Da läuft das Wasser im Mund zusammen

Dr. Sonja Kempinski

Parotisgewebe mit Drüsenzellen und Ausführungsgang rechts oben (REM-Aufnahme, gefärbt). Parotisgewebe mit Drüsenzellen und Ausführungsgang rechts oben (REM-Aufnahme, gefärbt). © Science Photo Library/EYE OF SCIENCE

Ziel der Therapie des Sjögren-Syndroms ist neben der Symptomlinderung die Prophylaxe langwieriger Komplikationen. Doch es gibt kaum zugelassene Medikamente, und viele Wirkstoffe sind weniger effektiv als erwartet. Nun weckt ein Antikörper Hoffnung.

Die EULAR-Empfehlungen zur Behandlung des Sjögren-Syndroms beruhen im Wesentlichen auf Erfahrungswissen, berichtete Prof. Dr. ­Thomas ­Dörner, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie an der ­Charité – Universitätsmedizin Berlin. Sind Lunge oder Gelenke massiv beteiligt, greift man zu Biologika, wobei regelmäßig das B-Zell-depletierende Rituximab zum Einsatz kommt, erläuterte der Arzt. Doch in den Studien enttäuschte der Anti-CD20-Antikörper – obwohl doch der abnormalen B-Zell-Funktion bekanntermaßen eine zentrale Rolle bei der Pathogenese des Sjögren-Syndroms zukommt.

Typischerweise lassen sich im entzündeten Parotisgewebe vermehrt ­B-Zellen finden. Hinweise auf deren veränderte Aktivität sind die intensive Produktion von Autoantikörpern, die Hypergammaglobulinämie und das beim Sjögren-Syndrom erhöhte Risiko für B-Zell-Lymphome. Wahrscheinlich wird die erhöhte B-Zell-Aktivität von ­T-Zellen getriggert, erklärte Prof. ­Dörner. Darauf lassen bestimmte Merkmale der Autoantikörper schließen.

Der B-Zell-aktivierende Faktor ­BAFF ist mit das wichtigste Zytokin der Erkrankung. BAFF führt dazu, dass T- und ­B-Zellen in ektopischen lymphoiden Strukturen aktiviert werden und sich zu TH17-Zellen, Makrophagen und Plasmazellen differenzieren. Schlussendlich kommt es über Interleukine, Autoantikörper und Komplementfaktoren zu Destruktionen und Funktionseinbußen in den Drüsen und den anderen betroffenen Geweben. Die Krankheit über die B-Zellen zu packen, scheint deshalb eine erfolgversprechende Strategie zu sein.

B-Zell-Depletion der 3. Generation

Mit dem monoklonalen Antikörper Ianalumab bietet sich eine „Depletion der dritten Generation“, wie es Prof. ­Dörner ausdrückte. Über einen dualen Mechanismus dockt die Substanz an den BAFF-Rezeptor der B-Zellen an, sobald dieser BAFF gebunden hat. Dadurch geht nicht nur die Zahl zirkulierender ­B-Zellen deutlich zurück, auch die Ausreifung zur Plasmazelle im Gewebe wird effektiv gestört, was wiederum die Hypergammaglobulinämie eindämmt. Ein großer Teil der ­B-Zellen befindet sich beim Sjögren-Syndrom nämlich im Gewebe, erläuterte der Referent, und es ist der große Vorteil des Antikörpers, dass dieser die ­B-Zellen genau dort erreicht.

Die bisherigen Erfahrungen mit Ianalumab sind vielversprechend. So führte in der Proof-of-concept-Studie schon die einmalige intravenöse Injektion von 10 mg/kgKG zu einer deutlichen Besserung im ESSDAI* in Woche 24. Dieser Effekt hielt bis zur Erholung der depletierten ­B-Zellen an, was bei manchen Patienten länger als ein Jahr auf sich warten ließ. Außerdem besserte die B-Zell-Depletion mit Ianalumab auch die ­Fatigue, die gerade bei Sjögren-Patienten oft sehr ausgeprägt ist. Mit dem klinischen Ansprechen korreliert das Geschehen in den Speicheldrüsen, berichtete der Arzt. So ließ sich mithilfe des kontrastmittelgestützten Ultraschalls der Rückgang der Entzündung zeigen.

Darüber hinaus belegen Daten einer Phase-2b-Dosisfindungstudie (siehe Kasten) die positiven Effekte der Antikörpertherapie: Der Speichelfluss war unter monatlich 300 mg/kgKG Ianalumab sowohl in Woche 24 als auch in Woche 52 deutlich höher als unter Placebo. Für Prof. ­Dörner ist die Substanz ein aussichtsreiches Molekül, das die Therapie des Sjögren-Syndroms in Zukunft bereichern könnte.

Ianalumab im Test an 190 Patienten

Sicherheit und Wirksamkeit von Ianalumab wurden in einer doppelblinden, placebokontrollierten Phase-2b-Dosisfindungsstudie an 190 Patienten mit primärem Sjögren-Syndrom geprüft. Ihr Alter reichte von 18 bis 75 Jahren und die überwiegende Mehrzahl bestand aus Frauen, berichten Prof. Dr. Simon J. Bowman von der Universitätsklinik Birmingham und Kollegen. Die Probanden wiesen eine mindestens mäßige Krankheitsaktivität (ESSDAI ≥ 6) und unterschiedliche Symptomschweren (ESSPRI ≥ 5) auf. Voraussetzung für die Teilnahme waren zudem Anti-SSA-Antikörper und eine stimulierte Speichelflussrate > 0,1 ml/min. Nach Randomisierung bekamen die Patienten über 24 Wochen hinweg alle vier Wochen entweder Placebo oder Ianalumab (5 mg, 50 mg oder 300 mg) s.c. appliziert. Die Studie zeigte eine dosisabhängige Abnahme der Krankheitsaktivität, gemessen durch den ESSDAI, und erreichte damit ihr primäres Ziel. Auch bei sekundären Endpunkten war Ianalumab erfolgreich. Signifikant besser waren in der 300-mg-Gruppe nach 24 Wochen sowohl die stimulierte Speichelflussrate als auch das Physicians Global Assessment. Die Tränenflussrate war unter 300 mg Ianalumab nach 24 Wochen auch gestiegen, allerdings ohne Signifikanz zu erreichen. Insgesamt erwies sich Ianalumab als gut verträglich und sicher, ohne dass es zu einer Zunahme von Infektionen kam.

Autor: Elke Engels

Quelle: Bowman SJ et al. Lancet 2021, DOI: 10.1016/S0140-6736(21)02251-0

* EULAR Sjögren’s Syndrome Disease Activity Index

Quelle: Deutscher Rheumatologiekongress 2021 – virtuell

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