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Cholesterin: Die zehn Gebote

Die besten Chancen in Sachen kardiovaskulärer Gesundheit bestehen generell bei einem Gesamtcholesterin um die 150 mg/dl und einem LDL von ca. 100 mg/dl. Dass mit jedem Abfall des LDL auch die Gefahr für atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie akutes Koronarsyndrom, Herzinfarkt, ischämischer Schlaganfall und symptomatische pAVK, sinkt, ist zwar längst bekannt. Dennoch sollten Sie für jeden Patienten das Risiko individuell abschätzen.
Bei familiärer Vorbelastung das Lipoprotein (a) mitmessen
In der Regel genügt die LDL-Messung in nicht-nüchternem Zustand. Denn das LDL korreliert nur schwach mit Mahlzeiten. Bei familiärer Vorbelastung oder genetischer Hyperlipidämie rät die Leitlinie unter Federführung der American Heart Association und des American College of Cardiology dagegen zu einem Nüchternprofil. Die Apolipoprotein-B-Konzentration sollte man mit erfassen, wenn die Triglyzeride über 200 mg/dl liegen, das Lipoprotein (a) bei familiärer Vorbelastung. Finden sich bereits Ereignisse in der Patientenhistorie, ohne dass wesentliche Risikofaktoren bestehen, sollte auch das Lipoprotein (a) bestimmt werden.
Die Autoren bevorzugen den prozentualen Abfall als Erfolgskriterium, denn in der klinischen Praxis korreliert die Risikoabnahme stark mit dem Ausgangswert. Grob gesagt: 1 % weniger LDL senkt das Risiko um 1 %.
Ein gesunder Lebensstil bleibt natürlich die Basis jeder Therapie. Bei der Medikation stehen die Statine auf der Poleposition. Ihr Wirkungsgrad bei der LDL-Senkung wird in drei Kategorien eingeteilt (s. Tabelle). Alternativ gibt es Ezetimib und Gallensäurebinder. Sie sind die am meisten verbreiteten Nicht-Statine, können entweder solo oder kombiniert zur Statintherapie gegeben werden und senken das LDL um weitere 13–20 % bzw. 15–30 %. PCSK-9-Hemmer erreichen sogar eine Zusatzminderung von 43–64 %, bisher fehlen aber die Langzeitdaten (≥ 3 Jahre).
Wirkungsgrade der Fettsenker | ||
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Hohe Intensität | Moderate Intensität | Niedrige Intensität |
LDL-Senkung um ≥ 50 % | 30–49 % | < 30 % |
Atorvastatin: (40 mg) 80 mg Rosuvastatin: 20 mg (40 mg) | Atorvastatin: 10 mg (20 mg) Rosuvastatin: (5 mg) 10 mg Simvastatin: 20–40 mg Pravastatin: 40 mg (80 mg) Lovastatin: 40 mg (80 mg) Fluvastatin: XL 80 mg Fluvastatin: 40 mg (2 x/Tag) Pitavastatin: 1–4 mg | Simvastatin: 10 mg Pravastatin: 10–20 mg Lovastatin: 20 mg Fluvastatin: 20–40 mg |
Die US-amerikanischen Kollegen haben die Statine nach ihrem Intensitätsgrad eingeteilt und die prozentuale Reduktion des LDL-Cholesterins berechnet. |
Die richtige Therapie für jeden Patienten zu wählen, beschreiben die Autoren als Stufenprozess. Zunächst bestimmt man das individuelle Risiko. Menschen mit vorausgegangenen Ereignissen oder einem primären LDL ≥ 190 mg/dl werden automatisch als Hochrisikopatienten eingestuft. Sie brauchen unverzüglich eine intensive Statintherapie. Auch Diabetiker mit LDL-Werten ≥ 70 mg/dl sollten sofort eine moderate Statintherapie erhalten.
Gehört der Patient nicht zu einer dieser Gruppen, schätzt man das Zehn-Jahres-Risiko. Hierfür stehen verschiedene Scores zur Verfügung, z.B. der US-pooled cohort equation (PCE). Neben dem Lipidprofil erfasst er Alter, Rauchstatus, Diabetes und Blutdruck.
