Hohes Risiko? Das lässt sich ändern

Dr. Karin Kreuel

Diabetes kann zum Herzinfarkt führen. Wie lässt sich das Risiko reduzieren? Diabetes kann zum Herzinfarkt führen. Wie lässt sich das Risiko reduzieren? © yodiyim – stock.adobe.com

Was gibt es Neues im Bereich Kardiologie und Lipide? Der HbA1c-Wert wurde als guter Selektionsmarker zur Identifikation von Menschen mit besonders hohem CV-Risiko bestätigt. Zur kardiovaskulären Risikoreduktion sollten Therapien auf die Senkung des Nicht-HDL-Cholesterins abzielen. 

„Etwa 80 Prozent aller kardiovaskulären (CV) Ereignisse leiten sich von modifizierbaren Risikofaktoren ab“, erklärte der stellvertretende Aachener Klinikdirektor Professor Dr. Michael Lehrke. Wäre ein populationsbezogenes Screening auf CV-Risiken dazu geeignet, die kardiovaskuläre Mortalität zu senken? In der dänischen Studie DANCAVAS1 wurden Männer im Alter zwischen 65 und 74 Jahren umfassend CV-gescreent und über einen medianen Zeitraum von 5,6 Jahren beobachtet. Der Ausschluss von Frauen beruhe darauf, dass sich anhand einer früheren Untersuchung durch ein Screening auf Aortenaneurysmen, PAVK und arterielle Hypertonie eine Senkung der Mortalität bei 65–74-jährigen Männern um 7 % ergeben hatte, erläuterte Prof. Lehrke. 

Risikosenkung zeigt sich beim Blick auf die Subgruppe

Rund 46.600 Männer wurden im Verhältnis eins zu zwei zur Interventions- bzw. Kontrollgruppe zugeteilt. In der Interventionsgruppe nahmen 63 % das Screening wahr (n = 10.471). Die Datenanalyse erfolgte allerdings auf Basis der Intention-to-treat-Population, also für alle zugeordneten Personen zur jeweiligen Studiengruppe. Bei Nachweis von Koronarkalk bzw. PAVK wurden Empfehlungen ausgesprochen (Nikotinverzicht, Ernährung) und es erfolgte eine symptomorientierte klinische Versorgung. Viele Probanden nahmen bereits Medikamente wie ASS, antikoagulatorische Substanzen, Lipidsenker, Blutdrucksenker und Antidiabetika. Dadurch waren die „Patienten eigentlich alle bereits ganz gut medikamentös versorgt“, konstatierte Prof. Lehrke. 

Kein Informationsgewinn bei Risikogruppen

„Die Verschreibung von ASS und Atorvastatin nahm durch die Screening-Untersuchung signifikant zu, während sich andere Medikationen nicht zwischen den Gruppen unterschieden. Aortenaneurysma wurden häufiger in der Screening-Gruppe operiert.“ Hinsichtlich Myokardinfarkt, Schlaganfall und CV-Mortalität war die Screening-Gruppe mit einer Hazard Ratio von 0,93 (0,89–0,97) signifikant im Vorteil. 

Für die Gesamtmortalität konnte kein signifikanter Überlebensvorteil durch Screening festgestellt werden. Allerdings ließ sich in der Subgruppenanalyse für die unter 70-Jährigen die Mortalität um 11 % signifikant reduzieren. Diese Altersgruppe wies weniger CV-Vorerkrankungen auf und hatte insgesamt das Screening eher wahrgenommen. Prof. Lehrke, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, folgert daraus: „Screening-Untersuchungen sollten eher im jüngeren Alter durchgeführt werden. Der Einschluss von Patienten mit bekannten CV-Erkrankungen und hohem CV-Risiko erscheint nicht sinnvoll, da bei dieser Gruppe nur ein geringer Informationsgewinn zu erwarten ist und ohnehin eine optimale Kontrolle der Risikofaktoren erfolgen sollte.“ 

Kardiovaskuläre Prävention – das sagt der Experte

 Prof. Dr. Michael Lehrke fasste zusammen:

  • Menschen mit Diabetes sollten zur CV-Prävention primär ein Statin erhalten. 
  • Die zusätzliche Gabe eines Fibrats hat auch bei erhöhten Triglyceriden keinen kardiovaskulären Nutzen und ist nur zur Vermeidung einer Pankreatitis indiziert. 
  • Der ausbleibende Nutzen des Fibrats in der Studie PROMINENT kann Ausdruck des gesteigerten Turnovers der triglyceridreichen Lipidpartikel sein: Trotz einer Senkung der Triglyceride kann mehr LDL-C entstehen und daher die Menge des atherosklerotischen Gesamtcholesterins unverändert bleiben.
  • Es werden Therapien benötigt, die nicht primär auf Triglyceride abzielen, sondern auf die Senkung von Nicht-HDL-Cholesterin – dies könnte durch eine Inhibition von Angiopoietin-like protein 3 (ANGPTL3) oder ApoCIII gelingen.

