Verätztes oder verbranntes Auge – Spülen, bis der Notarzt kommt

Dr. Alexandra Bischoff

Von einem Verband wird abgeraten, da er die Bulbusmotalität einschränkt und die lokale Temperatur erhöht. Von einem Verband wird abgeraten, da er die Bulbusmotalität einschränkt und die lokale Temperatur erhöht. © fotolia/Mediteraneo

Verätzungen oder Verbrennungen des Auges gelten als absolute Notfälle. Noch am Unfallort sollte mit der nächstgreifbaren Flüssigkeit gespült werden, was das Zeug hält. Nur so lassen sich – im besten Fall – Folgeschäden vermeiden.

Sowohl alkalische Substanzen (Kalk, Natronlauge) als auch Säuren (Schwefelsäure) führen am Auge binnen kürzester Zeit zu schweren Schäden des Bulbus bis hin zur Erblindung. Basen greifen das Gewebe chemisch an, Säuren verätzen eher. Auch thermische Läsionen sind keine Seltenheit: Leichtere Verbrennungen entstehen meist als Folge der Einwirkung von erhitzten Flüssigkeiten, wohingegen Feuerwerkskörper oder flüssiges Metall deutlich schwerere Verletzungen am Auge verursachen. Der Tränenapparat oder die Augenlider können ebenfalls mitbetroffen sein.

Die Prognose hängt stark von der Erstmaßnahme am Unfallort ab. Die Devise lautet: Spülen, spülen, spülen! Ist gerade nichts anderes greifbar, geht auch normales Leitungswasser, notfalls sogar Bier, Milch oder Cola, schreibt Professor Dr. Hans-Gert Struck von der Universitätsaugenklinik Halle (Saale). An Gefährdungsarbeitsplätzen, in Notarztwagen oder Notfallambulanzen sollte als Erstmaßnahme das Auge mit einer amphoteren hyperosmolaren Lösung ca. 15 Minuten lang gespült werden. Phosphatgepufferte Spüllösungen eignen sich nicht, da sie zu Kalzifikationen der Hornhaut führen.

Ein Verband richtet eher zusätzlichen Schaden an!

Anschließend appliziert man ein Kortikosteroid, das die beginnende Entzündungsreaktion hemmt. Ein topisches Antibiotikum soll zudem vor einer bakteriellen Infektion schützen. Von einem Verband rät der Augenarzt ab, er schränkt zum einen die Bulbusmotalität (Selbstreinigung!) ein und erhöht zum anderen die lokale Temperatur.

Therapie von Verätzungen und Verbrennungen

Stadium I + II:
  • lokal kombinierte Kortikosteroide- und Antibiotikagabe im Wechsel mit Vitamin C 
  • unkonservierte Hyaluronsäurepräparate zur Oberflächenpflege
  • systemische Carboanhydrasehemmer oder unkonservierte Betablocker bei erhöhtem Innendruck
  • Spülung mit Ringer-Laktat-Lösung
Stadium III + IV:
  • Amnionmembrantransplantation
  • Keratoplastik
  • Tenonplastik

Einer besonderen Erstspülbehandlung bedürfen Flusssäure- und Kalkverätzungen. Erstere reagiert mit den Ca2+-Ionen im Gewebe und wird so zur stark ätzenden unlöslichen Calciumfluoridsäure. Bei dieser Substanz gilt höchste Vorsicht auch für den Ersthelfer! Wenn über 4 % der Körperoberfläche (handtellergroß) verätzt sind, besteht sogar Lebensgefahr. Zum ersten Auswaschen empfiehlt sich die Hexafluorine®-Antiflusssäure-Lösung. Bei Kalkverätzungen bindet die 1%-EDTA-Lösung Ca2+-Ionen, während sich auch lipophile Flüssigkeiten (z.B. Salatöl) als Spüllösung eignen. Zudem sollte man versuchen, eingebrannte Kalkpartikel mechanisch (Wattetupfer, Lanzette) zu entfernen. Mit der Spaltlampenuntersuchung lässt sich der Schweregrad der Verletzung beurteilen. Dieser richtet sich u.a. nach Limbusschaden, Ausmaß der Ischämie und Chemosis. Je nachdem erfolgt die weitere Therapie (s. Kasten) ambulant (Stadium I und II) oder stationär (Stadium III und IV).

Struck HG. „Verätzung und Verbrennungen des Auges“, Klin Monatsbl Augenheilk 2016; 233: 1244-1253, DOI 10.1055/s-0042-104586, © Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart; und Struck HG. Der Augenspiegel 2017; 63: 34-38, © Der Augenspiegel Verlag GmbH & Co. KG, Ratingen

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Von einem Verband wird abgeraten, da er die Bulbusmotalität einschränkt und die lokale Temperatur erhöht. Von einem Verband wird abgeraten, da er die Bulbusmotalität einschränkt und die lokale Temperatur erhöht. © fotolia/Mediteraneo