Wenn die Mukosa Blasen wirft

Dr. Melanie Söchtig

Sind nur der Mund und/oder die Augen betroffen, spricht man von einer milden Krankheitsaktivität. Sind nur der Mund und/oder die Augen betroffen, spricht man von einer milden Krankheitsaktivität. © Igor – stock.adobe.com

Unter einem Schleimhautpemphigoid leiden deutschlandweit etwa 2.000 Patienten. Aufgrund der relativen Seltenheit der Erkrankung und der Beteiligung verschiedener Schleimhäute erfordern Diagnose und Therapie eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit. 

Ein Schleimhautpemphigoid (SHP) äußert sich über Exantheme mit fragilen Blasen, die zu chronischen und mitunter stark schmerzhaften Erosionen und Ulzera führen, schreiben die Autoren der S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Schleimhautpemphigoids. Oft heilen solche Läsionen nur mit Narben ab. Das Befallsmuster des SHP ist heterogen: Es kann die Mukosa von Mund, Nase, Pharynx, Larynx, Trachea und Ösophagus ebenso betroffen sein wie Schleimhäute in der Genital- und Perianalregion oder die Konjunktiven. Bei 20–30 % der Patienten finden sich darüber hinaus auch kutane Läsionen. 

Es gibt Hoch- und Niedrigrisikopatienten

Entsprechend sollte bei Anamnese und körperlicher Untersuchung das gesamte Integument (inkl. aller Schleimhäute) berücksichtigt und entsprechende Probleme erfragt werden. Je nach Symptomatik und Lokalisation der Läsionen raten die Leitlinienautoren, frühzeitig den entsprechenden Fachkollegen (Gynäkologe, Gastroenterologe, Zahnarzt, Ophthalmologe etc.) hinzuzuziehen. Insbesondere bei einer Augenbeteiligung ist aufgrund des Erblindungsrisikos eine zeitnahe augenärztliche Untersuchung dringend anzustreben.

Man unterscheidet zwei Risikograde. Sie berücksichtigen, wie wahrscheinlich es trotz erfolgreicher Therapie zu einer dauerhaften Gewebeschädigung kommen kann und wie hoch das Risiko für Funktionseinschränkungen ausfällt. In der Niedrigrisiko-Kategorie befinden sich z.B. Patienten, bei denen die Läsionen auf die Mundschleimhaut beschränkt sind – mit oder ohne zusätzliche Haut- oder Nasenschleimhautmanifestationen. Patienten mit einer Beteiligung von Konjunktiven, Larynx, Ösophagus, Trachea oder Genitalschleimhaut werden der Hochrisiko-Kategorie zugeordnet. Es gibt auch Scoring-Systeme wie den MMPDAI, die allerdings entweder nicht validiert sind oder nur einzelne Lokalisationen abdecken (ODSS). 

Zusätzlich erfolgt eine Einteilung nach Krankheitsaktivität. Milde Krankheitsaktivität besteht per Definition nur bei milder, ausschließlich oraler (betroffene Fläche ≤ 1 cm³) oder okulärer (milde konjunktivale Hyperämie) Beteiligung. Schwerere Ausprägungen, Läsionen in anderen Regionen oder multilokuläre Manifestationen sind mindestens als moderat einzustufen. 

Kann eine schwere okuläre Beteiligung sowie eine tracheale, laryngeale oder ösophageale Beteiligung ausgeschlossen werden, handelt es sich um ein moderates SHP. Andernfalls sowie bei einem therapierefraktären moderaten SHP, muss von einer schweren Krankheitsaktivität ausgegangen werden.

Überwiegende Beteiligung der Mukosa als Voraussetzung

Die wichtigste diagnostische Maßnahme bei klinischem Verdacht auf ein SHP ist die direkte Immunfluoreszenz aus periläsionaler (Schleim-) Haut (z.B. via 4 mm Stanzbiopsie). Weiterhin umfasst die Basisdiagnostik eine indirekte Immunfluoreszenz (IF) auf humaner Spalthaut, serologische Untersuchungen zur Identifizierung des Autoantigens (inkl. spezifische ELISA und Western Blot) sowie die Histologie aus läsionaler (Schleim-)Haut.

