Den Teufelskreis durchbrechen

Dr. Melanie Söchtig

Typisch für das Cyclic Vomiting Syndrome sind immer wiederkehrende akute Episoden von Übelkeit und Erbrechen. Typisch für das Cyclic Vomiting Syndrome sind immer wiederkehrende akute Episoden von Übelkeit und Erbrechen. © Monkey Business – stock.adobe.com

Episoden von Übelkeit, Erbrechen und Unterleibsschmerzen im stetigen Wechsel mit symptomfreien Phasen – so sieht das Leben von Patienten aus, die unter zyklischem Erbrechen leiden. Ein biopsychosozialer Ansatz stellt den ­Betroffenen Hilfe in Aussicht.

Das Syndrom des zyklischen Erbrechens (Cyclic Vomiting Syndrome; CVS) ist ein Rätsel für die Wissenschaft und eine He­rausforderung für Ärzte. So ist nicht nur die genaue Pathophysiologie bislang ungeklärt, es gibt auch keine zugelassenen zielgerichteten Medikamente. Deshalb hat eine Expertengruppe unter Federführung von Dr. Rosita­ Frazier­ von der Mayo Clinic Arizona aktuelle Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen zu der Erkrankung in einer Übersichtsarbeit zusammengetragen.

Daraus geht unter anderem hervor, dass an der Entstehung von CVS wahrscheinlich eine Kombination aus genetischen, umweltbedingten, autonomen und neurohormonellen Faktoren eine Rolle spielt. Zudem konnte ein enger Zusammenhang mit Migränekopfschmerzen festgestellt werden. Weitere Komorbiditäten umfassen Angsterkrankungen, Depressionen und autonome Funktionsstörungen. Experten gehen davon aus, dass das Cannabinoid-­Hyperemesis-Syndrom eine Unterform des CVS darstellt. Paradoxerweise berichten aber einige CVS-Patienten von einer Besserung ihrer Beschwerden durch Cannabis. 

Die Diagnose eines CVS bei Erwachsenen stützt sich auf die Rom-IV-Kriterien. Demnach kann von einem CVS ausgegangen werden, wenn die Symptome mindestens zwölf Monate zuvor begonnen haben und folgende Kriterien für mindestens sechs Monate erfüllt sind:

  • stereotypes Erbrechen mit akuten Episoden, die jeweils weniger als eine Woche andauern 
  • mindestens drei diskrete Episoden im vergangenen Jahr und zwei Episoden in den letzten sechs Monaten mit einem Abstand von mindestens einer Woche
  • Fehlen von Übelkeit und Erbrechen zwischen den Episoden (andere, mildere Symptome können vorhanden sein)

Darüber hinaus stützen Migränekopfschmerzen in der Vorgeschichte oder in der Familie die Diagnose eines CVS. Um andere Ursachen auszuschließen, bieten sich eine Endoskopie des oberen Gastro­intestinaltraktes sowie bildgebende Untersuchungen des Abdomens an. 

In den Leitlinien zur Behandlung des CVS wird zur biopsychosozialen Herangehensweise geraten. An erster Stelle stehen Lebensstilmodifikationen wie das Identifizieren und Vermeiden von Auslösern, gute Schlafhygiene, eine gesunde Ernährung und ein solides Stressmanagement. Unter Umständen ist auch Psychotherapie sinnvoll. Daneben gilt es, Begleiterkrankungen so gut wie möglich in den Griff zu bekommen. 

Die medikamentöse Therapie richtet sich nach der Schwere der Erkrankung. Mäßige bis schwere Verläufe unterscheiden sich von milden Verläufen durch längere Episoden (> zwei Tage), die mindestens vier Mal pro Jahr auftreten und mit einer längeren Erholungszeit zwischen den Episoden sowie Besuchen in der Notaufnahme oder mit Klinikeinweisungen einhergehen. Unabhängig von der Schwere benötigen alle CVS-Patienten eine wirksame Akut­therapie, um die Symptome und die antizipatorische Angst bei einer beginnenden Episode zu lindern. 

Für die Akuttherapie eignen sich Triptane und Antiemetika

Hierfür eignen sich am besten Triptane wie Sumatriptan oder Antiemetika wie Ondansetron, gegebenenfalls in Kombination mit Benzodiazepinen. Alternativ kann Aprepitant eingesetzt werden. Weitere Optionen für die Akuttherapie des CVS sind Phenothiazine und Antihistaminika. Darüber hinaus ist bei allen Patienten die Gabe von Coenzym Q10 zu erwägen.

Bei Patienten mit mäßigem bis schwerem CVS ist zudem die medikamentöse Prophylaxe sinnvoll. Diese erfolgt in erster Linie mittels trizyklischen Antidepressiva wie Amitriptylin (bevorzugt) und Nortriptylin. Vor Behandlungsbeginn und in der Ti­trationsphase wird die Durchführung eines EKG empfohlen. Alternativ stehen Antiepileptika wie Topiramat und Aprepitant zur Verfügung.

Da es Hinweise auf eine sympathische und parasympathische Dysfunktion bei CVS gibt, stellt die Neuromodulation einen interessanten nicht-medikamentösen Ansatz dar. Bei Kindern mit chronischen Störungen der Darm-Hirn-Achse, einschließlich CVS, hat sich eine perkutane aurikuläre Neuromodulation über sechs Wochen als erfolgreiche Prophylaxe erwiesen. 

Auch mit speziellen Meditationsverfahren ließen sich nachweislich erste Erfolge erzielen. Einen weiteren vielversprechenden Ansatz stellt die Akupunktur dar – auch wenn noch keine Daten zur Wirksamkeit bei CVS vorliegen. Doch zumindest im Falle von Übelkeit und Erbrechen im Rahmen einer Chemotherapie scheint eine Akupunktur am P6- oder Neiguan-Punkt die Symptome der Patienten zu lindern.

Quelle: Frazier R et al. Am J Gastroenterol 2023; 118: 1157-1167; DOI: 10.14309/ajg.0000000000002216

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Typisch für das Cyclic Vomiting Syndrome sind immer wiederkehrende akute Episoden von Übelkeit und Erbrechen. Typisch für das Cyclic Vomiting Syndrome sind immer wiederkehrende akute Episoden von Übelkeit und Erbrechen. © Monkey Business – stock.adobe.com