Lupus Erythematodes
Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine heterogene Autoimmunerkrankung mit sehr variablem Verlauf und einem breiten Spektrum von Organmanifestationen.
Die Prävalenz lag 2002 bei 36,7/100.000 Einwohner, wobei Frauen viermal häufiger erkranken als Männer. Die Erkrankung beginnt häufig in der Pubertät, kann aber auch schon im Kindesalter auftreten.
In früheren Jahren war die Prognose sehr schlecht (1955 5-Jahres-Überlebenrate 5 %) – heute ist sie dank verbesserter Frühdiagnostik und Therapie wesentlich besser (10-Jahres-Überlebensrate 92 %).
Der Krankheitsverlauf ist durch Schübe und Remissionen gekennzeichnet. Wichtige Triggerfaktoren des LE sind:
- UV-Licht
- Rauchen
- Medikamente (z.B. Hypochrolothiazide, Hydralazin, anti-TNF-Antikörper)
Hautveränderungen
– treten bei 75% der Patienten auf, bei einem Viertel als Erstsymptom
Spezifisch:
- am häufigsten akuter kutaner LE (ACLE) als „Schmetterlingserythem“ im Gesicht oder als generalisiertes makulopapulöses Exanthem
- chronischer Verlauf (diskoider LE – DLE) mit entzündlichen erythematösen Plaques mit follikulären Hyperkeratosen und Vernarbungen (mit irreversibler Alopezie auf behaarten Anteilen)
- subakuter kutaner LE (SCLE) mit symmetrischen anulären, polyzyklischen und/oder papulosquamösen/psoriasiformen Hautveränderungen in lichtbetonter Verteilung (Rücken, Brust und Armstreckseiten ohne Narbenbildung)
Unspezifisch:
- Vor allem vaskuläre Hautveränderungen (z.B. periunguale Teleangiektasien, Livedo racemosa, Raynaud-Syndrom)
Muskel und Skelettsystem
- bei etwa 90 % aller Patienten
- Myalgien, Arthralgien
- Tendovaginitis, Synovitis
- Arthritis mit Befall großer und kleiner Gelenke
- bei rezidivierenden Arthritiden Gelenkdeformierungen ohne radiologische Gelenkerosion (vor allem Fingergelenke)
Niere
- Nierenbeteiligung bei etwa 50 % der Patienten (Lupusnephritis)
- Glomerulonephritis mit Proteinurie und Erythrozyturie (insbesondere dysmorphe Erythrozyten)
Kardiovaskuläres System
- Libmann-Sacks-Edokarditis
- Perikarditis, Myokarditis
- Koronarangiitis
- frühzeitige Arteriosklerose (Haupttodesursache)
Lunge
- trockene oder feuchte Pleuritis (40–60 %)
- selten Lupuspneumonitis oder Lungenfibrose
ZNS
- ZNS-Manifestationen bei 15-20 % der Patienten (meist unspezifisch z.B. Kopfschmerzen)
- neuropsychiatrische Manifestationen (z.B. kognitive Einschränkungen, Psychosen, Depression)
- hirnorganische Syndrome (z.B. epileptische Anfälle)
- transverse Myelitis
- vaskuläre Ereignisse (z.B. Vaskulitiden, arteriell/venöse Thrombosen)
- periphere Neuropathien
Hinweisende Untersuchungsbefunde sind:
- akuter kutaner LE (inklusive Schmetterlingserythem)
- chronischer kutaner LE
- orale Ulzera (an Gaumen und/oder Nase)
- nicht vernarbende Alopezie
- Synovitis (≥ 2 Gelenke) oder Druckschmerz (≥ 2 Gelenke) und Morgensteife (≥ 30 min)
- Serositis (Pleuritis oder perikardiale Schmerzen, die länger als 1 Tag anhalten)
Screeninglabor bei klinischem Verdacht:
- BSG ↑ (aktive SLE)
- Blutbild/Differenzialblutbild (Thrombozytopenie und/oder Leuko- und Lymphopenie, evtl. hämolytische Anämie)
- Kreatinin
- Urinstatus und –sediment
- antinukleäre Antikörper (ANA) mit Angabe des Fluoreszenzmusters
Weiterführende Labordiagnostik bei pathologischem Screeninglabor (vor allem positive ANA):
- weitere ANA-Differenzierung (vor allem anti-Sm, -Ro/SSA, -La/SSB, -U1RNP Antikörper, etc.)
