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Schwere bullöse Dermatosen müssen ins Verbranntenzentrum

Gravierende bullöse Hauterscheinungen sind in der Mehrzahl der Fälle medikamenteninduziert. Es handelt sich aber nicht um eine Sensibilisierung, betonte Professsor Dr. Maja Mockenhaupt von der Klinik für Dermatologie und Venerologie am Universitätsklinikum Freiburg. Daher kommt es in der Regel ohne Vorwarnung im Rahmen des ersten Behandlungszyklus zu diesen Reaktionen.
Als klassische Krankheitsbilder kennt man das Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und die toxische epidermale Nekrolyse (TEN). Das SJS befällt weniger als 10 % der Körperoberfläche (KOF), die TEN mehr als 30 %. Blasen und Erosionen mit einer Ausdehnung zwischen 10 und 30 % der KOF gelten als Übergangsform. Die Reaktionen beginnen meist etwa 14 Tage nach Beginn der Medikamenteneinnahme. SJS und TEN erleiden etwa 1–2 Menschen pro 1 Million Einwohner pro Jahr. Die Letalität beträgt insgesamt für alle Formen 25 %, bei einer TEN mit Maculae steigt sie auf ca. 45 %, bei über 65-Jährigen mit TEN auf ca. 70 %.
Es gibt keine spezifischen Laborparameter
Die Diagnose gelingt oft aufgrund des typischen klinischen Erscheinungsbildes. Streift man mit der Hand oder dem Spatel über die Läsionen, löst sich die Haut ab (Nikolski-Phänomen). Außerdem gibt es charakteristische histologische Befunde. Spezifische Laborparameter existieren dagegen nicht. Zu den wichtigen Differenzialdiagnosen gehören die folgenden vier Krankheitsbilder:
1. Erythema exsudativum multiforme majus (EEMM)
Es wird nicht durch Medikamente ausgelöst, sondern z.B. durch Erreger wie Mykoplasmen oder Herpesviren. Die Hautveränderungen sind charakteristisch kokardenförmig.
2. Generalisiertes, bullöses fixes Arzneimittelexanthem (GBFDE)
Es entwickelt sich vornehmlich nach der Einnahme von Cotrimoxazol, seltener nach Analgetika wie Metamizol oder Paracetamol. Klinisch sieht man scharf begrenzte, runde oder ovale Plaques mit dunkel livider oder bräunlicher Färbung. Die Bildung einzelner Blasen/Erosionen überschreitet meist nicht 10 % der KOF und die Blasen bleiben auf das gerötete Areal begrenzt. Die Schleimhautbeteiligung ist gering, das Krankheitsgefühl ebenso. Allerdings kann die erneute Anwendung des auslösenden Medikamentes bereits innerhalb von Stunden zum erneuten Auftreten eines GBFDE, ggf. in ausgeprägterer Form, führen.
3. Akute Generalisierte Exanthematische Pustulose (AGEP)
Auslöser sind vor allem Aminopenicilline, Gyrasehemmer, Makrolide, Terbinafin, Hydroxychloroquin und Diltiazem. Die AGEP beginnt akut mit Fieber, großflächigem Erythem und Gesichtsschwellung. Dann tauchen Dutzende von kleinen, nicht follikulären sterilen Pusteln auf, bevorzugt in den Intertrigines. Im Blut findet sich eine Neutrophilie. Die Veränderungen heilen oft in wenigen Tagen ab, danach zeigt sich eine typische postpustulöse Desquamation.
4. Drug reaction with eosinophilia and systemic symptoms (DRESS)
Hierbei kommt es zu einem ausgeprägten Exanthem, manchmal aufgrund von Ödemen auch zu einer geringen Blasenbildung, und es werden verschiedene Organe in Mitleidenschaft gezogen. Die möglichen Folgen: Pneumonie, Lymphadenopathie, Hepatitis, Nephritis, Arthralgien oder Myokarditis. Carbamazepin und Allopurinol ließen sich in Studien als häufigste Auslöser identifizieren.
In der Therapie der SJS/TEN hat natürlich das Absetzen der verantwortlichen Arzneimittel oberste Priorität. Das ist aber manchmal leichter gesagt als getan, vor allem bei Polypharmazie. Als verdächtig gelten in erster Linie Substanzen, die in den vergangengen Wochen neu verordnet wurden. Zudem gibt es verschiedene Risikogruppen.
Risikoprofil verschiedener Wirkstoffe für SJS/TEN
- Allopurinol
- Lamotrigin
- Phenytoin
- Nevirapin
- Sulfasalazin
- Phenobarbital
- Carbamazepin
- Oxicam-NSAR (z.B. Piroxicam)
- Sulfamethoxazol
- andere antibakterielle Sulfonamide
- Gyrasehemmer/Chinolone
- Cephalosporine (weniger Penicilline)
- Makrolide
- Tetrazykline
- Phenylessigsäure-NSAR (z.B. Diclofenac)
- Betablocker
- ACE-Hemmer
- Kalziumantagonisten
- Thiaziddiuretika
- Propionsäure-NSAR (z.B. Ibuprofen)
- Furosemid
- Insulin
- orale Antidiabetika
Ciclosporin als neuer Therapieansatz
Bei mehr als 30 % der KOF muss man die Patienten auf eine Intensivstation, vorzugsweise in eine Verbrennungseinheit, verlegen. Denn die Blasen entsprechen bei SJS/TEN einer Verbrennung II. Grades. Nicht umsonst heißen sie auch „Syndrom der verbrühten Haut“. Wie es um die Prognose steht, läst sich mithilfe eines Scores ermitteln.Prognosescore
- Alter > 40 Jahre
- maligner Tumor
- Hautablösung > 10 % KOF
- Herzfrequenz > 120/min
- Bicarbonat < 20 mmol/l
- Harnstoff > 10 mmol/l
- Hyperglykämie > 252 mg/dl
Patienten auch zum Augenarzt schicken
Spätschäden drohen vor allem an der Haut und den Schleimhäuten. Am belastendsten empfinden die Patienten aber langfristige Augensymptome wie extreme Trockenheit, erhöhte Lichtempfindlichkeit, vermehrten Tränenfluss, Schmerzen oder ein Wimpernwachstum nach innen. Von Beginn an und im Verlauf des akuten Geschehens sollte daher immer ein Augenarzt mit im Boot sein.Quelle: 1. Nürnberger Wundkongress
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