Verwirrspiele um das tränende Auge

Dr. Dorothea Ranft

Der Schirmer-Test mit einem Lackmusstreifen objektiviert die Reizsekretion des Auges. Der Schirmer-Test mit einem Lackmusstreifen objektiviert die Reizsekretion des Auges. © augeninfo.de, Prof. Dr. H. Busse, Universitätsklinikum Münster

Patienten mit tränenden Augen stellen schon diagnostisch oft eine Herausforderung dar – zumal sich das eigentlich trockene Sehorgan nur allzu gern als feucht geriert. Wer die Ursachen des „feuchten trockenen Auges“ kennt, kann Ordnung in diesen Wirrwarr bringen.

Es mag paradox klingen, dass sich auch ein trockenes Auge als feuchtes präsentieren kann. Doch der Begriff „trockenes Auge“ umfasst nicht nur das klassische Tränenmangelsyndrom, sondern auch die Hypersekretion, die zu einem „feuchten trockenen Auge“ führen kann, schreiben Dr. Marc Schargus von der Universitäts-Augenklinik Düsseldorf und sein Kollege.

Dahinter steckt meist eine vermehrte reflektorische Tränensekretion bei erhöhter Verdunstung des Tränenfilms (Evaporation). Deshalb spricht man auch vom evaporativen trockenen Auge. Betroffene haben v.a. in den Morgenstunden Beschwerden (z.B. Augenbrennen). Sie verstehen oft nicht, dass sie an einem trockenen Auge leiden, weil die Hypersekretion genau das Gegenteil suggeriert.

Weitere Ursache liegt in den ableitenden Tränenwegen

Im Gegensatz zum evaporativem trockenen Auge sind Störungen der ableitenden Tränenwege als Ursache einer vermehrten Feuchtigkeit relativ einfach abzuklären. Neben Fehlstellungen der Lidkante und des Tränenpunktes finden sich am häufigsten Stenosen, seltener Fisteln der Tränenwege. Im Kindesalter sind die Stenosen meist angeboren, bei Erwachsenen überwiegend entzündlich oder traumatisch bedingt. Auch Systemerkrankungen, nasale Neoplasien und eine Zytostatikatherapie kommen als Auslöser infrage. Sichern lässt sich die Stenose beispielsweise mit einer Sondierung und Spülung der ableitenden Tränenwege. Wegen der Verletzungs- und Infektionsgefahr sollte dieser diagnostische Test jedoch nur von Augen- und erfahrenen HNO-Ärzten vorgenommen werden. Alternativ kommt der Farbstofftest nach Jones infrage. Zur Therapie punktueller oder kurzstreckiger Stenosen der Canaliculi bzw. des Ductus nasolacrimalis eignen sich minimalinvasive endoskopische Verfahren.
Unterschieden werden grob intrinsische und extrinsische Auslöser. Bei einer intrinsischen Ursache kommt es durch pathologische Veränderungen zu einem Verduns­tungsverlust des Tränenfilms direkt. Einer der häufigsten Auslöser ist die Meibom-Drüsen-Dysfunktion oder posteriore Blepharitis. Sie wird oft von Hauterkrankungen wie Rosazea und atopischem Ekzem begleitet. Auch ein Exophthalmus (endokrine Orbitopathie, hohe Myopie) kann durch die Erweiterung der Lidspalte die Verdunstung verstärken. In die gleiche Richtung wirkt eine verringerte Lidschlagrate (M. Parkinson, Bildschirmarbeit).

Meibom-Drüsen-Dysfunktion ist häufiger Auslöser

Unter extrinsisch versteht man äußere Faktoren, die die Evaporation steigern. Dazu gehören allergische Konjunktividen, aber auch Störungen der Augenoberfläche – z.B. bei Vitamin-A-Mangel, der neben trockenen Augen eine Reflexsekretion auslösen kann. Grundsätzlich ist das trockene Auge mit Tränenhypersekretion eine Ausschlussdiagnose, betonen die Autoren. Vor allem ein streng einseitiger Befund sollte kritisch hinterfragt werden. Als Differenzialdiagnosen kommen z.B. bakterielle und virale Entzündungen in Betracht, auch Lidfehlstellungen (En- oder Ektropium) können zu einer Reflexhypersekretion führen. Diagnostiziert werden sollte das evaporative trockene Auge grundsätzlich vom Ophthalmologen – unter Hinzuziehung mehrerer Testverfahren. Veränderungen der Meibom-Drüsen zeigen sich z.B. unter der Spaltlampe. Der Schirmer-Test erfasst die Tränenreizsekretion und die Fluoreszinfärbung macht Korneaschäden sichtbar. Die Osmolalität des Tränenfilms zeigt sich mittels Impedanzmessung innerhalb von nur 30 Sekunden. Oft lässt sich die unerwünschte Tränenverdunstung schon mit einfachen Maßnahmen mindern. So sollte der Patient für eine möglichst luftfeuchte Umgebung sorgen, etwa durch häufiges Lüften und den Verzicht auf Klimaanlagen (auch im Auto). Bewusstes Blinzeln steigert die Lidschlagrate während der Bildschirmarbeit. Auch Nikotinkarenz, ausreichendes Trinken sowie Tränenersatzmittel tun dem trockenen Auge gut, so die Autoren.

Komponente statt Schicht

Statt der früher üblichen Schichteneinteilung spricht man heute von Komponenten der Tränenflüssigkeit. Neben der wässrigen Phase, die etwa 90 % der Flüssigkeit ausmacht, spielen auch Muzin- und Lipidphase eine wichtige Rolle. Als äußere Grenze der Tränenflüssigkeit verzögern die Lipide die Verdunstung und verringert die Oberflächenspannung. Die Muzinkomponente verbessert die Adhäsion der wässrigen Phase an den Epithelien und sorgt so für eine gleichmäßige Benetzung der Augenoberfläche.

Konsequente Lidrandhygiene zwei- bis dreimal täglich

Vor allem bei der Meibom-Drüsen-Dysfunktion mit posteriorer Blepharitis hat sich eine konsequente, dauerhaft durchgeführte Lidrandhygiene bewährt: Betroffene sollen zwei- bis dreimal täglich für fünf Minuten feuchtwarme Umschläge auflegen, gefolgt von einer Lidkantenmassage mit einem in Babyshampoo getränkten Watteträger. So lässt sich das Sekret aus den Ausführungsgängen drücken. Auch eine medikamentöse Therapie kann sinnvoll sein. Unter den antiinflammatorischen Substanzen haben sich Augentropfen mit Ciclosporin bzw. Glukokortikoiden als wirksam erwiesen. Steroide sind allerdings wegen potenzieller Nebenwirkungen (Glaukom, Katarakt) nur zeitlich begrenzt einsetzbar. Topische NSAR zeigten dagegen keinen signifikanten Effekt. Bei einer Meibomitis empfehlen die Autoren einen Versuch mit Doxycyclin (50 mg/Tag über drei Monate).

Schargus M, Geerling G. HNO 2017; 65: 69-84

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Der Schirmer-Test mit einem Lackmusstreifen objektiviert die Reizsekretion des Auges. Der Schirmer-Test mit einem Lackmusstreifen objektiviert die Reizsekretion des Auges. © augeninfo.de, Prof. Dr. H. Busse, Universitätsklinikum Münster