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Der Keim im Bein

Die meisten Infektionen von Gelenkprothesen treten in einem Zeitraum bis zu einem Jahr nach dem Eingriff auf. Hervorgerufen werden sie überwiegend durch Hautbakterien, die mit der Inzision in die Tiefe gelangen und auf dem Implantat einen Biofilm bilden.
100 Bakterien genügen für die Infektion einer Prothese, sagte Privatdozentin Dr. Yvonne Achermann, Universitätshospital Zürich. Weder die gründliche Hautdesinfektion vor der OP noch die Antibiotikaprophylaxe können verhindern, dass bei etwa jedem zweiten Patienten vor dem Hautschnitt noch kutane Bakterien zu kultivieren sind.
Frühe postoperative Infektionen, d.h. im ersten Monat, machen sich mit klassischen Infektzeichen wie Rötung, Wundsekretion oder Fieber bemerkbar. Sie sind vor allem auf S. aureus zurückzuführen. Infektionen, die im späteren Verlauf auftreten, werden für den Patienten mit Schmerzen und ggf. Fistelbildung spürbar. Hier finden sich vor allem coagulasenegative Staphylokokken, Enterokokken und Cutibakterien als Auslöser.
Die aktuelle Definition der EBJIS (European Bone and Joint Infection Society) unterscheidet anhand verschiedener Kriterien eine gesicherte, eine wahrscheinliche und eine unwahrscheinliche Infektion:
Als gesichert gilt eine Infektion klinisch, wenn eine Fistel zwischen Haut und Prothese besteht. Serologische Kriterien sind eine Leukozytenzahl > 3000/µl, ein Neutrophilenanteil von mehr als 80 % oder ein positiver Alpha-Defensintest (Peptid, das von Neutrophilen produziert wird). Mikrobiologisch beweisend sind mindestens zwei für dasselbe Bakterium positive Kulturen oder > 50 koloniebildende Einheiten (CFU)/ml in der Kultur nach Sonikation.
Als wahrscheinlich gilt eine Infektion, wenn sich eine Prothese innerhalb von zwei Jahren lockert, die Leukozytenzahl über 1500/µl liegt und der Anteil an Neutrophilen > 65 %. Auch positive Leukozytenszintigraphie, eine positive Kultur und > 1 CFU/µl machen eine Protheseninfektion wahrscheinlich.
Der Erregernachweis ist jedoch außerordentlich schwierig, weil sich die Bakterien entweder intrazellulär oder im Biofilm verstecken. Die Sonikation (Ultraschallbehandlung) ist ein Hilfsmittel, um die Biofilmbakterien von der Oberfläche der Gelenkprothese abzulösen. In Kulturen mit Sonikat-Material lassen sich die meisten Bakterien besser und schneller nachweisen als in Standard-Gewebekulturen.
10–20 % der Infektionen sind kulturnegativ
Wichtig ist, mehrere Biopsien zu entnehmen, weil die Bakterien im Biofilm unregelmäßig verteilt sind. Vor der Untersuchung sollte man möglichst lange ohne Antibiotika auskommen. Die Kulturen müssen über mindestens zehn Tage laufen, weil Biofilm-Bakterien einen reduzierten Metabolismus aufweisen. Es dauert deshalb länger, bis sie anfangen zu wachsen.
Aber auch wenn man alles richtig macht, bleibt ein Anteil von 10–20 % kulturnegativer Protheseninfektionen übrig. In diesem Fall kann man spezielle Kulturen für Mykobakterien und Pilze anschließen. Wenn die Histologie eine granulomatöse Entzündung zeigt, können spezielle Serologien auf anspruchsvolle Erreger wie Coxiellen, Francisellen oder Brucellen helfen, dem Übeltäter auf die Spur zu kommen. Und schließlich gibt es noch molekulare Methoden.
Immer steht die Frage im Raum, ob man das Implantat erhalten kann. Chronische Infektionen erfordern meist einen Implantatwechsel. Bei akuten Infektionen, einer Symptomdauer von weniger als drei Wochen, stabilem Implantat, wenn die Weichteile nicht schwer geschädigt sind und wirksame Antibiotika eingesetzt werden, sind die Aussichten nicht schlecht, das Implantat mittels Debridement zu erhalten. Biofilmaktive Substanzen sind bei Staphylokokken Rifampicin (600 oder 900 mg/Tag), bei gramnegativen Ciprofloxacin und bei Pilzen Caspofungin, so Achermann. Bei Streptokokkeninfektionen hat Rifampicin in retrospektiven Analysen eine hohe Versagerrate von um die 40 % gezeigt.
Lokale Antibiotika kommen bei komplexen Infektionen oder Revisionseingriffen zum Einsatz. Um sie zu applizieren, verwendet man nicht-resorbierbare Träger wie Polymethylmethacrylat oder biologisch abbaubare Träger wie Kollagen, demineralisierte Knochenmatrix oder Hydrogele.
Quelle: 15. Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin*
* Online-Veranstaltung
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