Übelkeit und Erbrechen bei älteren Patienten – was sind die Ursachen?

Dr. Dorothea Ranft

Etwa ein Viertel der Senioren wird mit Arzneimitteln behandelt, die sich für diese Altersgruppe nur bedingt eignen. Etwa ein Viertel der Senioren wird mit Arzneimitteln behandelt, die sich für diese Altersgruppe nur bedingt eignen. © iStock/deeepblue

Mindestens ein Drittel der Senioren leidet an Übelkeit, so die Schätzung. Am betagten Magen allein kann es nicht liegen, wohl aber an diversen alterstypischen Erkrankungen. Eine häufige Übelkeitsursache ist auch eine nicht altersadaptierte Pharmakotherapie.

Die physiologische Alterung des Gastrointestinaltrakts beeinflusst die Verdauung ganz gehörig. Für sich allein kann sie aber weder Übelkeit noch Erbrechen hervorrufen. Sie steigert „nur“ die Empfindlichkeit für pathogene Einflüsse und potenzielle Nebenwirkungen von Arzneimitteln, betont Dr. Rolf Schaefer, Internist in Bergisch Gladbach.

Jede vierte Medikation beim Senior bedingt geeignet

Rund die Hälfte der über 65-Jährigen leidet an mindestens drei relevanten chronischen Erkrankungen. Das Spektrum reicht von arterieller Hypertonie, Diabetes und Herzinsuffizienz bis zu COPD, Osteoporose und Polyarthrose. Für eine leitliniengerechte Therapie müssten viele von ihnen jeden Tag zwölf verschiedene Wirkstoffe einnehmen, von denen man zirka 66 Medikamenteninteraktionen erwarten kann. Das Risiko für unerwünschte Arzneimitteleffekte liegt bei 25 %.

Am häufigsten verordnet werden im Rentenalter Statine, Opioide, PPI, Antidepressiva und Antidementiva. Sämtliche Vertreter dieser Substanzgruppen können Übelkeit, Erbrechen oder andere gastrointes­tinale Beschwerden auslösen. Von den emetischen Begleiteffekten einer Krebstherapie ganz zu schweigen. Außerdem wird etwa ein Viertel der Senioren mit Arzneimitteln behandelt, die sich für diese Altersgruppe nur bedingt eignen. Ein knappes Drittel nutzt zusätzlich freiverkäufliche Medikamente. Beides erhöht die Zahl der Nebenwirkungen und Interaktionen zusätzlich.

Zu den bedeutsamsten Erkrankungen, die mit Übelkeit in Verbindung stehen, zählt der Typ-2-Diabetes. Am häufigsten betroffen sind mit einem Anteil von etwa einem Drittel Männer und Frauen zwischen 80 und 85 Jahren. Bei etwa der Hälfte von ihnen lassen sich infolge der autonomen Neuropathie Störungen von Ösophagusmotilität und Magenentleerung nachweisen. Jeder vierte Diabetiker klagt über gastrointestinale Beschwerden wie Nausea, Emesis, Obstipation und Diarrhö.

Nierenschwäche kann auf den Magen schlagen

An einem Morbus Parkinson leiden etwa 1 % der über 60-Jährigen. Mehr als zwei Drittel der Betroffenen weisen eine gestörte Magenmotilität auf, deren Schweregrad mit den motorischen Einschränkungen korreliert. Auch die Medikation kann auf den Magen schlagen: Mehr als 10 % der Parkinsonpatienten entwickeln unter Levodopa/Benserazid Übelkeit mit und ohne Erbrechen.

Ein weiterer häufiger Grund für gastrointestinale Beschwerden ist die chronische Niereninsuffizienz. Die Prävalenz steigt ab dem Alter von 50 Jahren exponentiell an. Zwischen 70 und 79 Jahren ist ein Fünftel der Menschen betroffen, im folgenden Lebensjahrzehnt sogar fast die Hälfte. Zu den Kardinalsymptomen des fortgeschrittenen renalen Funktionsverlusts zählen Nausea und Vomitus.

Wenn der Gastrointestinaltrakt altert
Ösophagus
verringerte Peristaltik, vermehrte nicht propulsive Kontraktionen, reduzierter Druck im unteren Sphinkter
Magen
verzögerte Entleerung für feste Nahrungsmittel und große Speisen, (Zunahme um ca. 6 min pro Jahrzehnt), Reduktion der Schrittmacher(Cajal)-Zellen um ca. 13 % pro Dekade ohne Veränderung der Magenpassage
Dünndarm
leicht erhöhte Entzündungswerte im Alter mit geringem Einfluss auf die Permeabilität, keine Veränderung der Motilität
Dickdarm
Zellverlust in Plexus myentericus und P. submucosus, Abnahme der Schrittmacherzellen, Verlängerung der Transitzeit um 29 min

Die Ursache der Übelkeit lässt sich oft mit einer sorgfältigen Anamnese und körperlichen Untersuchung genauer eingrenzen, wenn nicht sogar bereits herausfinden. Die weitere Abklärung (Labor, Bildgebung) sollte individuell erfolgen. Wichtig bei der Interpretation der Ergebnisse: Eine nachgewiesene Motilitätsstörung muss nicht die (alleinige) Ursache der Beschwerden sein, da eine multifaktorielle Genese möglich ist. Die Therapie der gastralen Symptome fokussiert primär auf die verursachende Grunderkrankung bzw. die auslösende (Multi-)Medikation. Erwägt man zusätzlich eine symptomatische Behandlung zum Beispiel mit Antiemetika bzw. Prokinetika, muss einiges beachtet werden. Zahlreiche der häufig eingesetzten Wirkstoffe eignen sich nur bedingt für Senioren. Eine Orientierungshilfe bietet die Priscus-Liste. In ihr werden z.B. Antiemetika wie Antihistaminika, Phenothiazine und Benzodiazepine als potenziell inadäquat eingestuft.

Metoclopramid nur in bestimmten Fällen indiziert

Von den Prokinetika sollte Metoclopramid aufgrund der extrapyramidalen Nebenwirkungen nur im Rahmen einer Chemo- oder Strahlentherapie bzw. bei Migräne verordnet werden. Im Rahmen einer erweiterten Therapie erwägen kann man außerdem Gabapentine, Olanzapine oder Trizyklika. Letztere fallen allerdings in die Kategorie potenziell inadäquat für Ältere, schreibt der Geriater.

Quelle: Schaefer R. Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 446-450; DOI: 10.1055/a-1202-9366

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Etwa ein Viertel der Senioren wird mit Arzneimitteln behandelt, die sich für diese Altersgruppe nur bedingt eignen. Etwa ein Viertel der Senioren wird mit Arzneimitteln behandelt, die sich für diese Altersgruppe nur bedingt eignen. © iStock/deeepblue