Den Todesfallen im Haushalt entkommen

Dr. Hannah Goldbach/Dr. Sascha Bock

Reinigungsmittel und Chemikalien solten immer außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahrt werden. Reinigungsmittel und Chemikalien solten immer außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahrt werden. © fotolia/redpepper82

Ungefähr 100 000 Mal pro Jahr melden sich besorgte Eltern beim Giftnotruf. Und immerhin 20–40 Kinder sterben jährlich nach Unfällen mit Haushaltschemikalien. Dabei wäre Prävention so einfach – wenn sich die Verbraucher an ein paar Regeln halten.

Während die Unfallraten am Arbeitsplatz durch strenge Vorschriften und Hinweise sinken, werden z.B. Piktogramme im privaten Gebrauch schlicht ignoriert, kritisiert Professor Dr. Ursula Stephan vom Gefahrstoffbüro Prof. Stephan und Dr. Strobel in Halle (Saale). Die Todesrate durch Vergiftungen im Haushalt liegt für Erwachsene bei ca. 1 %, für Kinder bei etwa 0,2 %. Kleinstkinder im Alter zwischen zehn Monaten und zwei Jahren sind besonders gefährdet.

Kleber im Auge nicht selbst entfernen!

Toxische Stoffe oder Stoffgemische werden oral, dermal oder inhalativ aufgenommen. Die Schädigung reicht von lokalen Verätzungen durch Säuren oder Laugen bis hin zu systemischen Effekten. Darüber hinaus gibt es adstringierende Stoffe, die eine schwer passierbare Schicht auf Haut und Schleimhaut bilden können.

Schon bei gewöhnlichem Sekundenkleber ist Vorsicht geboten. Landet ein Tropfen auf der Hand oder sogar im Auge, kleben Finger bzw. Lider sofort (!) zusammen. Betroffene müssen unbedingt von einem Chirurg oder Augenarzt behandelt werden und sollten auf keinen Fall versuchen, das Problem selbst zu beheben, warnt Prof. Stephan.

Gasbackofen gründlich nachsäubern, sonst knallt‘s

Wasserlösliche Lösungsmittel wie Brennspiritus und Glasreiniger führen bei oraler Aufnahme zu einem klinischen Bild, das an eine Alkoholvergiftung erinnert. Laut der Autorin ist das Trinken solcher Stoffe bei Erwachsenen keineswegs selten. Bei Augenkontakt drohen heftige Schmerzen bis hin zur Hornhauttrübung.

Vergiftungszentren für den Ernstfall

Unter folgenden Telefonnummern sind die Vergiftungszentralen im Notfall 24 Stunden am Tag erreichbar: Berlin: 030/19240
Bonn: 0228/19240
Erfurt: 0361/730730
Freiburg: 0761/19240
Göttingen: 0551/19240
Homburg: 06841/19240
Mainz: 06131/19240
München: 089/19240

Sprayerzeugnisse enthalten als Treibmittel einfache Kohlenwasserstoffe, die neben einer narkotischen und neurotoxischen Wirkung leicht entzündbar sind. Nach Gebrauch als Backofenspray in einem Gasback­ofen hatten sich explosive Gemische mit Luft gebildet, schreibt Prof. Stephan. Als das Gas beim nächsten Betrieb gezündet wurde, kam es tatsächlich zu einer Explosion, die den Herd samt Gasleitung zerstörte. Gut nachreinigen lautet hier also das Stichwort. Auch Enteisersprays sollte man nach dem Winter besser nicht im Auto liegen lassen, da es sonst ebenfalls knallen kann.

Schon kurzes Saugen am Docht kann zum Tod führen

Eine ganze Palette an Haushaltschemikalien zählen zu den wasserunlöslichen organischen Lösungsmitteln, u.a. Fleckenentferner, Spezialreiniger, Lampenöl und flüssige Grill­anzünder. Die akute Vergiftung äußert sich durch gereizte Schleimhäute, vor allem aber durch neurotoxische Effekte (Kopfschmerz, Benommenheit, Schläfrigkeit, Übelkeit). Die Aspiration von Lampenöl löst eine chemische Pneumonie aus. Bereits kleine Schlucke, selbst das kurze Saugen am Docht, können zum Tod führen.

Sechs wichtige Regeln zur Prävention

  • Etiketten und Beipackzettel vor Gebrauch lesen.
  • Chemikalien außerhalb der Reichweite von Klein- und Kleinstkindern aufbewahren.
  • Handschuhe und Schutzbrille tragen, wenn es vorgeschrieben ist. Eltern und Erzieher dienen als Vorbilder für den Umgang mit chemischen Stoffen.
  • Produkte unterschiedlicher Hersteller niemals mischen
  • Kochsalz gehört nicht in Kinderhände. Bereits ein Teelöffel kann irreversible Hirnschäden verursachen oder zum Tod führen.
  • Dinge, die von Kindern abgeleckt werden können, dürfen nicht mit bleihaltigen Farben mit einem Bleigehalt > 0,15 % gestrichen werden.

Einigen Bleichmitteln können bei direktem Kontakt mit den Schleimhäuten ein Sauerstoffemphysem hervorrufen. Dabei sammelt sich O2 in den Zellen, was sehr schmerzhaft ist und letztlich zum Absterben des Gewebes führt. Beim Mischen von Reinigern auf Hypochloritbasis (z.B. basische Sanitärreiniger, Rohrreiniger) und sauren Reinigern (Entkalkungsmittel, WC-Reiniger, Klarspüler auf Zitronenbasis) besteht abermals Explosionsgefahr! Dabei bleibt eine Zertrümmerung des Toilettenbeckens oder ein Totalschaden des Geschirrspülers nicht aus – aufgrund der bekannten Chlor-Knallgas-Reaktion. Zudem warnt Prof. Stephan davor, hypochlorithaltige Reiniger zu erwärmen oder heißes Wasser hinzuzugießen. Das dabei freigesetzte Chlorgas kann ein Lungenödem bedingen. Bei Inhalation sollte daher immer (!) eine stationäre Aufnahme erfolgen.

Kein Erbrechen provozieren, sondern viel Wasser trinken

Tenside in Waschmittel oder Allzweckreiniger hingegen sind an sich kaum toxisch. Nach Verschlucken oder Einatmen tensidhaltiger Aerosole fungieren sie jedoch als Schaumbildner. In den Atemwegen kann das zum Ersticken führen oder es entwickelt sich auch hier ein Lungenödem, welches mitunter um bis zu 48 Stunden verzögert auftritt! Mangelnde Sorgfalt bei der Hausarbeit kann im Extremfall also das Leben kosten. Sollte es zu einem Kontakt mit Chemikalien kommen, empfiehlt die Autorin folgende Erstmaßnahmen:
  • Kein Erbrechen provozieren nach oraler Aufnahme z.B. von Benzinkohlenwasserstoffen, Laugen/Alkalien, Säuren, Schaumbildnern (Tenside).
  • Viel Wasser trinken (lassen) und v.a. bei Ingestion von Laugen/Alkalien, Säuren und Schaumbildnern den Notarzt alarmieren.
  • Augen bei Kontakt gründlich mit Wasser ausspülen und sofort einen Augenarzt aufsuchen oder Notarzt rufen.

Stephan U, internistische praxis 2017; 57: 729-739

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