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Doppeltsehen: Der Ursache einer Diplopie systematisch auf den Grund gehen

Ein 67-jähriger Mann sucht einen Arzt auf, weil er beim nächtlichen Autofahren den Mond und die Autoscheinwerfer doppelt sieht. Wenn er sein rechtes Auge zumacht, verschwinden die Doppelbilder. Schließt er hingegen sein linkes Auge, persistieren sie. Doppelbilder wie im diesem Fallbeispiel sind keine Seltenheit im Praxisalltag, schreiben die Ophthalmologen Dr. Pierre-François Kaeser und Professor Dr. François-Xavier Borruat von der Universität Lausanne.
Von dicker Brille bis Hirnschaden alles möglich
Etwa 1,4 % der Patienten eines ophthalmologischen Notfallzentrums kommen aufgrund einer Diplopie. Dahinter kann alles Mögliche stecken – von der harmlosen prismatischen Wirkung starker Brillengläser bis hin zu einer lebensbedrohlichen Notfallsituation. Im Praxisalltag gilt es also zügig zu entscheiden, wer zusätzliche Untersuchungen benötigt und wer nicht.
Als Erstes sollten Sie Ihren Patienten fragen, ob die Doppelbilder mono- oder binokular sind. Monokulare Doppelbilder bleiben auch nach Abdeckung eines Auges bestehen und bedürfen in der Regel keiner zusätzlichen Notfalluntersuchung, da es sich bei ihnen meist um ein rein ophthalmologisches Problem handelt. Dahinter kann entweder eine Refraktionsstörung, eine Hornhautläsion, eine Katarakt oder selten eine Makulopathie stecken. Das Doppelbild ist oftmals verschwommen und wird vom Betroffenen wie ein Schatten wahrgenommen. Lässt man den Patienten dann durch eine Lochblende* schauen, verschwinden die Doppelbilder.
Falls das nicht der Fall ist, handelt es sich um eine sehr seltene, zerebral bedingte Polyopie. Dabei liegt eine Läsion des zerebralen Kortex vor, die sauber voneinander getrennte beidseitige Doppelbilder verursacht. Die persistieren auch dann, wenn das andere Auge abgedeckt wird.
Binokulare Doppelbilder verschwinden nach dem Abdecken jeweils eines Auges und lassen eine optische Achsenabweichung beider Augen vermuten, wie sie beispielsweise bei einer Myopathie, Myasthenie und orbitalen oder neurologischen Läsion vorkommen.
Bei diesen neurologischen Situationen schnell handeln
- Patienten über 60 Jahre mit einer Okulomotoriusparese benötigen eine zielgerichtete Anamnese und Laboruntersuchung, da möglicherweise eine Riesenzellarteriitis vorliegt. Ein dringender Verdacht erfordert unverzüglich eine hoch dosierte Kortisontherapie und eine Biopsie der Arteria temporalis.
- Jede isolierte Okulomotoriusparese bei Patienten unter 50 Jahren (insbesondere Kindern!) muss mittels MRT oder CT weiter abgeklärt werden (Kompression oder Demyelinisierung).
- Läsionen des III. Hirnnervens lassen eine Kompression durch ein Aneurysma der Arteria communicans posterior vermuten, weshalb ein Notfall-Angio-CT indiziert ist.
- plötzlich (vaskuläre, entzündliche oder infektiöse Erkrankungen)
- schleichend (Kompression, Infiltration)
- vorübergehend (latenter Strabismus bis hin zu ischämischen Phänomenen; z.B. erstes Anzeichen einer Riesenzellarteriitis bei über 60-Jährigen)
- persistierend
- variabel (z.B. Myasthenie mit Verschlechterung bei Müdigkeit oder Orbitopathie mit Besserung im Laufe des Tages)
- stereotyp
Tränen und Rötung sprechen für eine Orbitopathie
Fällt Ihnen bei der Untersuchung ein Exophthalmus auf, spricht das für eine Orbitaläsion (z.B. endokrine Orbitopathie, Myositis, Orbitaphlegmone, Tumor). Bei einem Enophthalmus ist meist der Orbitaboden infolge einer Fraktur oder eines Silent-Sinus-Syndrom betroffen. Eine Lidspaltenasymmetrie deutet auf eine Verschiebung des Augapfels hin. Tränt das Auge und ist zusätzlich zur Diplopie gerötet, spricht das für eine Orbitopathie. Hinter einer binokularen Diplopie verbirgt sich meist eine isolierte Parese eines okulomotorischen Hirnnervs, wobei in etwa 50 % der Fälle der N. abducens (VI. Hirnnerv) betroffen ist.* Kunststoffscheibe mit einem 1 mm großen Loch, durch das nur parallele zentrale Lichtstrahlen dringen
Quelle: Kaeser P-F, Borruat F-X. Swiss Medical Forum 2017; 17: 826-832
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