Claudicatio ohne PAVK

Dr. Andrea Wülker

Die Therapie­entscheidung einer zystischen Adventitiadegeneration fällt aufgrund der vielen Optionen oft nicht leicht. (Agenturfoto) Die Therapie­entscheidung einer zystischen Adventitiadegeneration fällt aufgrund der vielen Optionen oft nicht leicht. (Agenturfoto) © missty – stock.adobe.com

Hinter Claudicatiobeschwerden kann sich eine zystische Adventitiadegeneration verbergen. Die Therapie­entscheidung fällt aufgrund der vielen Optionen oft nicht leicht. Auch ein konservatives Vorgehen ist möglich, wie ein Fallbeispiel zeigt.

Eine 56-jährige Nichtraucherin stellte sich wegen Schmerzen in der rechten Wade in einer gefäßmedizinischen Praxis vor. Die Beschwerden traten seit ein paar Wochen immer wieder auf, mal in Ruhe und mal nach einer Gehstrecke von einigen hundert Metern. An manchen Tagen sei sie allerdings völlig beschwerdefrei und könne problemlos mehr als 10 km gehen, berichtete sie. Die klinische Untersuchung war weitgehend unauffällig. Die Patientin wies einen regelrechten Pulsstatus auch unter Provokationsmanövern (Knie- bzw. Plantarflexion) sowie physiologische Knöchel-Arm-Indizes auf, schreiben Dr. Frank Stammler­ und Dr. Marion­ Wenzler­, Praxis für Gefäßmedizin und Venenzentrum, Bad Wildbad.

Überwiegend Männer im mittleren Alter betroffen

Fündig wurden die Kollegen in der Farbduplexsonografie: Um die rechte A. poplitea lag eine echofreie, manschettenartige Raumforderung mit einer Breite bzw. Tiefe von je 2 cm und einer Länge von 4 cm. Atherosklerotische Gefäßveränderungen fanden sich keine, ebenso wenig eine morphologisch oder hämodynamisch nachweisbare Stenosierung der A. oder V. poplitea. Im nächsten Schritt erfolgte eine MRT-Untersuchung. Diese bestätigte den Befund und zeigte zudem eine geschlängelte, schmale, tubuläre Verbindung zwischen der Raumforderung und der Kniegelenkkapsel. Zystische Adventitiadegeneration (CAD), lautete die Diagnose.

Bei der CAD handelt es sich um eine seltene Gefäßerkrankung, die überwiegend Männer in der vierten oder fünften Lebensdekade betrifft. Auch wenn Frauen deutlich seltener darunter leiden (Verhältnis 1:4–5), sollte bei atypischen Beinbeschwerdene nach Ausschluss der häufigeren Gefäßleiden eine zystische Adventitiadegeneration erwogen werden, betonen die Autoren. Die CAD stelle als nicht-atherosklerotische Erkrankung eine ungewöhnliche Differenzialdiagnose der Claudicatio intermittens dar. Bisher wurden in der Fachliteratur weltweit weniger als 400 Fälle beschrieben. 

Die synoviaähnlichen Zysten in der Tunica adventitia betreffen meistens die A. poplitea, können sich aber auch an anderen Arterien der oberen oder unteren Extremität entwickeln sowie gelegentlich venös an der V. saphena. Alle erkrankten Gefäße stehen in anatomischer Beziehung zu einem Gelenk. MRT-Befunde sprechen – wie im vorgestellten Fallbeispiel – sogar für eine Gelenkverbindung, welche den Kollegen zufolge die muzinöse Konsistenz des Zysteninhalts erklären könnte. Die Ätiologie der CAD ist weiterhin unklar (embryologisch, traumatisch, systemisch?).

Einheitliche Therapieempfehlungen exisiteren nicht. In der Literatur sind verschiedene Verfahren beschrieben, wie etwa Exzision der Zyste unter Erhalt der Arterie, Entfernung der Arterie und Zwischenschalten eines Venen- bzw. Kunststoffgrafts oder sonografisch-gesteuerte Zystenpunktion. Insgesamt gestaltet sich die Wahl des optimalen, i.d.R. interventionellen Prozederes als herausfordernd. Vor allem perkutane Drainagen und Punktionen gehen mit einer hohen Rezidivrate einher.

Fehlt eine ausgeprägte Symptomatik und liegt keine kritische Ischämie vor, kommt ein konservatives Management mit engmaschiger Verlaufskontrolle infrage. Schließlich besteht die Möglichkeit einer spontanen Remission. Die eingangs erwähnte Patientin entschied sich nach entsprechender Aufklärung ebenfalls gegen eine Intervention. Zwei Kontrollen im Verlauf von sechs Monaten ergaben keine Progression der Zyste sowie eine verbesserte Klinik.

Quelle: Stammler F, Wenzler M „Seltene Ursache von Wadenschmerzen bei einer 56-jährigen Patientin: die zystische Adventitiadegeneration“, Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 242-245; DOI: 10.1055/a-1976-4185 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Die Therapie­entscheidung einer zystischen Adventitiadegeneration fällt aufgrund der vielen Optionen oft nicht leicht. (Agenturfoto) Die Therapie­entscheidung einer zystischen Adventitiadegeneration fällt aufgrund der vielen Optionen oft nicht leicht. (Agenturfoto) © missty – stock.adobe.com