Extraglandulären Sjögren wie Lupus behandeln

Dr. Anja Braunwarth

CT-Befunde von vier pSS-Patienten mit 
Lungenbeteiligung: UIP = usual interstitial 
pneumonia; NSIP = non-specific interstitial pneumonia; DIP = desquamative interstitial pneumonia; CPFE = combined pulmonary fibrosis and emphysema CT-Befunde von vier pSS-Patienten mit Lungenbeteiligung: UIP = usual interstitial pneumonia; NSIP = non-specific interstitial pneumonia; DIP = desquamative interstitial pneumonia; CPFE = combined pulmonary fibrosis and emphysema © Ernst D, Witte T. internistische praxis 2020; 63: 65-75 © Mediengruppe Oberfranken - Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach

Mund- und Augentrockenheit sind die bekanntesten Zeichen des Sjögren-Syndroms. Die Hälfte der Patienten leidet aber an weiteren Manifestationen, die beinahe jedes Organsystem betreffen können. Unklare Befunde in Kombination mit Keratokonjunktivitis und Xerostomie sollten daher an die Autoimmunerkrankung denken lassen.

Mit einer Prävalenz von 1:100 bis 1:1000 gilt das primäre Sjögren-Syndrom (pSS) als häufigste Kollagenose. Die Auto­immunerkrankung trifft Frauen etwa zehnmal häufiger als Männer, meist erkranken Patienten zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr, schreiben Dr. Diana Ernst und Professor Dr. Torsten Witte von der Klinik für Rheumatologie und Immunologie der Medizinischen Hochschule Hannover.

Pathophysiologisch wird eine Kombination aus genetischer Prädisposition und Umweltfaktoren vermutet, histologisch liegt eine Autoimmunepithelitis vor. Das Hauptsymptom ist die nachweisbare Trockenheit von Mund und Auge, ausgelöst durch eine chronische Entzündung der Tränen- und Speicheldrüsen. Durch infiltrierende zytotoxische T-Zellen gehen die Drüsen im Laufe der Zeit zugrunde. Extraglandulär kann sich das pSS praktisch überall niederschlagen. Am häufigsten beobachtet man:

  • Befall der Gelenke (Arthralgien mit Morgensteifigkeit, Arthritis)
  • Kleingefäßvaskulitis
  • Polyneuropathie
  • interstitielle Lungenerkrankung
  • interstitielle Nephritis
  • Myalgien
  • Fatigue

Betroffene haben zudem ein etwa 15-fach erhöhtes Lymphomrisiko.

Diagnose mit Antikörpern, Histologie oder Sonographie

Sichere Diagnosekriterien existieren nicht für das pSS. Sich an der amerikanischen Klassifikation orientierend fordert man hierzulande mindestens den Nachweis von Antikörpern gegen die Kernproteine SS-A/Ro oder eine fokale lymphozytäre Sial­adenitis mit ≥ 1 Fokus/4 mm2 plus eine objektivierbare Sicca-Symptomatik (s. Kasten).

Die Trockenheit erfassen

Die Sicca-Symptomatik von pSS-Kranken lässt sich durch einfache Tests objektivieren. Den Speichelfluss prüft man mit dem Saxon-Test. Dafür kaut der Patient zwei Minuten lang auf einer zweimal gefalteten Kompresse (7,5 x 7,5 cm). Die Gewichtsdifferenz vor und nach dem Kauen entspricht der produzierten Speichelmenge. Ein Speichelfluss unter 2,75 g/m2 gilt als pathologisch. Der Schirmer-Test dient der Messung der Tränenproduktion. Man platziert zwei sterile Streifen Whatman-Filterpapier am Unterlid und liest nach fünf Minuten die Länge des Tränenfilms ab. Pathologisch sind Werte < 5 mm an mindestens einem Auge.

Verschiedene andere Punkte schließen ein pSS aus. Dazu gehören: Die Sonographie der großen Speicheldrüsen kann die Diagnostik ergänzen. Parenchymale Inhomogenitäten deuten auf die chronische Entzündung hin. Die Untersuchung erreicht eine Spezifität von ca. 95 %, aber nur eine Sensitivität von 63 %. Die Therapie der Augen- und Mundtrockenheit ist symptomorientiert und erfolgt in der Regel topisch. Zuckerfreie Drops oder Kaugummis, ggf. auch Pilocarpin, regen die Speichelproduktion an, Tränenersatzmittel lindern die okulären Probleme. Nach gesicherter Diagnose übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für diese Präparate. Ist der Leidensdruck sehr hoch, kann man die Tränenabflussgänge mit Plugs verschließen und Ciclosporin-Augentropfen einsetzen. Bei extraglandulärem Befall folgen die Behandlungsprinzipien denen des systemischen Lupus erythematodes, d.h., die Patienten erhalten in erster Linie DMARD, z.B. Hy­droxychloroquin oder Metho­trexat, wenn die Arthritis dominiert. Ein Versuch mit Hydroxychloroquin lohnt auch bei Fatigue. Liegen schwere Organmanifestationen vor, kommen Cyclophosphamid oder – off label – Mycophenolatmofetil infrage. Auf Basis der Pathophysiologie wurden und werden viele weitere Ansätze untersucht. TNF-α-Inhibitoren zeigten bezüglich Fatigue und Sicca-Symptome keine signifikante Wirkung. Der Interleukin (IL)-1-Rezeptorantagonist Anakinra linderte die chronische Müdigkeit dagegen nach vier Wochen deutlich. Der IL-6-Inhibitor Tocilizumab richtete allein gegen die Arthritis etwas aus.

Abatacept steigert die Speichelproduktion

Die RNase RSLV-132, die über eine Reduktion von Interferon Typ 1 agiert, lässt in einer laufenden Studie positive Effekte auf die Fatigue erkennen. Das Biologikum Abatacept verringerte in mehreren Untersuchungen die Krankheitsaktivität, senkte die B-Zell-Aktivitätsmarker und steigerte die Speichelproduktion. Studien mit Rituximab lieferten kontroverse Ergebnisse, Schmerzen und die chronische Müdigkeit scheinen sich darunter zu bessern. Dennoch gibt es bereits eine Empfehlung für die Substanz bei extraglandulärem Befall, etwa Purpura, vaskulitische Neuropathie oder Kryo­globulinämie. In der Testphase befinden sich zudem mehrere gegen B-Zellen gerichtete Therapien. 

Quelle: Ernst D, Witte T. internistische praxis 2020; 63: 65-75 © Mediengruppe Oberfranken - Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach

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Lungenbeteiligung: UIP = usual interstitial 
pneumonia; NSIP = non-specific interstitial pneumonia; DIP = desquamative interstitial pneumonia; CPFE = combined pulmonary fibrosis and emphysema CT-Befunde von vier pSS-Patienten mit Lungenbeteiligung: UIP = usual interstitial pneumonia; NSIP = non-specific interstitial pneumonia; DIP = desquamative interstitial pneumonia; CPFE = combined pulmonary fibrosis and emphysema © Ernst D, Witte T. internistische praxis 2020; 63: 65-75 © Mediengruppe Oberfranken - Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach
Trockene Zunge beim Sjögren-Syndrom. Bei Mundtrockenheit ist die gründliche Mundhygiene besonders wichtig.
Trockene Zunge beim Sjögren-Syndrom. Bei Mundtrockenheit ist die gründliche Mundhygiene besonders wichtig. © Science Photo Library/Stevenson, James