Unsicher? Der koronare Kalzium-Score hilft weiter
Aus dem Langzeitrisiko lassen sich vier Kategorien ableiten. Die aktuelle Leitlinie unterscheidet zwischen
- niedrig (< 5 %),
- grenzwertig (5–7,5 %),
- mittelgradig (7,5–20 %) und
- hoch (≥ 20 %).
Über den Score hinaus sollten weitere ungünstige Faktoren wie chronische Niereninsuffizenz, entzündliche Erkrankungen oder metabolisches Syndrom berücksichtigt werden, die evtl. zu einer schärferen Einstellung Anlass geben. Basierend auf diesen Einteilungen liefern die Experten zehn „take home messages“:
1.Generell gilt: In jedem Alter ist ein gesunder Lebensstil vorteilhaft und schützt vor Risikofaktoren.
2. Bestehen bereits atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen, senken Sie das LDL mit einer intensiven bzw. maximal tolerierten Statintherapie um mindestens 50 %.
3. Gab es bereits mehrere schwerwiegende Ereignisse bzw. eines bei zusätzlicher Risikokonstellation, sollten Sie die Beigabe eines Nicht-Statins (z.B. Ezetimib) erwägen, wenn das LDL nicht unter 70 mg/dl fällt. Reicht das nicht, kommen PCSK9-Hemmer infrage.
4. Starten Sie bei schwerer Hypercholesterinämie (LDL ≥ 190 mg/dl) sofort mit der Therapie. Bleibt der Wert ≥ 100 mg/dl, erscheint Ezetimib als Beigabe vernünftig. Bei weiter ausbleibendem Erfolg und zusätzlichen Risikofaktoren sind PCSK9-Hemmer möglich.
5. Diabetiker (40–75 Jahre) mit einem LDL ≥ 70 mg/dl sollten Sie auch postwendend behandeln. Bei Hochrisikopatienten oder Patienten über 50 sollte mindestens eine Halbierung der Werte angestrebt werden.
6. Ist bei 40–75-Jährigen aufgrund des Zehn-Jahres-Risikos eine Primärprävention nötig, empfiehlt es sich, gemeinsam die Statintherapie zu besprechen. Dabei fließen individuelle Risikofaktoren genauso ein wie z.B. potenzielle Nebenwirkungen.
7. Ab einem mittelgradigen Zehn-Jahres-Risiko bekommen 40–75-Jährige ohne Diabetes mit einem LDL ≥ 70 mg/dl nach partizipativer Entscheidungsfindung Statine, zum Beispiel falls weitere ungünstige Faktoren vorliegen (siehe Punkt 8 und 9). Anzustreben ist laut Leitlinie eine Minderung um ≥ 30 % (bei hohem Risiko um ≥ 50 %).
8. Bei Nicht-Diabetikern (40–75 Jahre) im mittelgradigen Risikobereich sprechen ungünstige Einflüsse für eine Therapie.
9. Ist man sich unsicher, hilft die Kalkbestimmung der Herzkranzgefäße (koronarer Kalzium-Score). Ist der Score 0, könnte man die Statine noch hinauszögern (ausgenommen Raucher und familiär Vorbelastete). Bei Werten von 1–99 plädieren die Autoren für den Fettsenker, ab ≥ 100 besteht die klare Indikation.
10. Der Therapierfolg sollte 4–12 Wochen nach Beginn und dann alle 3–12 Monate kontrolliert werden. Bei Hochrisikopatienten sollte ab einem LDL von 70 mg/dl, bei maximaler Statingabe, die Therapie erweitert werden.
Last, but not least darf man auch die älteren Menschen nicht vergessen. Für Patienten im Alter von über 75 Jahren mit LDL-Spiegeln zwischen 70 und 189 mg/dl halten die Leitlinienautoren eine moderate Statintherapie für sinnvoll. Es bietet sich an, in diesen Fällen ebenfalls den koronaren Kalzium-Score zurate zu ziehen und bei 0 darauf zu verzichten. Multimorbidität, Gebrechlichkeit, Lebenserwartung oder starke physische/kognitive Einschränkungen limitieren den Nutzen der Behandlung und erlauben den Stopp.
Quelle: Grundy SM et al. Circulation 2018; online first
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