Blutungskomplikationen bei Eingriffen an der Haut – neue Leitlinie gibt Hilfestellung

Dr. Susanne Gallus

Wenn Operationen an der Haut durchgeführt werden, müssen immer auch mögliche Blutungskomplikationen bedacht werden. Wenn Operationen an der Haut durchgeführt werden, müssen immer auch mögliche Blutungskomplikationen bedacht werden. © iStock/XiXinXing

Bei dermatochirurgischen Eingriffen besteht in der Regel ein niedriges Risiko für Blutungskomplikationen. Kann ein Patient der Gerinnungs- oder Thrombozytenhemmer einnimmt, seine Medikation deshalb immer wie gewohnt fortsetzen? Ganz so einfach ist es nicht.

Blutverdünnende Medikamente werden bei bevorstehenden operativen Eingriffen kritisch gesehen. Lange Zeit war nicht klar, wie das perioperative Management insbesondere unter den heutzutage verstärkt verordneten oralen Antikoagulanzien ablaufen soll. Die neue S3-Leitlinie zum Umgang mit Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmern bei Operationen an der Haut kann in diesen Fällen Hilfestellung geben.1

Ein perioperatives Bridging mit Heparin hält man bei Vitamin-K-Antagonisten mittlerweile nicht mehr für sinnvoll, berichtete Professor Dr. Hans-­Martin­ Häfner­ von der Universitätshautklinik Tübingen.

Hemmer bei kleinen Eingriffen weiterführen

Laut der aktualisierten Leitlinie ließen sich keine Unterschiede bezüglich der Häufigkeit thromboembolischer Ereignisse feststellen. Hinsichtlich der oralen Antikoagulanzien dient als Basis für diese Aussage lediglich die Expertenmeinung der Autoren, da keine relevanten Daten zum Blutungsrisiko vorliegen.

Prinzipiell sollten VKA, nicht-Vitamin-K-antagonistische orale Antikoagulanzien (NOAK) und Plättchenhemmer weitergeführt werden – insbesondere bei kleinflächigen Curettagen und Stanzbiopsien mit geringem Risiko für Blutungskomplikationen. Bei den NOAK Apixaban und Dabigatran kann weiterhin erwogen werden, die morgendliche reguläre Einnahme am OP-Tag auszusetzen (12 h Abstand zwischen letzter Einnahme abends und OP). Bei Edoxaban und Rivaroxaban, die dagegen nur einmal täglich eingenommen werden, würde man eine abendliche Gabe am Tag vor der OP pausieren. Bei morgendlicher Einnahme nimmt der Patient das Antikoagulans eine Stunde nach dem Eingriff.

Eingriffe mit erhöhtem Risiko

Blutungskomplikationen können sowohl intraoperativ als auch postoperativ eine Rolle spielen, führte Dr. LUKAS KOFLER, Universitätshautklinik Tübingen, aus. Die Leitlinie nennt als Beispiele mit erhöhtem Risiko: 
  • Operationen, die tiefere Strukturen, z.B. Faszie, Muskulatur, Periost, Knorpel oder Knochen, miteinbeziehen
  • Interventionen an stark durchblutetem Gewebe im Kopf-, Halsbereich, in der Genitalregion oder an Metastasen (verstärkte Tumorperfusion)
  • Eingriffe an schlecht einsehbaren Stellen bzw. kleinen Zugängen (u.a. Liposuktion, Schweißdrüsenkürettage, Lymphknotenchirurgie)
  • großflächige Interventionen, die mehrzeitig erfolgen, ablativ sind (z.B. beim Rhinophym) oder einem Hauttransfer dienen
In einer internen Untersuchung in der Hautklinik Tübingen kam es bei ca. 700 stationären OP-Patienten in 15,5 % der Fälle zu einer Nachblutung (inkl. „minor bleeding“). Bei lediglich 0,9 % wurde eine operative Blutstillung erforderlich. Dabei müsse allerdings auch die Spannweite der Indikationen berücksichtigt werden, „von kleinen Eingriffen über Lymphknotendissektionen, Venenchirurgie bis hin zu mehrzeitigen Tumorexzisionenmit offenen Wunden über mehrere Tage“. Ein Teil dieser Patienten war auch antikoaguliert, berichtete Dr. Kofler, sowohl mit oralen Antikoagulanzien als auch mit Heparinen und Plättchenhemmern.

