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Zysten durch Mediatorsturm

Systemische Mastzellaktivierungserkrankungen (mast cell activation disease, MCAD) sind polygen verursacht, werden durch etliche Faktoren moduliert und treten in verschiedenen Varianten auf. Am häufigsten ist das Mastzell-Aktivierungssyndrom (MCAS), das in Deutschland etwa jeden Sechsten betrifft.
Eine MCAD kann Zysten in allen Organen auslösen, auch im Urogenitalsystem. Einen typischen Fall stellen der in Bonn niedergelassene Urologe Dr. Hans-Eberhard Knüpfer und Kollegen vor.
Skrotumschmerz beim Stehen und Gehen
Ein 63-jähriger Patient mit bekannter MCAD stellte sich wegen heftiger Schmerzen im Skrotum vor. Sie quälten ihn beim Stehen und Gehen sowie bei Berührung und hatten über die letzten Jahre zugenommen. Anamnestisch waren bereits Zysten in Nieren, Leber, Pankreas und Wirbelgelenken sowie im Magen bekannt. Nun ergab die Sonografie multiple zystische Veränderungen in den Nebenhoden, vor allem auf der linken Seite. Ein Therapieversuch mit einem Lokalanästhetikum und das Tragen von Unterhosen mit Suspensoriumfunktion vermochte die Beschwerden durch diese Spermatozelen nicht zu lindern. Deshalb entschied sich der Patient für eine partielle Resektion des linken Nebenhodens.
Bei der operativen Entfernung MCAD-bedingter Zysten müssen einige Besonderheiten beachtet werden, um gefährliche Komplikationen zu verhindern, schreiben Dr. Knüpfer und Kollegen. Die Patienten gelten als besonders gefährdet, weil die pathologische Mediatorfreisetzung zu lebensgefährlichen Schockzuständen führen kann. Als Auslöser kommen zahlreiche perioperativ eingesetzte Medikamente in Betracht, darunter Anästhetika, Analgetika, Muskelrelaxanzien und Antibiotika.
Benzodiazepine wirken mastzellstabilisierend
Auch emotionaler Stress ist als Ursache bekannt. Deshalb erhielt der 63-Jährige vorsorglich ein Benzodiazepin. Es eignet sich nicht nur zur Anxiolyse, sondern wirkt auch mastzellstabilisierend. Außerdem war bei dem Patienten eine mastzellmediatorbedingte hämorrhagische Diathese mit gesteigerter Fibrinolyse bekannt. Sie erforderte die intravenöse Applikation von Tranexamsäure vor Einleitung der Narkose. Außerdem erfolgte zur Prophylaxe einer möglichen anaphylaktischen Reaktion unmittelbar präoperativ eine H1-Rezeptorblockade mit Dimetinden. Mit Erfolg: Während des 45-minütigen Eingriffs traten keine Zeichen einer vermehrten Mediatorfreisetzung auf und der postoperative Verlauf war unauffällig.
Die Zysten bei MCAD resultieren aus Gewebeveränderungen durch die massiv freigesetzten Mediatoren. Sie können in sämtlichen Organen und Geweben auftreten. Besonders bekannt sind renale, odontogene und endometriale Läsionen. Bei Patienten mit unklaren Zysten sollte ggf. eine noch unbekannte Mastzellerkrankung ausgeschlossen werden, fordern Dr. Knüpfer und Kollegen. Auch bei potenziell MCAD-bedingten Symptombildern wie Reizdarm und Fibromyalgie sei eine entsprechende Diagnostik indiziert.
Quelle: Knüpfer HE et al. Urologe 2022; 61: 1115-1121; DOI: 10.1007/s00120-022-01841-4
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