Voraussetzung für die Diagnose ist neben einer überwiegenden Schleimhautbeteiligung, dass mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:

  • lineare Ablagerungen von IgG, IgA und/oder C3 an der Basalmembranzone in der direkten IF
  • eindeutiger Nachweis von IgG- und/oder IgA-Antikörpern gegen die Basalmembranzone in der indirekten IF
  • Nachweis von IgG-Antikörpern gegen BP180 NC16A, Laminin 332 oder Kollagen VII (ELISA/indirekte IF)
  • Nachweis von IgG/IgA-Antikörpern gegen BP180/Laminin 332/Kollagen VII in einem nicht-kommerziellen Immunoblot (bei nachgewiesenen IgG/IgA-Antikörpern in der indirekten IF)

Die Therapie von Patienten mit SHP erfordert ebenso wie die Diagnostik eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Allgemein empfehlen die Leitlinienautoren eine antiinflammatorische Therapie mit topischen und systemischen Immunsuppressiva bzw. -modulatoren in Kombination mit antiseptischen Lokaltherapeutika. Operative Korrekturen von Vernarbungen oder Strikturen sollten, wenn möglich, in Phasen ohne klinische Entzündungsaktivität gelegt werden.

Bei moderater Krankheitsaktivität fällt die Wahl auf Glukokortikoide (oral oder als intravenöse Pulstherapie). Sie können mit Immunsuppressiva bzw. Immunmodulatoren kombiniert werden. In erster Linie kommen dabei Dapson, Tetrazykline oder Methotrexat zum Einsatz, auch in Kombination mit systemischen oder topischen Steroiden. Alternativ kann auf Mycophenole oder Azathioprin in Kombination mit systemischen Kortikosteroiden und/oder Dapson zurückgegriffen werden.

Im Falle eines refraktären oder schweren Schleimhautpemphigoids wird empfohlen, Cyclophosphamid mit Kortikosteroiden (oral oder als i.v. Pulstherapie) zu kombinieren. Alternativ zu Cyclophosphamid können die Kortikosteroide mit Immunsuppressiva wie Mycophenolen oder Azathioprin und gegebenenfalls Dapson (einschleichend) kombiniert werden. Eine weitere Alternative bietet Rituximab. Adjuvant wäre darüber hinaus eine Therapie mit intravenösen Immunglobulinen oder Rituximab plus den oben genannten Cyclophosphamid-Alternativen denkbar. Mit dem klassischen Zytostatikum sollte der Anti-CD-20-Antikörper nicht kombiniert werden.

Diagnose und Therapie von rein oralen oder okulären SHP sind durch weitere Besonderheiten gekennzeichnet. So werden z.B. bei rein okulärer Beteiligung in der direkten Immunfärbung noch IgM-Ablagerungen an der Basalmembranzone mit in die Diagnosekriterien aufgenommen. Zudem muss man Differenzialdiagnosen (u.a. Pseudopemphigoid, konjunktivale Neoplasien) histopathologisch ausgeschlossen haben. Eine weitere Vorgabe sind mindestens drei negative direkte Immunfluoreszenzuntersuchungen sowie das Fehlen zirkulierender Autoantikörper. 

Therapeutisch sollten bei milder, rein oraler oder okulärer Beteiligung topische Steroide oder Calcineurininhibitoren ausreichen. Dapson oder Tetrazykline sind als Add-on aber möglich. Zur Remissionsinduktion führt die Leitlinie auch die Option auf, kurzzeitig niedrig dosierte systemische Steroide zu geben. Moderate und schwere Verläufe werden analog zum o.g. Schema des Schleimhautpemphigoids behandelt.

Quelle: S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Schleimhautpemphigoids, AWMF-Register-Nr. 013-102, www.awmf.org

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Sind nur der Mund und/oder die Augen betroffen, spricht man von einer milden Krankheitsaktivität. Sind nur der Mund und/oder die Augen betroffen, spricht man von einer milden Krankheitsaktivität. © Igor – stock.adobe.com