Besteht ein höheres Risiko für interventionspflichtige postoperative Blutungen, z.B. bei schichtübergreifenden oder großflächigen OPs (s. Kasten oben), hängt das Vorgehen bei VKA vom INR-Wert ab – vor allem, wenn gleichzeitig eine positive Blutungsanamnese vorliegt, heißt es in der Leitlinie. Bei einem INR oberhalb der therapeutischen Grenze (s. Tabelle) wird von einem Eingriff abgeraten. Innerhalb des therapeutischen Bereichs kann operiert werden.
Zielbereiche der International Normalized Ratio (INR) je nach Indikation
Vorhofflimmern/-flattern (bei Indikation zur Antikoagulation)2,0–3,0
TBVT/ Lungenembolie2,0–3,0 (Patienten mit Antiphospholipid-Syndrom evtl. höher)
mechanische Herzklappen, Bioprothesen2,0–3,5 (z.T. bis 4,5)
Die normale plasmatische Blutgerinnung liegt bei einem Wert von 1,0 (0,90–1,25).
Bei NOAK hat man sich auf eine „kann-erwogen-werden“-Formulierung geeinigt, erklärte Prof Häfner. Bisher wurde bei Eingriffen an der Haut mit größerem Risiko geraten, bei Apixaban und Dabigatran die letzte Gabe vor der OP auszusetzen und danach die abendliche Einnahme ganz normal weiterzuführen. Das kann man weiterhin so machen. „Oder – und das ist das Schöne – es kann erwogen werden, die Einnahme ganz normal fortzuführen“, hob Prof. Häfner die Neuerung der aktuellen Leitlinie hervor.  Ähnliches auch bei Edoxaban und Rivaroxaban: Entweder 24 h davor eine Gabe pausieren oder die Medikamente durchgeben. „Das finde ich eine ganz tolle Sache für den praktischen Alltag im OP“, lautet das Fazit von Prof. Häfner, „insbesondere bei mehrzeitigen OPs“.

NOAK bei eingeschränkter Nierenfunktion

Leidet der Patient an einer eingeschränkten Nierenfunktion, kann man bei höherem Blutungsrisiko längere Einnahmepausen erwägen. Für Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban bedeutet dies bei einer Kreatinin-Clearance von 15–29 ml/min eine Pause von mindestens 36 h. Gleiches gilt für Dabigatran bei einer Clearance von 50–79 ml/min, bei Werten darunter (30 –49 ml/min) sollte man das Medikament für mindestens 48 h pausieren.

Die Medikation mit Plättchenhemmern sollten dagegen bei kutanen Eingriffen immer weitergeführt werden, da in der Regel die Indikation zur Gerinnungshemmung absolut indiziert ist und sozusagen „schwerer wiegt“. Bezüglich der Monotherapie mit Clopidigrel wird in der Leitlinie ausdrücklich von einer Veränderung der Medikation abgeraten.

Bei dualer Plättchenhemmung ggf. Monotherapie abwarten

Auch für ASS gibt es keine Indikation, es abzusetzen, ergänzte Prof. Häfner. Falls die ASS-Dosis vor einem elektiven Eingriff innerhalb von 72 h präoperativ > 500 mg lag, wäre zu überlegen, ob eine Intervention bei höherem Blutungsrisiko verschoben werden kann. Bei einer zeitlich begrenzten dualen Plättchenhemmung könnte man darüber nachdenken, einen elektiven Eingriff bis zur Umstellung auf eine Monotherapie zu verschieben. 

* Online-Veranstaltung

1. S3-Leitlinie Umgang mit Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmern bei Operationen an der Haut, AWMF-Register-Nr.: 013-085, www.awmf.org

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Wenn Operationen an der Haut durchgeführt werden, müssen immer auch mögliche Blutungskomplikationen bedacht werden. Wenn Operationen an der Haut durchgeführt werden, müssen immer auch mögliche Blutungskomplikationen bedacht werden. © iStock/XiXinXing