- anti-dsDNA Antikörper
- Komplement C3, C4
- Antiphospholipid-Antikörper, Lupusantikoagulanz
- glomeruläre Filtrationsrate (GFR); 24h-Sammelurin (bei Eiweiß im Urinstatus), alternativ: Protein/Kreatinin-Ratio in einzelner Urinprobe, Untersuchung auf dysmorphe Erythrozyten im Sediment
- Leberenzyme; Laktat-Dehydrogenase; ggf.Kreatinkinase bei Muskelbeschwerden
- weitere Laboruntersuchungen abhängig von der klinischen Symptomatik
- Screening auf Komorbiditäten
- Impfstatus erheben
Weitere Diagnostik (abhängig von Organbeteiligung)
Haut/Mundschleimhaut
- Biopsie: Histologie, ggf. Immunfluoreszenz
Gelenke
- konventionelles Röntgen
- Arthrosonographie
- Magnetresonanztomographie (MRT)
Muskel
- Kreatinkinase
- Elektromyographie
- MRT
- Muskelbiopsie
Niere
- Sonographie
- Nierenbiopsie
Lunge/Herz
- Röntgenthorax
- hochauflösende Computertomographie des Thorax (HR-CT)
- Lungenfunktionsdiagnostik mit Messung der Diffusionskapazität
- bronchoalveoläre Lavage
- (transösophageale) Echokardiographie
- Herzkatheteruntersuchung
- kardiales MRT
- Myokardszintigraphie
- Koronarangiographie
Auge
- Fundusskopie/spezielle Untersuchungen unter Antimalariamitteln
Zentrales und peripheres Nervensystem
- Elektroenzephalographie
- vorrangig MRT des Schädels, ggf. spezielle MRT-Techniken
- Computertomographie
- Liquordiagnostik
- transkranieller Doppler/Angiographie
- neuropsychiatrische Untersuchung
- Messung der Nervenleitgeschwindigkeit
Zur standardisierten Erfassung der Aktivität der SLE stehen verschiedene Scores zu Verfügung, die klinische Befunde und Laborparameter beinhalten.
Wichtige Differenzialdiagnosen sind:
- Rheumatoide Arthritis
- andere Kollagenosen
- bei Blutbildveränderungen hämatologische Erkrankungen
- bei renaler Manifestation Nierenerkrankungen anderer Genese
- bei neurologischer Manifestation andere neurologische Erkrankungen
- primäres Antiphospholipid-Syndrom ohne Hinweis auf SLE
- medikamentös induzierter Lupus
Antimalariamittel
Bei jedem Patienten mit SLE ist die Behandlung mit Antimalariamitteln (bevorzugt Hydroxychloroquin, alternativ Chloroquin) indiziert, es sei denn es bestehen Kontraindikationen.
- gute Effektivität bei Arthritiden und LE-spezifischen Hautveränderungen
- fördern Remissionserhaltung
- senken Schubfrequenz
- Reduktion von Thromboembolien und günstige Beeinflussung des kardiovaskulären Risikos
- vermindern den Schaden im Verlauf der Erkrankung
- Wirksamkeit wird oft erst nach 3–6 Monaten erreicht
- Falls dann noch keine Besserung der kutanen Manifestationen evtl. Kombination von Hydroychloroquin/Chloroquin mit Mepacrin
- Rauchen kann Wirkung der Antimalariamittel herabsetzen
- Bei Patienten ohne organgefährdende Manifestationen reicht diese Therapie meist aus.
Topische Therapie
- Zur lokalen Behandlung der Hauveränderungen sind topische Glukokortikoide Mittel der ersten Wahl
- topische Glukokortiokoide nur intermittierend und nicht langfristig (insbesondere nicht beim Schmetterlingserythem)
- Alternative kann die „off-label“-Anwendung von topischen Calcineurininhibitoren sein.
Immunsupressive Therapie
- Bis zum Wirkeintritt der Antimalartiamittel benötigen die meisten SLE-Patienten kurzfristig wirksame Medikamente wie NSAR oder systemische Glukokortikoide.
- Lässt sich die Glukokortikoid-Dosis nicht in angemessener Zeit reduzieren oder absetzen, kann auch ohne Organbeteiligung der Einsatz von Immunsuppressiva wie Azathioprin, Methotrexat oder Mycophenolat-Mofetil gerechtfertigt sein, um Glukokortikoide einzusparen
- Der monoklonale Antikörper Belimumab kann als Zusatztherapie bei Autoantikörper-positiver SLE eingesetzt werden, wenn trotz Standardtherapie eine hohe Krankheitsaktivität besteht, Unverträglichkeiten gegenüber anderen Therapeutika vorliegen oder ein inakzeptabel hoher Bedarf an Glukokortikoiden besteht.
- Bei Organmanifestationen (insbesondere Niere und ZNS) immer immunsupressive Therapie
- Induktionstherapie bei proliferativer Lupusnephritis (Klasse III–IV) mit Mycophenolat-Mofetil (bzw. Mycophenolsäure in äquivalenter Dosis) oder niedrig-dosiertes intravenöses Cyclophosphamid in Kombination mit Glukokortikoiden
- Bei Ansprechen für mindestens drei Jahre Erhaltungstherapie mit niedrig-dosierter Immunsuppression (entweder mit Mycophenolat-Mofetil bzw. Mycophenolsäure oder Azathioprin in Kombination mit niedrigdosiertem Prednison)
Zusätzliche Maßnahmen
- Konsequente Therapie der Komorbiditäten (Infektionen, Arteriosklerose, Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes mellitus, Osteoporose, avaskuläre Nekrosen, maligne Erkrankungen)
- Impfungen von immunsupprimierten Patienten (insbesondere Influenza, Pneumokokken)
Prophylaktische Maßnahmen:
- Lichtschutz (UVA/UVB-Lichtschutzfilter 50+, Kleidung Kopfbedeckung)
- Rauchabstinenz
- Meiden auslösender Medikamente (z.B. Hydralazin, TNF-alpha-Antagonisten)
Eine wirksame Prävention ist nicht bekannt.
1. Herold - Innere Medizin 2017
2. Annegret Kuhn et al; Diagnostik und Therapie des systemischen Lupus erythematodes; Dtsch Ärztebl (2015); 112(25): 423-433
Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG):
Kutaner Lupus erythematodes
Leitlinie der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin:
Systemischer Lupus erythematodes (Stand 01 – 2013)
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