
Das Wichtigste zu bipolaren Störungen
Die Symptome früh erkennen, die Patienten in vollständige Remission bringen und das normale Funktionsniveau wiederherstellen: Das ist das Ziel der Therapie bipolarer Störungen.
Bipolare Störungen beginnen meistens vor dem 29. Lebensjahr
Ein Experte erklärt, wie es erreicht werden kann. Bipolare Störungen manifestieren sich früh im Leben. Etwa 40 % der Betroffenen haben eine erste Episode im Alter von 13 bis 19 Jahren, jenseits des 29. Lebensjahres sind es nur noch 18 %, so das Ergebnis einer retrospektiven Studie.
In etwa zwei Drittel der Fälle beginnt die Krankheit mit einer oder mehreren depressiven Episoden, die Diagnose „bipolar“ ergibt sich erst retrospektiv. Ein früher Erkrankungsbeginn gilt als klarer Hinweis auf Bipolarität, erklärte Professor Dr. Michael Bauer von der Universitätsklinik Dresden beim 2. Psychiatrie-Update-Seminar.
Prodromalsymptome geben Hinweis auf bipolare Störung
Aus seinem „Haus“ stammt eine Arbeit, in der Risikokonstellationen für bipolare Störungen bzw. Prodromalsymptome identifiziert werden konnten. So gehören zum Prodrom:
- Stimmungsschwankungen
- Störungen von zirkadianem Rhythmus und Schlaf
- gestörte affektive Ansprechbarkeit
- Ängstlichkeit/Angst
- Unterschwellige depressive, hypomane oder gemischte Symptome
Der zweifellos stärkste Risikofaktor für den Ausbruch der Erkrankung ist eine positive Familienanamnese. Im sog. manischen Prodrom, das sich über Monate hinziehen kann, finden sich häufiger Substanzabusus, vermindertes psychosoziales Funktionsvermögen und Verhaltensauffälligkeiten.
Bipolare Störung: Atypika Mittel der Wahl in der akuten manischen Episode
Jugendliche, die plötzlich starke Stimmungsschwankungen zeigen und evtl. noch eine positive Familienanamnese für affektive Erkrankungen aufweisen, sollten Sie sehr gut im Auge behalten, forderte Prof. Bauer. In der Monotherapie der akuten manischen Episode sind die Atypika klar die Nummer 1. Erst an zweiter Stelle stehen die Stimmungsstabilisierer Lithium, Valproat und Carbamazepin.
Die meisten Patienten erhalten allerdings bereits initial eine Kombination (am häufigsten aus Atypikum plus Antikonvulsivum). Für die Zusatztherapie eignen sich Benzodiazepine, allerdings spielen sie nur eine relativ untergeordnete Rolle. Ob es Unterschiede in Wirksamkeit und Akzeptanz antimanischer Substanzen gibt, prüfte eine große Netzwerkanalyse.
Antipsychotika besser als konventionelle Stimmungsstabilisatoren?
Ausgewertet wurden 68 Studien bzw. die Daten von mehr als 16 000 Studienteilnehmern. Von 13 Substanzen erwiesen sich zehn effektiver als Placebo. Ohne Wirksamkeitsbelege blieben Gabapentin, Lamotrigin und Topiramat, berichtete Prof. Bauer. Die Studienautoren kamen zu dem Schluss, dass Antipsychotika, vor allem Risperidon, Olanzapin und Haloperidol, Vorteile gegenüber konventionellen Stimmungsstabilisatoren haben.
Zur medikamentösen Therapie der bipolaren Depression gibt es nur etwa 20 placebokontrollierte Doppelblindstudien. Daraus ergeben sich positive Ergebnisse vor allem für Quetiapin – die Substanz hat deshalb einen hohen Stellenwert in allen Leitlinien –, aber auch für Antidepressiva, Lamotrigin, Lithium, Olanzapin und Valproinsäure.
Bipolare Störung - Olanzapin oder Quetiapin bei neuer Episode
Negativ schneiden dagegen Aripiprazol, Chlorpromazin, Risperidon und Ziprasidon ab. Für andere mögliche Therapieoptionen fehlen schlichtweg die Daten. In der aktuellen S3-Leitlinie Bipolare Störungen gehen die Experten für die Behandlung der akuten Depression von zwei Szenarien aus:
- Beim Szenario A liegt eine neue, d.h. eine erste oder wiederholte Episode vor, der Patient hat bislang keine prophylaktische Behandlung mit einem Stimmungsstabilisator erhalten. Bei solch einer „de novo bipolar depression“ bietet sich die Gabe von Quetiapin an, dessen Wirksamkeit durch vier randomisierte und kontrollierte Studien (RCT) belegt ist. Olanzapin kommt ebenfalls in Betracht, für dieses Medikament gibt es eine positive RCT. Auch Lamotrigin und Carbamazepin scheinen nützlich zu sein, allerdings schlägt bei Lamotrigin das langsame Auftitrieren in der Praxis negativ zu Buche. Für Antidepressiva gibt es allenfalls Hinweise, dass sie kurzfristig einen gewissen Nutzen haben.
- Das Szenario B entspricht der Durchbruchdepression unter der Therapie mit einem Stimmungsstabilisierer. Hier ist die Datenlage äußerst schlecht. Man hat wiederum nur Hinweise, dass Patienten unter Lithiumprophylaxe von der Behandlung mit Lamotrigin profitieren. Für den Einsatz von Antidepressiva gibt es gar keine Evidenz. Allerdings besagt die klinische Erfahrung, dass diese Substanzen als Second-line-Option infrage kommen, wenn Lithium und Lamotrigin nicht gegeben werden können.
Lithium als Stimmungsstabilisator hat sich bewährt!
In der Langzeittherapie bzw. Rezidivprophylaxe ist nach wie vor Lithium die erste Wahl. Es gilt weltweit als der „kompletteste Stimmungsstabilisierer“ und zeigt auch eine suizidverhindernde Wirkung, betonte der Kollege. Im Vergleich zu Valproat habe es sich als wirksamer erwiesen, für einzelne Patienten biete allerdings die Kombination aus beiden Substanzen Vorteile.
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Quelle: 2. Psychiatrie-Update-Seminar; Prof. Dr. Michael Bauer, Universitätsklinik Dresden; youtube.com
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