der Reaktion zeigen: pralle hämorrhagische oder seröse Blasen (die allerdings bei etwa jedem vierten Kranken fehlen) auf ausgedehnten Erythemen oder urtikariellen Plaques, vor allem an den Extremitäten, teils auch am Stamm (Abb. 1). Eine Schleimhautbeteiligung findet sich in bis zu jedem dritten Fall. Die Latenz zwischen ICI-Gabe und Dermatose kann 22 Wochen bis zwölf Monate betragen, eventuell beginnt sie sogar erst, wenn die onkologische Therapie bereits beendet ist. Das Nikolski-II-Zeichen (siehe Kasten rechts oben) ist positiv.
Radiation Recall Dermatitis (RRD)
Diese Hautreaktion auf Immuncheckpoint-Inhibitoren entwickelt sich in zuvor bestrahlten Bereichen. Das juckende, flächige Erythem kann im schlimmsten Fall in Ulzerationen und Nekrosen übergehen (Abb. 2). Die Bandbreite der Intervalle zwischen Bestrahlung bzw. Medikation und Hautveränderungen reicht von wenigen Wochen bis zu mehreren Jahren.
Lichenoides Arzneimittelexanthem
Bevorzugt betroffen sind Stamm und Streckseiten von Armen und Beinen. Das Exanthem manifestiert sich symmetrisch mit Maculae und rötlich-lividen Papeln (Abb. 3), selten sind die Schleimhäute beteiligt. Quälend für die Patienten ist ein starker Juckreiz. Bei schwerem Verlauf sind Ablösungen der Epidermis möglich, wobei der Allgemeinzustand des Kranken besser ist als bei toxischen Epidermolysen. Vom Start mit ICI bis zur Hautreaktion vergehen Wochen bis zu einem Jahr. Das Nikolski-I-Zeichen kann positiv ausfallen.
Epidermale Nekrolyse
Der Begriff umfasst das frühere Stevens-Johnson-Syndrom und toxisch epidermale Nekrolysen. Es handelt sich um die schwerste, aber sehr seltene Dermatose im Rahmen einer ICI-Gabe, die bei großflächiger Ausprägung letal verlaufen kann. Nach einer Prodromalphase mit unspezifischem, schwerem Krankheitsgefühl zeigen sich symmetrische, schmerzhafte gerötete Maculae im Gesicht, am Oberkörper und an den proximalen Extremitäten. Im Anschluss konfluieren die Veränderungen, es kommt zur gefürchteten Epidermolyse. Bei neun von zehn Patienten schließt die Reaktion die Schleimhäute mit ein. Nikolski I ist positiv. Von der onkologischen Therapie bis zur Dermatose dauert es zwischen vier Tagen und vier Wochen. Bei Verdacht sollte das Dokumentationszentrum schwerer Hautreaktionen der Universität Freiburg kontaktiert werden.
Bei allen Erkrankungen ist die histologische Diagnosesicherung erforderlich. Das verdächtigte Medikament muss (zunächst) abgesetzt werden. Zuvor ist unbedingt zu prüfen, ob evtl. die Komedikation die Hauterscheinungen ausgelöst hat.
Nikolski hilft bei der Diagnose
- Ist das Nikolski-I-Phänomen positiv, entstehen durch tangentiales Reiben der gesund erscheinenden Haut Blasen oder Erosionen.
- Ein positives Nikolski-II-Zeichen bedeutet, dass sich bereits bestehende Blasen seitlich verschieben lassen.
Die Therapie erfolgt meist symptomatisch mit lokalen, bei schwerem Krankheitsbild auch mit systemischen Kortikosteroiden. Bleiben diese erfolglos, kann man beim bullösen Pemphigoid Dapson, Rituximab und i.v. Immunglobuline versuchen. Gegen Mukositiden helfen steroidhaltige, analgetische Mundspüllösungen. Bei epidermaler Nekrolyse muss der Kranke oft auf der Intensivstation behandelt werden, sind mehr als 30 % der Haut betroffen, in einem Verbrennungszentrum.
Nach geheilter Dermatose ist im Fall einer Radiation Recall Dermatitis die erneute ICI-Gabe meist problemlos möglich. Nach lichenoidem Exanthem und bullösem Pemphigoid können ICI – eine engmaschige klinische Kontrolle vorausgesetzt – in Erwägung gezogen werden. Kontraindiziert ist eine Wiederaufnahme der ICI-Therapie bei allen Formen der epidermalen Nekrolyse.
Quelle: Quelle Text und Abb.: Triebswetter S, Ziemer M. internistische praxis 2023; 66/4: 693-707 © Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach
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

