Das Übel an der Wurzel packen

Dr. Melanie Söchtig

Übelkeit und Erbrechen sind nicht selten auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) zurückzuführen. Übelkeit und Erbrechen sind nicht selten auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) zurückzuführen. © iStock/ m-gucci

Von der einfachen Gastroenteritis über den Herzinfarkt bis zur Intoxikation: Übelkeit und Erbrechen begleiten eine Vielzahl von Erkrankungen. Ein strukturiertes Vorgehen hilft, die Ursache abzuklären und die Therapie zu planen.

Auf der Suche nach dem Auslöser von Übelkeit und Erbrechen lohnt es sich, sowohl bei der Anamnese als auch bei der körperlichen Untersuchungen planvoll vorzugehen. Dr. ­June ­Tome von der Mayo Clinic in Rochester und Kollegen empfehlen dafür fünf Schritte:.

Schritt 1: Beschwerden definieren

Symptome wie Regurgitation oder Rumination können von den Patienten als Nausea oder Erbrechen fehlinterpretiert werden. Um das Beschwerdebild genau abzugrenzen, sind folgende Definitionen hilfreich:

  • Nausea: subjektiv empfundenes, unangenehmes Gefühl im Hals oder im Epigastrium; tritt häufig unmittelbar vor dem Erbrechen auf
  • Erbrechen: körperlicher Vorgang, der zu einer schnellen und kräftigen oralen Ausscheidung von Mageninhalt führt; wird von einer Kontraktion der Bauchmuskulatur begleitet
  • Würgen: aktives und wiederholtes krampfartiges Zusammenziehen der Bauchmuskulatur bei geschlossener Stimmritze, ohne dass Mageninhalt ausgestoßen wird
  • Regurgitation: passive retrograde Bewegung von Speiseröhren- oder Mageninhalt zurück in den Mund ohne die für Erbrechen charakteristische Zwerchfell- oder Muskeltätigkeit
  • Rumination: Wiederaufstoßen von teilweise verdauter Nahrung zurück in den Mund durch willentliche Erhöhung des Bauchdrucks

Schritt 2: Chronizität abklären

Schritt 2 besteht darin, die Sym­ptomdauer zu beurteilen und festzustellen, ob die Beschwerden akut (≤ 7 Tage) oder chronisch (≥ 4 Wochen) auftreten. Akute Beschwerden sind meist auf eine kurzzeitige Erkrankung (z.B. virale Gastroenteritis), eine selbstbegrenzende somatische Störung (z.B. Muskel-Skelett-Trauma; akuter Myokardinfarkt) oder eine vorübergehende unerwünschte Arzneimittelwirkung zurückzuführen. Sie können daher oft symptomatisch behandelt werden, ohne dass eine eingehende Ursachenforschung betrieben werden muss.

Bei chronischen Beschwerden ist es sinnvoll, die folgenden Hauptursachen zu berücksichtigen:

  • unerwünschte Arzneimittelwirkungen (s. Schritt 3)
  • neurologische Ursachen (z.B. erhöhter intrakranieller Druck, Krämpfe, Migräne, Schwindel)
  • gastrointestinale Erkrankungen (z.B. chronische intestinale Pseudo­obstruktion, Dyspepsie, Gastroenteritis, Pankreatitis)
  • Stoffwechsel- und endokrine Erkrankungen (z.B. Nebennieren­insuffizienz, diabetische Ketoazidose, Elektrolytstörung)
  • psychogene Störungen (z.B. Angststörung, Anorexia nervosa, Depression)

Schritt 3: Unerwünschte Wirkungen und Toxine erwägen

Übelkeit und Erbrechen sind nicht selten auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) zurückzuführen. Dies ist insbesondere bei nicht-steroidalen Entzündungshemmern, Antiarrhythmika, Antibiotika, Anti­epileptika, Opiaten und Levo-
dopa der Fall. Weitere Ursachen, die in Betracht gezogen werden sollten, sind:

  • übermäßiger und langfristiger Cannabiskonsum (Cannabinoid-Hyperemesis-Syndrom)
  • Chemo- und Strahlentherapien
  • postoperative Übelkeit und Erbrechen (i.d.R. bis 24 Stunden nach dem Eingriff)

Schritt 4: Weitere Untersuchungen einleiten und Differenzialdiagnosen abklären

Beispiele für Diagnosen im Zusammenhang mit Nausea und Erbrechen sind:

  • funktionelles Erbrechen: häufige Episoden wiederkehrenden Erbrechens bei Fehlen organischer, psychiatrischer, systemischer oder anderer Stoffwechselerkrankungen, die die Symptome erklären könnten
  • zyklisches Erbrechen: stereotype und wiederkehrende einzelne Episoden des Erbrechens im Wechsel mit variablen symptomfreien Perioden
  • konditionierte(s) Übelkeit/Erbrechen: Symptome werden durch spezifische sensorische Umweltreize ausgelöst.

Das anschließende Vorgehen richtet sich nach Anamnese und körperlicher Untersuchung. So können neben einem großen Blutbild und einer Elektrolytanalyse spezielle Laboruntersuchungen angezeigt sein (z.B. Schwangerschaftstest). Bei Patienten mit leichten Beschwerden ohne Alarmsymptome darf die Einleitung einer antiemetischen Therapie ohne zusätzliche Bildgebung in Betracht gezogen werden. In allen anderen Fällen sollten weitere Untersuchungen erfolgen.

Schritt 5: Therapie initiieren

Die Behandlung konzentriert sich auf die Behebung der Grunderkrankung und die Linderung der Sym­ptome mit Antiemetika und Prokinetika (z.B. Ondansetron, Promethazin oder Metoclopramid). Bei chronischen, refraktären Symptomen kommen auch komplementäre und alternative Therapien infrage.

Quelle: Tome J et al. Mayo Clin Proc 2022; 97: 600-608;  DOI: 10.1016/j.mayocp.2021.10.030

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Übelkeit und Erbrechen sind nicht selten auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) zurückzuführen. Übelkeit und Erbrechen sind nicht selten auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) zurückzuführen. © iStock/ m-gucci