Trockene Augen sind noch lange kein Sjögren-Syndrom

Eine chronische Entzündung von Tränen- und Speicheldrüsen ist typisch für die Kollagenose Sjögren-Syndrom. Bei bis zu 50 % der Patienten kommen aber noch extraglanduläre Manifestationen wie Arthritis, Polyneuropathie oder Hashimoto-Thyreoiditis hinzu.

Das Sjögren-Syndrom gehört mit einer Prävalenz von bis zu 4,8 % zu den häufigen Autoimmunkrankheiten. Tritt es ohne andere Autoimmunerkrankungen auf, handelt es sich um ein primäres Sjögren-Syndrom, ansonsten wird es als sekundäres Sjögren-Syndrom bezeichnet, schreiben die Rheumatologen Dr. Diana Ernst und Professor Dr. Torsten Witte von der Medizinischen Hochschule Hannover.

Neben bestimmten Risiko-Genen können weitere Faktoren die Erkrankung begünstigen, beispielsweise weibliche Geschlechtshormone, die B-Zellen aktivieren und dadurch die Produktion von Autoantikörpern beeinflussen, und möglicherweise auch bestimmte Viren.

Die Sicca-Symptomatik, die man mit dem Sjögren-Syndrom häufig verbindet, ist ein sehr subjektives Empfinden und weit verbreitet. Bis zu 30 % der Bevölkerung klagen über trockene Augen oder Mundtrockenheit. Objektiv ermittelt ist die Tränen- und Speichelproduktion bei den meisten jedoch normal. Daher muss bei Verdacht auf Sjögren-Syndrom unbedingt eine Messung der Tränen- und Speichelproduktion erfolgen.

Patient kaut beim Test auf einer Kompresse rum

Wichtig zu wissen ist, dass ein Teil der Patienten einen rein glandulären Befall aufweist, bei dem außer der Trockenheit weitere Symptome wie Fatigue, Myalgien und Gelenkschmerzen hinzukommen können. Patienten mit extraglandulärem Verlauf klagen oftmals nicht über eine Sicca-Symptomatik, sondern über Symptome im Zusammenhang mit Arthritiden, Neuropathien und Nephropathien (s. Kasten). Es ist entscheidend – unabhängig von Klagen über eine Trockenheit – bei Arthralgien, Myalgien, Neuro- und Nephropathien an die Möglichkeit eines Sjögren-Syndroms zu denken, betonen die Autoren.

Zur Diagnostik der Augen- und Mundtrockenheit gehört ein Schirmer-Test, bei dem ein Filterpapierstreifen im äußeren Augen-Unterlid platziert und nach fünf Minuten abgelesen wird, wie weit der Tränenfilm auf dem Papier "gewandert" ist (Norm: ab 5 mm in 5 min). Beim Farbstofftest wird Bengalrosa-Lösung ins Auge getropft, die devitalisierte Zellen auf der Cornea und Bindehaut anfärbt. Mittels Spaltlampe kann der Augenarzt eine semiquantitative Bestimmung epithelialer Defekte durchführen (Van-Bijsterveld-Score).

Der Saxon-Test erlaubt eine Quantifizierung der Speichelproduktion: Bei diesem Test kaut der Patient auf einer standardisierten Kompresse, die vor und nach dem Kauen gewogen wird. Die Gewichtsdifferenz entspricht der produzierten Speichelmenge. Als normal gelten 2,75 g – oder besser noch 3,5 g – Speichel pro 2 Minuten. Weitere Methoden zur Speicheldrüsendiagnostik sind die Sialographie, die Sonographie und die Speicheldrüsen-Szintigraphie.

Eine wichtige Rolle bei der diagnostischen Abklärung spielt außerdem die Autoantikörper-Diagnostik. Das Sjögren-Syndrom ist bei 50 % bis 60 % der Patienten mit Antikörpern gegen SS-A und SS-B (früher auch La genannt) assoziiert. Der Nachweis von Rheumafaktor kann in Verbindung mit einem ANA(Antinukleäre Antikörper)-Titer ≥ 1:320 ebenfalls auf ein Sjögren-Syndrom hinweisen.

Tränengänge mit Plugs verschließen

Falls keine SS-A- und SS-B-Antikörper nachweisbar sind, empfehlen die Kollegen aus Hannover bei Verdacht auf Sjögren-Syndrom eine Speicheldrüsenbiopsie. Hierfür wird meist eine labiale Speicheldrüsenbiopsie durchgeführt, weil hier Komplikationen seltener sind als bei einer Biopsie der Parotis.

Die Sicca-Symptomatik bei Sjögren-Syndrom wird symptomatisch mit Tränenersatzstoffen behandelt. Bei sehr hohem Leidensdruck kann es hilfreich sein, die Tränengänge mit Plugs zu verschließen oder Ciclosporin-Augentropfen zu geben. Speichelersatzstoffe, Kaugummis und zuckerfreie Bonbons helfen gegen die Mundtrockenheit. Auch Pilocarpin beeinflusst die Speichelproduktion positiv.

Bei extraglandulären Manifestationen wie Polyneuropathie oder Vaskulitis muss immunsuppressiv behandelt werden. Hierfür kommen Hydroxychloroquin, Methotrexat oder Azathioprin infrage. Bei lebensbedrohlichen Manifestationen (z.B. Alveolitis oder schwerer Glomerulonephritis) ist Cyclophosphamid Mittel der ersten Wahl.


Quelle: Ernst D, Witte T. Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 544-549

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