
Verschlucken von Säure und Lauge richtig behandeln

Während Erwachsene Säuren oder Laugen häufig vorsätzlich bzw. in suizidaler Absicht trinken, passiert es bei Kindern in der Regel als Unfall im häuslichen Umfeld. Meistens trifft es Kleinkinder bis zu einem Alter von fünf Jahren. Die Verätzungen von Erwachsenen fallen üblicherweise schwerwiegender aus, da sie deutlich größere Mengen zu sich nehmen als der Nachwuchs, schreibt ein Team um den Toxikologen Professor Dr. Robert S. Hoffman, New York University Langone Health. Einer Studie mit 214 Verätzungsopfern zufolge mussten von den 39 % der eingewiesenen Kinder nur 8 % stationär behandelt werden. Von den 48 % der Erwachsenen waren es hingegen 81 %.
Hitzeschäden durch Neutralisieren des pH-Werts
Als säure- oder laugenhaltige Gefahrenquelle rangieren vor allem Haushaltsreiniger ganz weit oben, die bei Kontakt mit Schleimhäuten teilweise schwere Gewebeschäden verursachen. In den USA beispielsweise müssen jährlich etwa 1000 Kinder im Schnitt vier Tage im Krankenhaus bleiben, weil sie Waschmittel, Toiletten- oder Rohrreiniger getrunken haben. Um derartige Unfälle zu vermeiden, sollten Eltern alle Reinigungssubstanzen außerhalb der Reichweite von ihren Zöglingen aufbewahren. Das gilt auch für Batterien. Denn leckt der Nachwuchs an der Kontaktstelle der Batterie, kann dies in einer lebensgefährlichen Alkalivergiftung münden.
Der Verletzungsgrad hängt u.a. vom pH-Wert der Flüssigkeit ab. Dabei schaden Säuren mit einem pH-Wert < 2 und Laugen mit einem pH-Wert > 12 am meisten. Der Körper will grundsätzlich wieder seinen gewohnten pH-Wert herstellen, die Lösungen also neutralisieren. Die daraus meist resultierende exotherme Reaktion löst dann Hitzeschäden aus. Auch die Konzentration, die Menge der eingenommenen Flüssigkeit und die Dauer des Körperkontakts beeinflussen die Verletzungsschwere. Während Verätzungen mit Säuren zu Koagulationsnekrosen führen, spalten Laugen Fette und gelangen so in tiefe Schichten, die sie schädigen. Am häufigsten betroffen sind Haut, Augen und Atmungs- sowie Verdauungsorgane.
Zunächst gilt es, klinisch instabile Patienten zu stabilisieren und falls nötig zu intubieren. Bei der körperlichen Untersuchung sollten Kollegen auf mögliche Gewebeschäden insbesondere im Gesicht sowie in der Mundhöhle achten. Aber auch Verletzungen anderer Hautpartien durch Spritzer und auslaufende Flüssigkeiten darf man nicht übersehen. Deshalb: Kleider bei jedem entfernen und die Haut mit viel Wasser spülen. Im Fall einer Augenbeteiligung beinhaltet Letzteres auch die Augen. Zudem sollte umgehend ein Augenarzt hinzugezogen werden.
Auf diese Beschwerden achten
- Speichelfluss
- Schluckstörungen
- Schwellung von Zunge/Mund
- Husten
- veränderte Stimme
- Stridor
- starke Schmerzen in Mund, Kehle, Brust und/oder Abdomen
- Erbrechen
- Blutungen
- Mediastinitis bzw. Peritonitis
Bei tiefen Ulzerationen scheint Methylprednisolon zu helfen
Der Effekt einer Steroidtherapie auf die Narbenbildung ist umstritten. Einer Untersuchung zufolge scheinen vor allem Kinder mit tiefen Ulzerationen nach Laugenverätzungen von einer dreitägigen Behandlung mit Methylprednisolon zu profitieren. Eine prolongierte Steroidtherapie erachten die US-amerikanischen Forscher weder bei Säure- noch bei Laugenverätzungen als sinnvoll. Für Sucralfat und Mitomycin C können die Autoren aufgrund der nicht ausreichenden Datenlage keine eindeutige Empfehlung aussprechen. Das Zytostatikum birgt jedoch das Langzeitrisiko für eine Entwicklung maligner Tumoren. Während kleinere Verletzungen keiner Nachsorge bedürfen, sollten bei Patienten mit schwereren Verätzungen jährlich endoskopische Kontrollen erfolgen, da sie ein erhöhtes Risiko für Strikturenbildung und Ösophaguskarzinome haben.Quelle: Hoffman RS et al. N Engl J Med 2020; 382: 1739-1748; DOI: 10.1056/NEJMra1810769
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).