Welchen prädiktiven Wert haben oGTT und HbA1c für mikro- und makrovaskuläre Ereignisse? In der populationsbezogenen Kohortenstudie2 mit 5.773 Teilnehmer*innen wurden die beiden diagnostischen Marker direkt verglichen. „Im Verlauf von 7,7 Jahren entwickelten 378 Personen laut oGTT einen Diabetes. Die Diagnose bestätigte sich im gleichen Zeitraum bei 224 von ihnen unter Verwendung des HbA1c-Werts, während das HbA1c bei den übrigen 154 Personen unter 6,5 % lag.“ Waren sowohl die Nüchternglukose (> 126 mg/dl) als auch der 2h-Wert (> 200 mg/dl) mittels oGTT dia­gnostisch für einen Diabetes, ließ sich im weiteren Verlauf auch bei allen Patient*innen ein HbA1c über 6,5 % nachweisen. War nur einer der beiden Werte pathologisch, trat später nur bei der Hälfte der Personen ein HbA1c > 6,5 % auf. 

In dieser Studie wurde auch die Assoziation zwischen Diabetes und CV-Erkrankungen über einen Zeitraum von 4,2 Jahren untersucht. „Dabei erwies sich der HbA1c-Wert als guter Selektionsmarker zur Identifikation von Patient*innen mit besonders hohem CV-Risiko.“ Dieses Ergebnis sei überraschend, da frühere Studien gezeigt hatten, dass bereits ein Prädiabetes mit einem erhöhten CV-Risiko einhergeht. Prof. Lehrke betonte jedoch, dass die Diabetesinzidenz in der aktuellen Studie gering war und nicht herausgearbeitet wurde, wie häufig ein pathologischer HbA1c bei gleichzeitig normwertigem oGTT vorlag und welches CV-Risiko mit dieser Konstellation einherging. Der Experte rät, dass in der klinischen Praxis bei einem grenzwertigen HbA1c von 5,8–6,5 % ein oGTT durchgeführt werden sollte. 

Welche Substanzklassen senken das Risiko?

Während eine intensivierte Blutzuckereinstellung keinen bzw. nur geringen Einfluss auf das makrovaskuläre Risiko bei Typ-2-Diabetes hat, lässt sich dieses durch einzelne Substanzklassen senken. In der Studie GRADE3 erfolgte ein direkter Vergleich von Insulin glargin, Liraglutid, Sitagliptin und Glimepirid, jeweils zusätzlich zu Metformin bei 5.047 Patient*innen, die kürzer als 10 Jahre mit Typ-2-Diabetes lebten (HbA1c 6,5–8,5 %). Bei Patient*innen mit relativ kurzer Diabetesdauer konnte Liraglutid das CV-Risiko reduzieren. „Das bessere Abschneiden von Liraglutid in dieser kleinen, unzureichend gepowerten Studie deckt sich mit den Daten aus RCT-Endpunktstudien, in denen nur für GLP1-Rezeptoragonisten, nicht jedoch für Insulin, DPP4-Inhibitoren oder Sulfonylharnstoffe eine kardiovaskuläre Überlegenheit gezeigt werden konnte.“ Ein solcher direkter Vergleich verschiedener Medikamentenklassen habe große klinische Relevanz, sei jedoch durch Fehlen eines SGLT2-Inhibitors bereits überholt. 

Triglyceride: Erkenntnis durch Subgruppenanalyse 

Aus dem 18-jährigen Follow-up der DPP-Studie (DPPOS)4 habe sich zudem ergeben, dass weder Metformin noch die begleitende Lebensstilintervention das CV-Risiko bei Prä­diabetes senken können. Auch wenn die Anzahl von CV-Ereignissen zu gering und heterogen für evidente Aussagen sei, konnte die nachweisbar anhaltende Diabetesprävention durch Metformin plus Bewegung langfristig nicht das CV-Risiko senken. Für Prof. Lehrke steht daher fest: „Alle Patient*innen mit Diabetes und hohem CV-Risiko sollten unabhängig von Metformin einen SGLT2-Inhibitor und/oder GLP1-Rezeptoragonisten erhalten.“ 

Hohe Triglyceride sind zwar mit einem erhöhten CV-Risiko assoziiert, aber bis dato gelang kein Nachweis für eine CV-Risikosenkung durch eine triglyceridsenkende Medikation zusätzlich zu einem Statin. „Eine Subgruppenanalyse der ACCORD-Lipid-Studie ließ vermuten, dass Patient*innen mit hohen Triglyceriden und niedrigem LDL-Cholesterin (LDL-C) von Fibraten profitieren könnten“, erklärte Prof. Lehrke den Hintergrund von PROMINENT.5 In diese Studie wurden rund 10.500 Menschen mit Typ-2-Diabetes, hohen Triglyceriden und niedrigem HDL-C (< 40 mg/dl) aufgenommen (Durchschnitt: 64 Jahre, 70 % CV-Vorerkrankungen). Ein deutlicher Unterschied blieb auch in dieser Endpunktstudie aus: Nach einem mittleren Follow-up von 3,4 Jahren traten unter Pemafibrat 572 primäre Endpunkte auf (Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Koronarvaskularisation) gegenüber 560 Fällen unter Placebo.

Diabetes Update 2023

Literatur:

  1. Lindholt JS et al. N Engl J Med 2022; 387(15): 1385-1394; doi: 10.1056/NEJMoa2208681
  2. Tabák AG et al. Circulation 2022; 146(13): 995-1005; doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.122.059430
  3. GRADE Study Research Group. N Engl J Med 2022; 387(12): 1063-1074; doi: 10.1056/NEJMoa2200433
  4. Goldberg RB et al. Circulation 2022; 145(22): 1632-1641; doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056756
  5. Das Pradhan A et al. N Engl J Med 2022; 387(21): 1923-1934; doi: 10.1056/NEJMoa2210645 

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